Hans Eichel packt es nicht


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Neuester Beitrag: 02.12.02 13:25
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1943 Postings, 8876 Tage TraderHans Eichel packt es nicht

 
  
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02.12.02 13:01


Unter einem besseren Finanzminister wäre die rot-grüne Koalition vielleicht nicht ins Finanzchaos geraten. Ein "braver Soldat" ist zu wenig.


Von WINFRIED MÜNSTER, Rheinische Post



BERLIN. Er ist ein hoher Beamter im Bundesfinanzministerium und fand Oskar Lafontaine sympathischer als seinen jetzigen Chef. Aber er verteidigt ihn: "Hans Eichel ist ein braver Soldat. Müsste er gehen, so wäre er das typische Bauernopfer zugunsten desjenigen, der in Wahrheit die Verantwortung trägt."

Am Wochenende schwirrten wieder - zum wievielten Male seit den verunglückten Koalitionsverhandlungen nach der Wahl - Gerüchte umher, der vom Verfassungsrang her wichtigste Minister werde entlassen. Das Dementi des Regierungssprechers kam umgehend und klang glaubwürdig. Warum Eichel? Er war das einzige Kabinettsmitglied, das der Kanzler und Alleinkämpfer Gerhard Schröder in seinen Wahlkampf-Spots vorgezeigt hatte. Hans Eichels Integrität ist über jeden Zweifel erhaben, oder war es jedenfalls. Er predigt unaufhörlich eine Überzeugung, die niemand bestreitet: Der Staat müsse sparen, damit er an den Zinsen für seine Schulden nicht ersticke. Der Kasseler Studiendirektor ist mit sich selbst im Reinen und antwortet auch so, wenn er, wie so oft in den letzten Wochen, gefragt wird, ob er die endlosen Vorwürfe - wegen der Steuererhöhungen, wegen des Wahlbetrugs, wegen des Defizitverfahrens der EU - nicht satt habe und die Sachen hinwerfen wolle. "Das wäre ein zu billiger Ausweg", antwortete er der "Welt am Sonntag". "Einfach in den Sack zu hauen, so bald es schwierig wird, das ist nicht meine Art." Eben. Niemand würde die Wurzel des Übels in seiner Person sehen. Jeder würde seine Entlassung als die Entscheidung Schröders verstehen, die Steuererhöhungen, die er, der Kanzler, zu verantworten hat, rückgängig zu machen. Das aber will der Wahlsieger nicht.

Und dennoch werden die Rücktrittsgerüchte bleiben. Die rot-grünen Steuern und Finanzen sind derart verkorkst, dass sie noch auf unabsehbare Zeit im Brennpunkt der Kritik stehen werden. Schröder braucht dringend eine bessere Finanzpolitik, und die bekommt er von Eichel nicht. Der brave Soldat entwickelt nichts selbst, geschweige denn, dass er seine Ideen dann auch durchsetzen könnte. Zur Steuerreform, die die ersten Jahre der Regierung Schröder geprägt hat, hatte das Haus Eichel nichts beigetragen. Der amtierende Finanzminister führt nur aus und zeigt sich auch dann willig, wenn er weiß, dass Unsinn ist, was ihm gesagt wird, und diejenigen, die ihn bedrängen, Dilettanten sind.

So kommt es zu katastrophalen Fehlentscheidungen. Das Sammelsurium an Steuererhöhungen, das in den Koalitionsverhandlungen beschlossen worden ist, war eine. Schröder verhinderte sie nicht, weil er nicht weiß, wie gute Finanzpolitik aussieht. Eichel bannte die Gefahr nicht, weil Schröder ihm den Mund verbot: "Hans, nun hör` doch mal auf". Dabei macht die Verfassung den Finanzminister stark. Er kann sich zwar nicht gegen den Kanzler durchsetzen, wohl aber den Rest des Kabinetts blockieren. Diese Macht hätte sich auch in den Koalitionsverhandlungen ausüben lassen. Es wäre darauf angekommen, dass der Minister den rot- grünen Parteispitzen gesagt hätte, wie zu kalkulieren sei: Zum ersten: Es ist dumm, sich den Ärger aufzuhalsen, den 50 einzelne Steuererhöhungen bescheren. Es ist dilettantisch, Steuern zu erhöhen, die unmittelbar die Konjunktur bremsen und deshalb am Ende mehr Steuereinnahmen kosten, als sie einbringen. Zum zweiten: Wenn Steuererhöhungen schon unvermeidlich sind, dann bitte eine einzige, und die kräftig. Eichel hätte seinen Freunden klarmachen müssen, dass sie mit einer Mehrwertsteuer-Erhöhung am besten fahren würden. Dann hätte es einen großen Knall gegeben, der Rauch wäre inzwischen abgezogen. Man hätte auf die Opposition verwiesen, die die Mehrwertsteuer sogar noch im Frühjahr vor der Wahl 98 heraufgesetzt habe, und dies wahrscheinlich jetzt wiederholen würde.

Was aber lief tatsächlich ab? Die Koalitionäre sagten dem Finanzminister, wo es in der Finanzpolitik lang geht: Die Steuern müssten gerechter werden. Welch ein Unfug. Die Wirtschaft stagniert. Immer mehr Menschen verlieren ihre Arbeit. Die öffentlichen Finanzen stehen vor dem Kollaps. Die Regierung beschränkt sich auf die Suche nach den gerechten Steuern. Ein guter Finanzminister macht so etwas nicht mit.

Eichel aber hat dies nicht nur geduldet. Es ist unter seiner Verantwortung sogar aktiv betrieben worden. Die Steuererhöhungen wurden Stück für Stück in seinem Hause konzipiert, und zwar klar ersichtlich von Beamten, die nicht eine Minute lang politisch gedacht haben. Stattdessen kämmten sie ihre Paragraphen schematisch nach Steuervergünstigungen durch. So kam es denn zu solch irrwitzigen Vorschlägen, wie dem, der Industrie die Abzugsfähigkeit von Spenden zu streichen. Dieser Irrsinn fiel sogar dem Kanzler auf. Er strich den Vorschlag aus der Steuererhöhungsliste.

Als braver Soldat hat Eichel auf Geheiß von oben auch willig gelogen. Nur können brave Soldaten dies leider nicht gut. Alle wussten seit Monaten, dass Deutschland mit zu hohem Staatdefizit gegen den Vertrag von Maastricht verstoßen werde. Die EU-Kommission hatte sogar schon im Februar davor gewarnt. Der verantwortliche Minister aber behauptete im Oktober immer noch, das Staatsdefizit liege unter der erlaubten Höchstgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Dann aber gab er den Verstoß beiläufig in Sandra Maischbergers Fernseh-Talkshow zu. Er habe die schlechten Zahlen "gerade erst auf den Tisch" bekommen. Die Zuschauer lachten. Anfang September hatte er der Brüsseler Kommission in nachgerade kabarettistischer Manier ein Staatsdefizit von 2,9 Prozent notifiziert. Dass es in Wahrheit dick über drei lag, durfte er ja nicht eingestehen. Die Wahl stand noch bevor.

Ein guter Finanzminister lügt, gewiss. Aber seine Lügen sind Teil einer Strategie, die dem Wohle des Landes dient. Eichel Flunkereien entspringen dagegen dem Chaos seiner Politik. Als die Kommission zu Jahresbeginn ankündigte, sie werde Deutschland einen Blauen Brief schicken, weil sich das Defizit der Drei-Prozent-Grenze nähere, da hielt Eichel es für klug, sich schuldig zu bekennen und Reue zu geloben. Dies wäre in der Tat klug gewesen, da er wusste, dass er nicht mehr in der Lage sein würde, die Schuldenlatte unter drei Prozent zu halten. Aber Schröder befahl dem braven Soldaten, sich über den Blauen Brief zu empören und ihn als ungerechtfertigt abzuwehren. Eichels Schauspiel in Brüsseler Ministerrat war entwürdigend. Die rot-grüne Bundesregierung hat sich schon damals in der ganzen EU lächerlich gemacht. Einem Finanzminister mit Rückgrat wäre dies nicht passiert. "Eiserner Hans" wurde Eichel zu Beginn seiner Amtszeit genannt. Mag sein, dass er das war. Er ist dann aber so biegsam geworden wie Lakritz.

Für Deutschlands desolate Finanzen macht er natürlich im Chor mit dem Kanzler die Weltwirtschaftskrise verantwortlich. Die Bundesregierung verschickt Dokumentationen, die beweisen sollen, dass sie von den Wirtschaftsforschungsinstituten in die Irre geführt worden sei. Die Institute hätten alle halbe Jahre ein zu hohes Wirtschaftswachstum prognostiziert. Eichel habe sich darauf verlassen, und sei dann vom Einbruch der Steuereinnahmen überrascht worden.

Ist das nicht ein Widerspruch? Verlässt sich ein guter Finanzminister auf Prognosen, die sich immer wieder als falsch erweisen? Sie sind schon seit zwei Jahren falsch. Eichel hätte sie seit mindestens einem Jahr nicht mehr glauben dürfen. Dann wäre er auch nicht überrascht worden.

Gruß
Trader  

25196 Postings, 8597 Tage modDer Kanzler besitzt die Richtlinienkompetenz

 
  
    #2
02.12.02 13:10
 Artikel 65 GG:  
Satz 1  Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung.
 
- Richtlinien stehen im Koalitionsvertrag
- werden in Regierungserklärung bekannt gegeben
- beinhaltet Berechtigung in allen wichtigen Fragen verbindlich generelle Anweisungen
 zu geben ( staatsrichtungsbestimmende Grundsatzentscheidungen )
- Richtlinienkompetenz soll Führungsrolle des Kanzlers gewährleisten
 
 

47 Postings, 7933 Tage Bunsenbrennerwelche Verantwortung

 
  
    #3
02.12.02 13:20
macht er Mist , tritt er zurück oder wird abgewählt.
Anschließend geniesst er das Leben mit seinen ihm zustehenden Pensionen aus Steuergeldern.  

9161 Postings, 8965 Tage hjw2 genau mod, bunsenbrenner

 
  
    #4
02.12.02 13:25


poltische verantwortung = keine verantwortung  

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