US-Waffenarsenal für Saddam
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Eröffnet am: | 28.09.02 01:07 | von: vega2000 | Anzahl Beiträge: | 2 |
Neuester Beitrag: | 28.09.02 01:20 | von: Antichrist | Leser gesamt: | 2.011 |
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Saddams Waffen
Am Ende des Textes auf "zurück zur Übersicht", dort gibt es ein Video dazu
Der Besucher aus dem fernen Amerika schüttelte seinem Gastgeber herzlich die Hand. Dieser gab sich "lebhaft und vertrauensvoll", notierte ein Mitarbeiter der US-Botschaft. Dabei übermittelte der Sondergesandte aus Washington "die Grüße des Präsidenten und brachte seine Freude zum Ausdruck", die Hauptstadt des Gastlandes besuchen zu dürfen. Anschließend sprachen die Partner übers Geschäft und die Verbesserung der Beziehungen zwischen ihren Staaten.
So schildert ein jüngst vom amerikanischen Magazin "Newsweek" zitiertes Protokoll des US-Außenministeriums jene Begegnung, an die Amerikas Regenten heute nur noch ungern erinnert werden. Denn es war Donald Rumsfeld, heute Chef der gewaltigsten Streitmacht auf Erden, der einst, im Dezember 1983, im Auftrag des damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan in Bagdad das vertrauliche Gespräch mit Saddam Hussein suchte.
In den folgenden acht Jahren, das ergaben Ermittlungen des US-Kongresses, scheuten die Regierungen der Präsidenten Reagan und Bush senior weder Kosten noch Mühe, um dem Despoten von Bagdad in seinem Angriffskrieg gegen den Iran beizustehen. Nach dem Prinzip, 'der Feind meines Feindes ist mein Freund', arrangierten sie nicht nur verdeckte Waffenkäufe über Ägypten sowie die Übergabe von militärisch wichtigen Daten der US-Satellitenaufklärung.
Saddams Terrorwaffen, made in USA
Zugleich billigten die US-Behörden auch den Kauf von Ausrüstung und Rohstoffen zur Herstellung biologischer und chemischer Waffen durch das Regime im Irak. So lieferten US-Labors zum Beispiel am 2. Mai 1986 vier Kulturen von Milzbrand- und Botulinus-Bakterien an das Irakische Bildungsministerium, beides Erreger, die der Herstellung von Bio-Waffen dienen können.
Daneben durfte sich die irakische Atomenergie-Kommission unter den Augen der Exportkontrolleure des Washingtoner Handelsministeriums über mehrere Jahre hinweg in den USA mit Labor-Ausrüstung eindecken. Der Handel mit der Technik für die Massentötung setzte sich sogar noch fort, nachdem Saddam Hussein im März 1988 über 5000 Kurden mit einem Giftgasangriff hatte ermorden lassen. Insgesamt erteilten die US-Behörden nicht weniger als 711 Ausfuhrlizenzen für so genannte dual-use-Güter, die zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen benötigt werden.
"Die Vereinigten Staaten versorgten die Regierung des Irak mit Materialien, die zur Entwicklung des irakischen Chemiewaffen, Biowaffen- und Raketen-System-Programms beitrugen", resümierte der Ausschussvorsitzende, Donald Riegle, im Jahr 1992.
Heute, fast zwei Jahrzehnte nach Rumsfelds Besuch in Bagdad, stehen er und sein Präsident an der Spitze einer Regierung, die sich anschickt, wegen ebensolcher Waffen einen Präventivkrieg gegen den Irak zu führen. "Wenn die Feinde der Zivilisation offen und aktiv nach den zerstörerischsten Technologien der Welt streben, dürfen die Vereinigten Staaten nicht tatenlos bleiben", konstatiert die am vergangenen Freitag veröffentlichte neue "Nationale Sicherheitsstrategie" der Regierung Bush. Auch wenn "Zeit und Ort der Angriffe durch solche Feinde unsicher" seien, so künden Bushs Strategen, "werden die Vereinigten Staaten, wenn nötig, auch präventiv handeln, um feindliche Akte unserer Gegner zu vereiteln".
Doch die Gefahren, die Washingtons Falken nun beschwören, um ihren geplanten Bruch mit dem Völkerrecht zu rechtfertigen, haben sie selbst und ihre Vorgänger aktiv mit herbeigeführt - und das keineswegs nur wegen ihrer unheiligen Allianz mit dem Schlächter von Bagdad während der achtziger Jahre. Vielmehr behindern und unterlaufen Amerikas Regierungen seit Jahrzehnten und bis heute Bemühungen der internationalen Staatengemeinschaft, der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen wirksame Riegel vorzuschieben.
Die Politik der Doppelmoral begann schon, da war die Vokabel "Nichtweiterverbreitung" (Nonproli-
feration) gerade erst geboren. Gegen Ende der sechziger Jahre drängten die damals erst fünf Atommächte (USA, Sowjetunion, China, Frankreich, Großbritannien) unter massivem politischen Druck die übrige Welt zur Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrages, dem mittlerweile 185 Staaten beigetreten sind. Um die atomaren Habenichtse zu ködern, verpflichteten sich die Atomwaffenbesitzer in Artikel sechs des Vertrages zur "generellen und vollständigen Abrüstung" ihrer Atomarsenale "unter strikter und effektiver Kontrolle".
Zugang zum Club der Unangreifbaren
Das Versprechen war wegen des Kalten Krieges von Beginn an wenig glaubwürdig. Doch auch nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion übten sich die Atommächte in Ignoranz, allen voran die USA, wo der Kongress im Jahr 1992 sogar den Vertrag über das Ende von Atomwaffen-Tests zurückwies. Diese Verweigerung blieb nicht ohne Folgen. Schwellenländer sahen sich geradezu aufgefordert, sich durch den Aufbau eigener Atomwaffen-Arsenale Zugang zum Club der Unangreifbaren zu verschaffen.
Folglich rüsteten sich die Inder schon ab 1974 mit Atomwaffen aus, nicht zuletzt unter Verweis auf das Arsenal des großen Nachbarn China. Dem indischen Beispiel folgte irgendwann in den achtziger Jahren Israel, das zwar keinen Demonstrationstest durchführte, über dessen Atomwaffenfabrik in der Negev-Wüste aber ausreichende Belege vorliegen. Und die "islamische Bombe" in den Händen von Saddam Hussein mag zwar durch den Golfkrieg und die anschließende Zerstörung der irakischen Atomlabors verhindert worden sein. Gleichwohl gibt es sie - in Pakistan, dessen Regime 1998 mit einer Serie von unterirdischen Bombentests seine Fähigkeit zum nuklearen Vergeltungsschlag demonstrierte.
Insbesondere die Fälle Israel und Pakistan demonstrieren, wie Amerikas Kämpfer gegen die nukleare Bedrohung mit zweierlei Maß messen. Gewiss, Israel ist umgeben von feindlichen Nachbarn, die mit der ultimativen Waffe vor einem erneuten Überfall auf den Judenstaat abgeschreckt werden können. Ähnliche Abschreckung könnte freilich auch ein Beistandsvertrag mit den USA bewirken. So dient das israelische Atomprogramm den Hardlinern der arabischen Welt stets als Rechtfertigung für die Forderung nach eigenen Massentötungswaffen. Trotzdem enthielten sich die US-Regierungen beider Parteien bis heute jeder ernsthaften Kritik an Israels Atombewaffnung.
Noch absurder ist der amerikanische Umgang mit Pakistan. Die Diktatur des Pervez Musharraf darf getrost als Brutstätte des internationalen Terrors bezeichnet werden. Sein Geheimdienst nährte nicht nur die Taliban bis zum abrupten Richtungswechsel nach dem 11.9. 2001. Daneben stützen Musharrafs Schergen auch die Islamisten in Kaschmir und regieren das Land mit brutalen Polizeistaatsmethoden bis zu Folter und Mord. Trotzdem erfreut sich die herrschende Offiziers-Clique in Islamabad der ungeteilten Unterstützung aus Washington, einschließlich großzügiger Milliardenkredite des Internationalen Währungsfonds.
Im Klartext: Demokratie hin, Menschenrechte her, wer auf Seiten der USA steht, darf sich ungestraft ABC-Waffen verschaffen. Und das eigene Arsenal der Vereinigten Staaten bleibt ohnehin sakrosankt.
Vor diesem Hintergrund sind die Methoden, mit denen Regierung und Parlament in Washington die Uno-Konventionen gegen die Verbreitung von Bio- und Chemiewaffen sabotieren, wenig überraschend. Gleich zwei mal demonstrierte die Bush-Administration in den vergangenen zehn Monaten, dass sie kein Interesse mehr an solchen Verträgen hat.
Den ersten Sprengsatz an das Nichtverbreitungs-Regime im Rahmen der Uno legte Vize-Außenminister John Bolton, der in Washington den irreführenden Titel "Abrüstungsbeauftragter" führt, im vergangenen Dezember persönlich.
Als die Vertreter der 144 Mitgliedstaaten der Bio-Waffen-Konvention in Genf zusammentraten, um endlich - nach sieben Jahren mühevoller Verhandlungen - ein Protokoll zu verabschieden, das wirksame Kontrollen vorschreiben sollte, ließ Bolton die Konferenz kurzerhand platzen. Die US-Regierung unterstütze dieses Vorhaben nicht mehr, teilte er mit; den verblüfften Diplomaten blieb nichts anderes übrig, als sich um ein Jahr zu vertagen.
Vergangene Woche ließ Bolton mitteilen, dass seine Regierung an einer Fortsetzung der Verhandlungen kein Interesse mehr hat und alle Ideen für ein Kontroll-Regime gegen Bio-Waffen für "den falschen Ansatz" halte, bei dem zu befürchten sei, "das er grundsätzlich nicht funktioniert". Man könne doch "nicht glauben, dass 150 Länder am Tisch sitzen und von gleich zu gleich verhandeln, wenn einige die Konvention verletzen, über die man redet", erläuterte ein leitender US-Beamter der "Financial Times Deutschland" diese Position. Das sei, "als würden Mafia und Polizei über eine bessere Verbrechensbekämpfung reden."
Die Biowaffen-Projekte der US-Army
Erst recht, wenn das Pentagon Teil der Mafia ist. Denn nicht nur der Irak, Israel, Ägypten, China, Indien und Pakistan stehen im Verdacht. Auch die Vereinigten Staaten haben in Sachen Bio-Waffen einiges zu verbergen. So enthüllte die "New York Times" ein Woche vor den Anschlägen vom 11. September, dass die Regierung mindestens drei Projekte verfolge, die, wenn nicht den Paragrafen, so doch dem Sinn der Konvention fundamental widersprächen. Demnach arbeiten Wissenschaftler der US Army an einer Produktionsanlage für Biowaffen, an der Vorbereitung einer Testexplosion einer unvollständig ausgestatten Bakterienbombe und der Entwicklung eines gentechnisch veränderten Milzbranderregers, der gegen die gebräuchlichen Impfstoffe resistent ist.
Nicht anders halten es die Bush-Krieger mit den chemischen Waffen. Zwar gelang es der Uno im Jahr 1997 die weltweit tätige Kontroll-"Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons" (OPCW) zu gründen, deren 200 Inspektoren bis 2012 die Vernichtung aller Chemiewaffen-Bestände überwachen sollen. Doch die im Vertrag vorgesehenen unangekündigten Verdachtskontrollen können ausgerechnet in den USA gar nicht stattfinden. Mehrfach verwehrten US-Behörden den OPCW-Experten den Zugang zu bestimmten Einrichtungen. Und der Kongress verabschiedete dazu ein Gesetz, das es dem Präsidenten erlaubt, die Inspektoren überhaupt abzuweisen, wenn deren Tätigkeit "die Sicherheit der Vereinigten Staaten" gefährde.
Im April diesen Jahres erzwang die Bush-Regierung schließlich auch noch den Rausschmiss des noch ein Jahr zuvor einstimmig in seinem Amt bestätigten OPCW-Direktors José Bustani. Der 59-jährige brasilianische Diplomat hatte den Fehler begangen, ganz im Sinne seines Auftrages auch Saddam Hussein zur Unterzeichnung des Vertrages zu drängen und damit seinen Kontrolleuren auch im Irak Zutritt zu verschaffen.
Weil das dem Regime in Bagdad womöglich zusätzliche Legitimation verschafft hätte, stellten die Amerikaner kurzerhand ihre Beitragszahlungen ein und warfen Bustani "Kompetenzüberschreitung" vor. Anschließend schmiedeten sie eine Allianz zur Absetzung des als störrisch und eigensinnig gebrandmarkten Brasilianers, bei der neben den Europäern sogar die Delegierten des pazifischen Zwergstaates Kiribati als Stimmvieh eingespannt wurden. Bustani blieb nach der entscheidenden Abstimmung in Den Haag nur der Protest gegen den seiner Meinung nach "gefährlichen Präzedenzfall", bei dem erstmals auf Druck der USA der Chef einer multilateralen Institution während seiner laufenden Amtszeit davongejagt wurde.
Es liegt nahe, all diese Widersprüche und Übergriffe der US-Strategen beim Umgang mit Massenvernichtungswaffen achselzuckend als jene Realpolitik anzusehen, wie sie eine komplexe und gewalttätige Welt nun einmal erfordert. Doch gerade die jüngere Geschichte der US-Außenpolitik liefert zahlreiche Belege, dass sie zur Befriedung und Demokratisierung der Menschheit etwa so viel beiträgt wie die gefälschten Bilanzen von Enron und Co. zur Gesundung der amerikanischen Volkswirtschaft. Gleich ob im Falle des Irak oder Saudi-Arabiens, ob bei der UCK-Guerilla im Kosovo oder Afghanistans Gotteskriegern, allzu häufig mündete die US-Realpolitik am Ende im Ruf nach Schutz vor Amerikas Freunden von gestern - und ihren Waffen.
Die "Selektivität der amerikanischen Politik" beim Umgang mit Massenvernichtungswaffen sei daher selbst ein zentrales Problem bei deren Bekämpfung, warnt Bernd Kubbig, Rüstungsexperte bei der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung. Daran werde auch der geplante Krieg gegen den Irak nichts ändern. Zu befürchten sei vielmehr, dass erneut ein "substaatlicher Boden für Terroristen" geschaffen werde. Für deren Zugriff auf die Technologien der Massenvernichtung ist der Weg nur noch kurz.
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