Über den weiblichen Schwachsinn
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Eröffnet am: | 24.01.03 21:44 | von: Nassie | Anzahl Beiträge: | 3 |
Neuester Beitrag: | 25.01.03 02:12 | von: DarkKnight | Leser gesamt: | 993 |
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von Oliver Haustein-Teßmer
Paul Julius Möbius: "Hat ein Weib ein mathematisches Talent, so ist es ebenso, als ob sie einen Bart hätte."
Foto: Arch. f. Leipziger Psychiatriegeschichte
Berlin - Für Paul Julius Möbius mag Johanna Kappes die Skandalnudel des Jahres gewesen sein. Da hatte es unerhörterweise eine junge Frau geschafft, ihre Einschreibung an der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität durchzusetzen. Während die Oberen im allzu liberalen Baden schon eingeknickt zu sein schienen unter dem Druck der „Feministen“, arbeitete Möbius nämlich noch am entscheidenden Beweis gegen die Studierfähigkeit der Frauen.
Den legte der Neurologe aus Leizpig im selben Jahr 1900 in Buchform vor. Damals erschien „Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes“ in Halle, eine Abhandlung, die bis heute in Zitaten präsent ist. Am 24. Januar jährt sich der Geburtstag des in Leipzig geborenen Thomasschülers, studierten Theologen, promovierten Philosophen und habilitierten Nervenarztes zum 150. Mal.
Sein Forscherleben widmete Möbius großenteils dem Hirn von Frau und Mann im Vergleich. Er vermaß, wog und stellte fest: Die schiere körperliche Masse und Form dürfte für den Zustand von Seele und Geist verantwortlich sein. Fazit: „Wichtige Gehirnteile des Weibes sind schlechter entwickelt.“
Möbius warnt: Übermäßiges Denken macht Frauen krank
Möbius ging davon aus, dass die Natur den zwei Geschlechtern unterschiedliche Aufgaben zugedacht hatte. Der Mann mit dem äußerlich besser entwickelten Scheitellappen hatte das Potenzial zum Gelehrten oder Künstler. Die Frau hingegen gehörte an den Herd, ins Wochenbett und hatte die Kinder zu erziehen. „Gelehrte und künstlerische Frauen sind Ergebnisse der Entartung“, erläuterte der Leipziger. Er warnte, dass übermäßige Gehirntätigkeit das „Weib nicht nur verkehrt, sondern auch krank“ mache.
Die Liste der einprägsamen Sätze aus Möbius‘ Hirn lässt sich fortsetzen. Sein Material, besonders aber das genannte Hauptwerk, hat der Frauenforschung, Feministinnen, aber auch Medizinern in ihrer historischen Reflexion als Quelle gedient. „Sein Buch ist ein Dokument der Sozial- und Mentalitätengeschichte und auch ein Schwanengesang nach 4000 Jahren patriarchalischer Gesellschaftsstruktur und Rollenzuweisung“, urteilt der Medizinhistoriker Marcel H. Bickel (Bern) in der Schweizerischen Ärztezeitung.
Allerdings traf Möbius einen empfindlichen Nerv der Männerwelt. Sein Buch verkaufte sich ganz gut bis zum Vorabend des Ersten Weltkriegs, erreichte mehr als ein Dutzend Auflagen. Ein Faksimile erschien 1990 im Verlag Matthes & Seitz in München. Und obwohl der schwanenhaft wirkende Jubliar Möbius längst verstorben ist nach seinem verzweifelten Kampf gegen den Feminismus, streiten moderne Forscher weiter um die Intelligenz der Geschlechter.
Eine Schule von Anthropologen verteidigt die Auffassung, dass Männer die Evolution vorangebracht hätten. Sie behaupten verkürzt gesagt, dass die Penisträger dies ihren größeren Gehirnen verdankten. Den Zuwachs hätten sie sich sozusagen beim Nachdenken auf der Jagd erworben. Revisionisten dieser These fordern dagegen anzuerkennen, dass Frauen schlauer gerieten durch das Nahrung sammeln. Den jüngsten Aufruf des US-Anthropologen James O’Connell dazu schilderte dieser Tage Elke Binder in der WELT.
Erfinder der „exogenen Psychose“
Also lässt sich Paul Julius Möbius 150 Jahre nach seiner Geburt noch als Pionier der Genderdebatte würdigen. Davon abgesehen, hat der Neurologe seiner Forschungsrichtung Impulse gegeben. Zum Beispiel prägte der langjährige Irrenarzt des Dresdner allgemeinen Krankenhauses den Begriff der äußerlich feststellbaren, „exogenen Psychosen“ im Gegensatz zu „endogenen“ Krankheitsbildern der Seele.
Obwohl er als Mann alle Voraussetzungen mitbrachte, gab es in Möbius' recht zügiger Karriere mit der Habilitation im Alter von 30 Jahren einen Knick. Wie es in einer kurzen Online-Biografie der Universität in Leipzig heißt, sah sich Möbius fachlich nicht ausreichend gewürdigt. Um 1893 verzichtete er auf seine dort erlangte Venia Legendi, die ihn als Vorlesenden zuließ.
Zunehmend widmete er sich seiner Praxis und „Grenzfragen des Nerven- und Seelenlebens“, wie ein Buchtitel heißt. Er dozierte über Goethes Darstellungen pathologischer Charaktere, schrieb über den kranken Friedrich Nietzsche. Bis zu seinem Tod jedoch beschäftigten ihn die Frauen als naturgegebenes Problem, wie in „Geschlecht und Kopfgröße“.
Der mit dem Möbiusband war ein anderer
Sein Name ist heutzutage in der Allgemeinheit fast vergessen. Gelegentlich wird er verwechselt mit August Ferdinand Möbius (1790 bis 1868), der ein paar Jahrzehnte zuvor in Leipzig gelehrt hatte und der einen Papierstreifen ein halbes Mal verdrehte und dessen Enden aufeinander klebte: Fertig ist die paradoxe einseitige Fläche.
Sein Namensvetter Paul Julius Möbius starb, nicht ganz 54-jährig, am 8. Januar 1907. Doch seine Zitate leben weiter. Eines wird besonders häufig genannt: „Die Mathematik ist dem Liebestrieb nicht abträglich.“ Diese These dürfte wiederum unter den Frauen und Männern, die jemals eine Schule besucht haben, mindestens ebenso umstritten sein wie der Möbius’sche Band über das schwachsinnige Weib.