Terroristen... in GER nur "arme Flüchtlinge" !
Ein Drahtzieher des Attentats vom 11. März in Madrid lebte zuvor zwei Jahre lang im Saarland. Die Terrorplanung begann aber wohl erst später. Trotz aller Sicherheitspakete könnte "Mohammed der Ägypter" auch heute nicht abgeschoben werden
VON CHRISTIAN RATH
Deutschland ist erneut als Terroristenhort in den Schlagzeilen. Der mutmaßliche Drahtzieher der Anschläge von Madrid, Rabei Osman Sayed Ahmed, lebte zwei Jahre lang im Saarland. Der 32-Jährige, der auch "Mohammed der Ägypter" genannt wird, war Anfang der Woche in Mailand festgenommen worden.
Ahmed soll im April 1999 illegal nach Deutschland eingereist sein. Bei der Weiterreise nach Frankreich wurde er im Juni 1999 festgenommen und nach Deutschland zurückgeschickt. Ein Asylantrag wurde binnen weniger Wochen abgelehnt, und Ahmed landete in Abschiebehaft im saarländischen Ottweiler.
Ahmed ist gebürtiger Ägypter und hat die marokkanische Staatsangehörigkeit. Bei den Behörden gab er sich als staatenloser Palästinenser aus. Als solcher konnte er nicht abgeschoben werden, weil ihn kein Land aufnehmen wollte. (Wer prüft diese Aussage?) Nach einem Jahr Abschiebehaft erhielt Ahmed eine Duldung und lebte ab September 2000 als Sozialhilfeempfänger im zentralen saarländischen Asyllager Lebach. Von dort verschwand er im August 2001, vermutlich nach Spanien.
In einem abgehörten Telefongespräch brüstete sich Ahmed mit Blick auf die Anschläge von Madrid, bei denen am 11. März diesen Jahres 191 Menschen getötet und rund 1.500 verletzt wurden: "Das war mein Projekt, ein Projekt, das mich viel Geduld und viel Arbeit gekostet hat." Zweieinhalb Jahre lang habe er den Plan vorbereitet. Wenn diese Angabe stimmt, hat er mit der Planung erst nach seinem Aufenthalt in Deutschland begonnen. Davon geht derzeit auch die Bundesanwaltschaft aus. Anlass zur Kritik an deutschen Sicherheitsbehörden gibt es also wohl nicht.
Spekuliert wird in Medien derzeit über persönliche Verbindungen zwischen den Attentätern von Madrid und den Hamburger Attentätern des 11. September 2001 um Mohammed Atta und Ramzi Binalshibh. Doch bisher gibt es dafür keine Belege.
Mit den deutschen Sicherheitsbehörden hatte Ahmed dreimal zu tun. Als er in Lebach einen Gebetsraum einrichtete und dort auch gegen Juden hetzte, stellte der saarländische Verfassungsschutz ihn unter Beobachtung. Nach den Attentaten von New York und Washington sollte Ahmed wie andere Islamisten überprüft werden, doch da war er schon verschwunden. Später gab es noch eine Anfrage spanischer Ermittler, die dazu führte, dass Generalbundesanwalt Kay Nehm einige Telefonkontakte Ahmeds rekonstruieren und überprüfen ließ, zu einem förmlichen Ermittlungsverfahren reichte das nicht.
Gegen die Madrid-Attentäter ermittelt Nehm schon seit längerem, weil dort auch eine deutsche Frau verletzt wurde. Jetzt wurde Ahmed in dieses Ermittlungsverfahren einbezogen. Zu einer Anklage in Deutschland dürfte dies jedoch kaum führen, da die spanische Justiz hier natürlich Vorrang genießt.
Auswirkungen auf die Debatte um das Zuwanderungsgesetz sollte die deutsche Episode von Rabei Osman Sayed Ahmed eigentlich auch nicht haben. So lassen sich mit seinem Fall keine neuen Ausweisungsgründe rechtfertigen, denn Ahmed war von vornherein illegal in Deutschland und hätte sehr schnell abgeschoben werden können. Gegen praktische Probleme wie unklare Staatsangehörigkeiten gehen jedoch auch alle Verschärfungen des deutschen Ausländerrechts ins Leere.
Schon einmal war die deutsche Innenpolitik im Zusammenhang mit den Madrider Anschlägen elektrisiert. Ein Mitverdächtiger, der Marokkaner Fouad A., war seit Oktober 2003 in Darmstadt gemeldet. Bald stellte sich jedoch heraus, dass er dort nur einige Tage gelebt hatte.
taz Nr. 7382 vom 14.6.2004, Seite 6, 121 Zeilen (TAZ-Bericht), CHRISTIAN RATH
DAS ist Deutschland wie es leibt und lebt !
Da brauchen wir uns aber um einen Terroranschlag im eigenen Land keine Sorgen machen, die würden die Hand doch nicht abschlagen, die sie füttert...
Super!
Scheiß Rechtsstaat. Immer muss er sich an die Gesetze halten...
In dem Vorspann zu obigem Artikel (#1) steht deutlich zu lesen:
"Ein Drahtzieher des Attentats vom 11. März in Madrid lebte zuvor zwei Jahre lang im Saarland. Die Terrorplanung begann aber wohl erst später. "
Wie sollen die deutschen Behörden einen justiziablen Vorwurf daraus basteln, dass jemand womöglich irgendwann irgendwelche Anschläge plant! Steht ihm das irgendwo ins Gesicht tätowiert?
Der Mann hat weder Asylrecht bekommen, noch wollte man ihn hier haben. Allein: Es gab kein Land, wohin man ihn abschieben konnte, da ihm keine Nationalität nachzuweisen war. Steht alles so in dem Artikel. Was also tun? Am nächsten Baum aufknüpfen? Verhungern lassen?
Natürlich ist das misslich. Aber das ist nunmal der Preis dafür, dass wir - Gott sei Dank - in einem Rechtsstaat leben.
Populistisches Stammtischgegröhle ist jedenfalls -auch Gott sei Dank - noch keine Grundlage für Rechtsentscheidungen.
Gruß Barode
im SPIEGEL TV MAGAZIN
Sendetermin: Sonntag, 13. Juni, 23.00 - 23.50 Uhr, RTL:
Sinngemäß: "Es ist nicht alles schlecht in Deutschland, man denke dabei an die freie Entfaltungsmöglichkeit islamistischer Fundamentalisten, die sich in Deutschland in aller Ruhe und weitgehend unbehelligt auf Terroranschläge vorbereiten können."
Die Ernsthaftigkeit, gepaart mit leichter Süffisanz, mit der sie diesen Themenbereich anmoderierte, war schon bemerkenswert.
Interessant auch die Frage der Reporter an Mounir al-Motassadeq, weshalb er weiterhin in Deutschland lebe, wo wir doch alle derart gottlos seien - eine Antwort blieb er logischerweise schuldig!
Auszug:
Im Freundeskreis des Terrors - Die Hamburger Zelle lebt
Sie ließen sich mit den Todespiloten vom 11. September 2001 fotografieren, feierten mit ihnen, teilten sich Wohnung und Gebetsstätte: Studienkollegen und Glaubensbrüder aus dem Umfeld der Hamburger Zelle um Mohammed Atta und Ziad Jarrah leben noch heute unbehelligt in der Hansestadt. Nach Ansicht von Polizei und Staatsschutz gehören sie nach wie vor zum harten Kern der Hamburger Islamistenszene. Juristisch ist den Terroristenfreunden offenbar nicht beizukommen. Ebenso wenig wie Abdelghani Mzoudi und Mounir al-Motassadeq, deren Prozesse wegen Beihilfe zu den Terroranschlägen spektakulär scheiterten. Beide sollen sich mittlerweile wieder in den Kreisen der Hamburger Fundamentalisten bewegen. Spiegel TV-Reporterin Kerstin Mommsen über Islamisten in Hamburg und die Schwächen des Rechtsstaates.
Rückblick:
MOTASSADEQ-ENTSCHEIDUNG
Mit breitem Grinsen in die Freiheit
...
Zitat: "Enttäuscht zeigte sich dagegen die Nebenklage. Die Entscheidung sei "ein Schlag ins Gesicht der Angehörigen der Opfer des 11. Septembers", sagte der Berliner Rechtsanwalt Andreas Schulz. Für ihn stellt die Entscheidung "eine Einladung an alle Terroristen der Welt in den sicheren Hafen Deutschland" dar, da die deutschen Gerichte zu einer Verurteilung von Verdächtigen nicht in der Lage seien."
Tödliche Hatz auf "Kreuzfahrer und Ungläubige"
Von Yassin Musharbash
Auf beispiellose Weise jagen Terroristen in Saudi-Arabien westliche Ausländer, unter den jüngsten Opfern ist möglicherweise auch ein Deutscher. Die US-Botschaft rät Amerikanern zum Abzug, Fluggesellschaften lassen ihr Personal nicht mehr im Land übernachten. Die al-Qaida verspricht weitere Anschläge, als Rache für Guantanamo.
Riad - "Dies ist sicherlich eine gefährliche Zeit für Saudi-Arabien", erklärte heute der US-Außenminister Colin Powell in Bezug auf die sich verschlechternde Sicherheitslage in dem Wüstenkönigreich. Zwar betonte Powell, dass die USA mit den saudischen Behörden "auf jede erdenkliche Art und Weise" in der Bekämpfung des internationalen Terrorismus kooperierten, doch zugleich warnte die US-Botschaft in Saudi-Arabien ihre Bürger heute vor Anschlägen und forderte sie auf, sich möglich unauffällig zu verhalten. Ungefähr 35.000 US-Bürger arbeiten schätzungsweise in Saudi-Arabien.
Die britische Botschaft veröffentlichte einen ähnlichen Aufruf an die rund 30.000 im Land beschäftigten Briten. "Wir haben es mit einer ernsthaften Terrorbedrohung zu tun", sagte der britische Botschafter in Riad, Sherard Cowper-Coles, heute der BBC. Die wachsende Unsicherheit veranlasste zwei führende Fluggesellschaften, ihre Crews nicht mehr in Saudi-Arabien übernachten zu lassen. Lufthansa-Sprecher Wolfgang Weber sagte am Sonntag in Frankfurt am Main, die Regelung gelte bereits seit ein paar Wochen. British Airways teilte mit, ihr Personal dürfe seit vergangenem Mittwoch nicht mehr in Riad oder Dschidda übernachten.
Diese Warnungen waren die Reaktion auf eine ganze Serie von Anschlägen auf westliche Ausländer in dem ölreichen Staat in den vergangenen Wochen. Erst gestern hatten Terroristen einen US-Bürger erschossen und einen zweiten ermordet. Die saudische Filiale des Terrornetzwerks al-Qaida bezichtigte sich via Internet selbst der Tat und drohte damit, ihrer Geisel dasselbe anzutun, was ihren "Brüdern in Guantánamo und Abu Ghureib" widerfahren sei. An das Bekennerschreiben fügten die Terroristen Kopien der Visitenkarte und verschiedener Lichtbildausweise des 49-jährigen Entführten an, der für die Rüstungsfirma Lockheed Martin arbeitet.
Erst wenige Tage zuvor hatten Terroristen ein Fernsehteam der BBC angegriffen und einen irischen Kameramann getötet. Ende vergangenen Monats hatten Qaida-Kämpfer die Ölstadt Chobar angegriffen und insgesamt 22 Menschen getötet, darunter auch westliche Ausländer.
Verwirrung herrschte heute unterdessen über einen angeblichen weiteren Leichenfund in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad. Während es aus saudischen Sicherheitskreisen in Riad hieß, es handele sich mit großer Wahrscheinlichkeit um einen Deutschen, wurde von der Polizeidirektion der Region dementiert, dass überhaupt eine Leiche gefunden worden sei.
Der saudische Kronprinz Abdullah Ibn Abd al-Asis bekräftigte unterdessen die Entschlossenheit seines Landes, alle "Kriminellen" zu jagen und den Terrorismus auszurotten. In den letzten Monaten ist die Zahl terroristischer Angriffe in Saudi-Arabien massiv angestiegen. Das Terrornetzwerk al-Qaida und verbündete Gruppen versuche auf diese Weise, die als "Ungläubige" und "Kreuzfahrer" betrachteten Westler von der arabischen Halbinsel zu vertreiben. Entsprechende Erklärungen fanden sich in den letzten Wochen immer häufiger auf einschlägigen Internetseiten. Zuletzt hatte al-Qaida explizit den Angestellten westlicher Fluggesellschaften gedroht. Auch saudi-arabische Bürger, die für den als "vom Glauben Abgefallen" betrachteten Staat arbeiteten, seien potenzielle Ziele, erklärten die Terroristen mehrfach.
US-Außenminister Powell sagte heute, Saudi-Arabien könne selbst mehr tun, um die Extremisten zu bekämpfen. Zugleich zeigte er sich aber zufrieden über die bisherigen Anstrengungen der Regierung. Powell strebt eine verstärkte Zusammenarbeit saudischer und US-amerikanischer Behörden an. Saudi-Arabien ist ein enger Verbündeter der USA in der Region. "Die Saudis wissen, dass sie ein sehr ernstes Problem in ihrem Königreich haben und sie wissen, dass es alle ihre Ressourcen in Anspruch nehmen wird - nicht nur die militärischen und polizeilichen", sagte Powell weiter. Es müsse auch dafür gesorgt werden, dass Geldflüsse nicht mehr bei extremistischen Organisationen ankommen.
gruß Maxp.
Da befindet er sich in guter Gesellschaft !
Immer mehr leben von Sozialhilfe, Arbeitslosengeld, Bafög und Rente. Und:
Nur noch jeder Zweite arbeitet!
Schlosser: 1650 Euro netto: Roland Drescher, 42, aus Marzahn liebt seinen Job als Triebfahrzeugschlosser, weil er gleichzeitig Hobby ist. Er hat sich an die Schichtarbeit gewöhnt und frühes Aufstehen stört ihn nichtFoto: selchow// -->Berlin - Der Mann ist Triebwagenschlosser bei der BVG. Der Job bringt im Durchschnitt 2.965 Euro brutto im Monat (1.650 Euro netto). Roland Drescher, 42, aus Marzahn repariert U-Bahnen. Damit gehört er zu den 1,34 Millionen Berlinern, die schuften. Die ihren Lebensunterhalt durch Arbeit verdienen. Der Rest der arbeitsfähigen Bevölkerung (1,31 Millionen) lebt von Sozialhilfe, Arbeitslosengeld, Bafög oder Rente. Das ist fast jeder zweite. So eine Erhebung des Statistischen Landesamtes.
"Ich bin seit 1979 dabei. U-Bahnen waren schon immer meine Leidenschaft. Wir arbeiten in Früh- und Spätschichten. Aufstehen um 5.10 Uhr ist für mich kein Problem. Ich mag meinen Job. Ich würde nicht tauschen", sagt Roland Drescher stolz.
Unterschiede innerhalb der Stadt: In den Ost-Bezirken verdienen rund 44 Prozent der Einwohner ihr Geld mit einem Job (West-Bezirke: 37 Prozent).
Der Bezirk Hellersdorf-Marzahn ist sogar stadtweiter Spitzenreiter: 46 Prozent der etwa 256 000 Einwohner verdienen sich hier ihr Leben durch eigener Hände Arbeit. Schlusslicht in der Rangliste ist Neukölln (ca. 307 300 Einwohner), wo nur jeder Dritte seinen Lebensunterhalt durch einen Job bestreitet.
Job, Sozialhilfe, Rente. Vor 12 Jahren sah das Verhältnis noch anders aus. Damals gingen zehn Prozent mehr Berliner arbeiten, es gab fünf Prozent weniger Rentner und fünf Prozent weniger Arbeitslose.
Wer arbeitet, wer arbeitet nicht oder nicht mehr? Die BZ stellt die Menschen hinter den statistischen Daten vor.
Helga Banscherd, 68, aus Spandau ist Rentnerin. Sie hat 500 Euro im Monat: "Ich habe 20 Jahre als Krankenschwester gearbeitet, vier Töchter großgezogen. Jetzt gehört der Tag mir. Ich tue all das, wozu ich Lust habe. Schreibe Gedichte, lese, schlafe ein bisschen vorm Fernseher, räume auf."
Claus Seide, 39, Möbel-Taxifahrer aus Reinickendorf: "Ich habe eine 70-Stunde-Woche, arbeite oft von 8.30 bis 20.30 Uhr. Urlaub kann ich mir seit Jahren nicht leisten. Meine Zwei-Mann-Firma macht bis 6000 Euro im Monat Umsatz. Mir bleiben davon 1300 Euro netto. Aber ohne Arbeit könnte ich nicht leben."
Karsten Grünert, 46 aus Neukölln lebt von Sozialhilfe: "140 Euro habe ich im Monat, die Miete von 300 Euro zahlt auch das Amt. Ein Auto habe ich nicht. Das reicht aber für mich und meine Freundin. Ich schlafe am liebsten bis 13 Uhr. Tagsüber treffe ich mich mit meinen Freunden oder sehe mir Trickfilme im Fernsehen an. Mit dem bisschen Geld - was soll man da schon großartiges tun? Arbeiten? Nein, das wäre mir jetzt echt zu schwer."
Dass auch zu viele Deutsche in der sozialen
Hängematte liegen?
Richtig volle Zustimmung.
Der Sozialstaat liegt im Todeskampf, er macht gerade seine
letzten Zuckungen, er zerstört sich selbst und warum?
Weil er asoziales verhalten prämiert, weil er Faule jeglicher
Nationalität besser behandelt, als Leute die hier arbeiten
und denen aufgrund von Steuern und Sozialabgaben weniger
bleibt, als wie wenn sie sich einen schönen Lenz machen würden!
gruß Maxp.
Dr. Peter Scholl-Latour, 77, Journalist, Schriftsteller, Filmautor und Weltreisender über die veränderte Welt nach dem 11. September 2001 und die religiöse Komponente bei den derzeitigen Konflikten
Prof. Dr. Peter Scholl-Latour im Gespräch mit A. Schosch (Foto: Werner Renz, Stimme der Hoffnung, Darmstadt)
TENDENZEN: Herr Dr. Scholl-Latour, in Ihrem neu erschienen Buch "Afrikanische Totenklage" stellen Sie als einer Art Fazit fest, daß angesichts der augenblicklichen katastrophalen Situation in Afrika, die ehemalige europäische Kolonisation rückblickend als eine "relativ humane Form" der Fremdherrschaft erscheine. Wie meinen Sie das?
Dr.Scholl-Latour: Diese Einschätzung können Sie nur vor dem Hintergrund der derzeitigen katastrophalen Situation nachvollziehen! Und da geben Sie mir sicherlich Recht, wenn ich rückblickend die ehemalige europäische Kolonisation als eine "relativ humane Form" der Fremdherrschaft bezeichne. Damals wurden Infrastrukturen geschaffen, es gab Schulen und Hospitäler. Heute sind die meisten dieser zivilisatorischen Errungenschaften zerstört. Die heutigen, an gnadenloser Profitmaximierung und Rohstoffspekulation orientierten Industrienationen hingegen ignorieren bzw. beschleunigen den unheilvollen Kreislauf aus Zerstörung und Chaos.
TENDENZEN: Als wir vor Jahren das erste Mal miteinander sprachen, zitierten Sie den französischen Schriftsteller und unter de Gaulle zeitweise Kulturminister A. Malraux, der gesagt hat: "Das 21. Jahrhundert wird entweder religiös sein oder überhaupt nicht sein". Ist der Terrorakt am 11. September 2001 hierfür ein Fanal?
Dr.Scholl-Latour: Zweifellos betrachten sich die Terroristen, die - ihrer fanatischen Überzeugung gemäß - "auf dem Weg Allahs streiten", im Zustand des "Heiligen Krieges". Doch auch für orientalische Verhältnisse, wo man seit langem in der Zwangsvorstellung des Komplotts, des "mu'amarat" lebt, ist die Hinwendung zur nihilistisch anmutenden, aber religiös motivierten Gewalt ein relativ originäres zutiefst erschreckendes Phänomen. Um einen historischen Vorläufer von Osama bin Laden zu entdecken, der sich als Rächer des Islam, als Tugendwächter auch der muslimischen Potentaten aufspielt, müssen wir wohl auf das Mittelalter zurückgreifen. Da bietet sich in der Figur des "Alten vom Berge" eine erstaunliche Parallele.
Im zwölften Jahrhundert sammelte dieser "Scheikh el Djebl" - erst in Persien, dann in Syrien - seine Selbstmord-Kandidaten, die "Haschischin", und schickte sie nicht nur zur Ermordung der Kreuzritter aus, mit denen die heutigen Araber die Präsenz Amerikas und Israels im Orient oft vergleichen, sondern auch gegen jene muslimischen Herrscher, die angeblich vom rechten Weg der Religion abgewichen waren. Der damalige Abbassiden-Kalif von Bagdad und dessen Rivale, der Fatimiden-Kalif von Kairo, fielen den Mordanschlägen dieser jungen Fanatiker zum Opfer, denen angeblich durch Haschisch-Genuss die Vision des Paradieses vorgegaukelt wurde.
Unter den christlichen Feinden des Islam wurden der fränkische König Konrad von Jerusalem und Prinz Raimund von Antiochia ermordet. Selbst der sieghafte Sultan Saladin entging mit knapper Not dem Anschlag dieses Mörder-Ordens. In den Helden-Liedern der "Assassinen" hieß es damals: "Ein einziger Krieger zu Fuß wird zum Entsetzen des Königs, auch wenn dieser über tausend bewaffnete Reiter verfügt."
Bei der Bekämpfung des "fundamentalistischen" Terrorismus fällt es den westlichen Geheimdiensten schwer, sich in die Mentalität dieser "Schuhada" zu versetzten. Vor allem die werbende Kraft des zerstörerischen Opfertodes auf Nachahmer-Täter wird unterschätzt. "Sanguis martyrum semen Christianorum - Das Blut der Märtyrer ist der Samen der Christenheit", hieß es einst im Abendland, als dort noch die innige Religiosität vorhanden war.
TENDENZEN: Und im Westen scheint diese "innige Religiosität" verloren gegangen sein. Auf der Europa-Synode 1999 in Rom berichtete der türkische Bischof Bernardini über die Offenheit, mit der sich kurz zuvor der Imam von Izmir an die christlichen Teilnehmer eines Dialogtreffens gewandt hatte: "Dank eurer demokratischen Gesetze werden wir euch überwältigen, dank eurer religiösen Gesetze werden wir euch beherrschen." (Zitiert nach Gernot Facius, DIE WELT vom 06.10.2001 und Hans-Peter Raddatz: "Von Gott zu Allah", Seite 349, Herbig Verlag, München, 2001). Ist es eine unbedeutende Einzelstimme oder steckt mehr dahinter? Hat uns womöglich unsere Naivität den Blick für das latente islamische Sendungsbewußtsein - mitunter auch unter Einbeziehung der Terrorgewalt - getrübt? Inwiefern tragen wir im Westen dazu bei, daß uns Moslems als "Ungläubige" sehen, "sehen müssen"?
Dr.Scholl-Latour: Nein, so pauschal würde ich es nicht formulieren. Sie dürfen nicht Deutschland mit Amerika gleichsetzen. Ich habe diese Abgeordneten gesehen, die da gesungen haben: ‚God bless America'... Es ist ja noch ein tief religiöses Land. Bei uns weigern sich ja schon die meisten Minister, das Wort "Gott" in den Mund zu nehmen, wenn sie ihren Eid leisten. Dieses Ruhen in einer gewissen Religiosität gibt natürlich Amerika eine Kraft, die die Europäer nicht mehr haben. Wir wären eher in der Lage, mit dem Islam, der ja nun mal unser Nachbar ist, zu diskutieren, wenn wir selber noch religiöse Überzeugungen hätten, nämlich dann könnten wir auf dem gleichen Niveau sprechen. Aber ein Mensch, der auf die Religion verzichtet hat, der ein Atheist ist, ist für einen Moslem ein Tier. Und es ist wohl wahr: Wir sind schwächer als die Muslime, weil wir nicht mehr glauben.
TENDENZEN: Ein ganzes Heer von "Bedenkenträgern" rumpfen ob dieser Ihrer Sätze die Nase und empfehlen Ihnen den Begriff "political correctness" neu buchstabieren zu lernen.
Dr.Scholl-Latour: Na und? Sollen sie doch! Ich sehe auch keinen Grund, warum sich Christen wegen der Kreuzzüge entschuldigen sollen. Unsinn! Die Eroberungen muslimischer Mächte haben im Mittelalter bis an die Loire geführt und später im Osmanischen Reich bis Wien. Es gibt keinen Grund für Christen, Abbitte zu leisten. Ich halte es für eine Ungeheuerlichkeit, dass es in Saudi-Arabien verboten ist, eine Bibel oder ein Kreuz einzuführen; dass ein Priester, der in einem Haus eine Messe für die philippinischen Hausangestellten liest, mit Gefängnis oder gar mit dem Tod bedroht ist. Das sollten wir uns nicht gefallen lassen.
von Dirk Maxeiner und Michael Miersch
Als vergangene Woche ein Moslem in einer Gelsenkirchener Moschee aus verletzter Ehre zwei Glaubensbrüder erschoss, war das den meisten Zeitungen nur eine Kurzmeldung wehrt. Man hat sich daran gewöhnt, dass inmitten einer liberalen Gesellschaft das Mittelalter wiederaufersteht: Ehrenmorde, Zwangsverheiratungen, Freiheitsberaubung an Frauen und Mädchen, Selbstjustiz aufgrund angeblich erlittener "Schande". "Wenn meine Schwester Sex vor der Ehe hat, schlitz ich die auf, ganz klar," sagte ein jugendlicher Moslem unbefangen einer taz-Reporterin. Übergriffe auf Passanten, die in den Augen militanter Religionswächter schwul oder jüdisch aussehen, nehmen zu.
Ist es nicht Zeit, für eine öffentliche Diskussion darüber? Unsere talklustige Mediengesellschaft streitet übers Kopftuch und blendet das eigentliche Thema aus. Und das nicht nur in Deutschland. Der britische TV-Moderator Robert Kilroy-Silk verlor kürzlich seinen Job, weil er deutlich aussprach, dass in arabischen Ländern "Selbstmordattentäter, Armabhacker und Frauenunterdrücker" ihr Unwesen treiben. Das Aussprechen solcher hässlichen Tatsachen ist offenbar unerwünscht.
Wenn aggressive Minderheiten Angst verbreiten, ist Demutshaltung ein verständlicher Reflex. Nur nicht provozieren! Doch was gegenüber aggressiven Gangs in der U-Bahn gilt, sollte nicht unbedingt zur Grundhaltung von Medienmachern und Politikern werden. "Küsst die Faschisten, wo ihr sie trefft", empfahl Kurt Tucholsky 1931 in einem Gedicht. Er spottete darin über die verbreitete Konfliktscheu und Mutlosigkeit im Umgang mit den SA-Banden. "Ihr müsst sie lieb und nett behandeln, erschreckt sie nicht - sie sind so zart!"
Die Frage, warum ausgerechnet antimoderne islamische Kulturen so viel Unterdrückung und Gewalt hervorbringen, muss erlaubt sein. Doch die Diskussion darüber wird abgewürgt. Unmittelbar nach dem Schock des 11. September 2001 wurden die verbindlichen Deutungsmuster festgelegt: Armut, kulturelle Kränkung durch den Westen und die Sturheit Israels gelten seither als ausgemachte Ursachen des moslemischen Furors. Ende der Diskussion.
Wer die Täter und ihre Motive betrachtet, stößt aber früher oder später auf ganz andere Triebfedern. In ihren Traktaten ist viel von himmlischen Freuden die Rede, die sehr irdisch anmuten. An der verhasste westlichen Kultur empört sie vor allem deren vermeintliche sexuelle Zügellosigkeit. Warum war es Mohammed Atta so furchtbar wichtig, dass nach seinem Tod keine Frau seine Leiche sieht und niemand seine Genitalien berührt? Man muss nicht zum Psychologisieren neigen, um dahinter familiäre und sexuelle Wirkungen zu vermuten. Kein Thema? Sonst herrscht in deutschen Medien nicht so viel Zurückhaltung beim Aufspüren psychologischen Ursachen. Vergangenes Jahr war Bush-Analyse der Hit. Verfolgt er einen unbewussten väterlichen Auftrag? Was kompensiert er mit seiner Religiosität? Welche Rolle spielt seine frühere Suchtproblematik?
Das wenige, was man über Kindheit und Jungend in rückständigen islamischen Kulturen lesen und hören kann, ergibt ein düsteres Bild: Kleine Jungs lernen Schwache zu verachten und Brutalität zu bewundern. Körperliche Züchtigung ist alltäglich. Später dann ist den Jugendlichen Kontakt zu gleichaltrigen Mädchen streng verwehrt. Ihre sexuelle Frustration sucht sich häufig in homosexuellen Notgemeinschaften ein Ventil (begleitet von quälenden Schuldgefühlen). In solchen Notgemeinschaften werden die Jüngeren und Schwächeren von den Stärkeren benutzt. Alles in allem also eine Drangsal aus Verklemmtheit, falscher Scham und Unterdrückung.
Im eigenen Interesse müssen wir begreifen lernen, wie Männer ticken, die auf solche Weise aufgewachsen sind. Warum sich Männlichkeit für sie nicht in Schaffenskraft und Schöpfergeist ausdrückt, sondern in Waffenkult und Hass. Ihre Wut wird sich nicht mit ein paar verständnisvollen Gesten abkühlen lassen. Wo sind die Wilhelm Reichs, die Mitscherlichs, die Erich Fromms von heute, die sich die diese Sozialisation einmal genauer ansehen? Das Thema ist gefährlich. Denn die Frage nach der familiären und sexuellen Normen stellt die islamische Tradition insgesamt in Frage. Wir brauchen aber dringend mehr Wissen, um besser zu verstehen, mit wem wir es zu tun haben.
Erschienen in Die Welt vom 04.02.2004
Fangt am Besten gleich zu lernen an:
Allah (الله) - Gott
Qur'an (قرآن) "Lesung", Koran
qibla (قبلة) Gebetsrichtung
salam (سلام) Friede, nur unter Muslimen möglich.
salat (صلاة) fünfmal tägliches Gebet, eine der fünf Säulen
schahada (شَهَادَة) das Glaubensbekenntnis: "Ich bekenne, dass es keine Gottheit gibt außer dem einen Gott und Mohammed ist sein Prophet"
umma (أُمَّة) die alle Muslime umfassende muslimische Gemeinde
Das muslimische Glaubensbekenntnis "La Ilah illa Allah, Muhammad rasul' Allah" (لا اله الا اله محمد رسول اله) bedeutet also "Es gibt keine Gottheit außer Allah, Muhammad ist der Gesandte Allahs".