Spannender Artikel über "Weltmarktführer"
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Eröffnet am: | 15.08.00 18:44 | von: McBoe | Anzahl Beiträge: | 1 |
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Unter den Börsen-Newcomern wimmelt es von
selbsternannten Weltmarktführern. Doch viele dominieren
nur eine Marktnische. Anleger sollten zweimal hinsehen.
Daimler-Chrysler ist einer, AOL auch - aber was hat das Aachener
Softwarehaus Parsytec in der Liga der Weltmarktführer verloren?
"Wir sind Weltmarktführer für Oberflächenqualitätskontroll-Software
für Bahnwaren wie Stahl, Aluminium und Papier", verkündet das
seit einem Jahr am Neuen Markt gelistete Unternehmen.
Geschäftsführer Falk Kübler meldet vollmundig einen Marktanteil
von "deutlich über 60 Prozent".
Nicht falsch, aber leider nur die halbe Wahrheit: Im Geschäftsjahr
1998/99 lag der Umsatz unter 20 Millionen Mark - ein Weltmeister
bestenfalls auf Kreisklassen-Niveau. Parsytec ist nicht der einzige
Weltmeister am Neuen Markt. "Es ist bemerkenswert, wie viele
Weltmarktführer es dort geben soll", wundert sich Markus
Krämling, Neuer Markt-Analyst der Deutschen Bank.
Götz Albert, Leiter Neuer-Markt-Analyse bei Independent
Research, warnt sogar: "Weltmarktführer ist neben B2B der am
meisten mißbrauchte Begriff am Neuen Markt." Die Liste der
Unternehmen, die sich mit diesem Attribut schmücken, reicht von
den Anlagenbauern Aixtron, Singulus und STEAG HamaTech über
die Biotech-Unternehmen CyBio, Qiagen und Plasmaselect bis zur
Software-Schmiede Update.com. Andere Unternehmen wie der
Online-Kunsthändler Artnet.com und der Co-Shopping-Pionier
LetsBuyIt.com bezeichnen sich als "weltweit führend" mit ihrem
Angebot. Die "Technologieführerschaft" beansprucht ebenfalls eine
Reihe Neuer-Markt-Titeln. Doch Vorsicht: "Dieser Begriff ist noch
diffuser als Weltmarktführer", so Ulrich Pelzer, Analyst der
BHF-Bank. "Anleger sollten auch hier genauer hinschauen."
Vor allem bei Börsengängen wird die Weltmarktführerschaft
beschworen - und sei es als langfristiges Unternehmensziel.
"Investor-Relations-Agenturen sind darauf getrimmt, dieses
Schlagwort zu verwenden", sagt Markus Krämling. Meist haben sie
Erfolg: Anleger zeichnen oder kaufen, weil sie
Weltmarktführerschaft mit kräftigen Gewinnen und steigenden
Aktienkursen gleichsetzen. Getreu der alten Managementregel:
Die ersten Drei am Markt machen Gewinne, fette Profite kann aber
nur der Allererste erwarten.
Die beste Marktstellung nützt aber nichts, wenn der entsprechende
Markt stagniert. Beispiel: Artnet.com. Das Unternehmen bietet
zwar die "weltweit führende Internetseite für Informationen und
e-Commerce im Bereich Kunst". Doch die beim Börsengang vor
einem Jahr angekündigte "Revolution" des Kunstmarkts blieb aus:
Wer kauft schon teure Kunst im Internet? Artnet.com macht nur
geringe Umsätze, dafür um so mehr Verluste. Die Einnahmen
decken nicht einmal die Personalkosten. Analysten und Anleger
haben reagiert: Der Aktienkurs rauschte von seinem Hoch bei 66
Euro in den Keller und notierte Ende Mai bei 10 Euro.
Weltmarktführer in einem breiten Markt mit enormem
Wachstumspotential sind dagegen die Nemax- 50-Werte Qiagen
und Aixtron. Beide gehören zu den Blue Chips des Neuen
Marktes. Qiagen - Erstnotiz im September 1997 - gilt als
Weltmarktführer für Produkte zur Trennung der Erbgutmoleküle
DNS und RNS, die die Biotech-Industrie für ihre Forschungen am
menschlichen Erbgut künftig in immer größeren Mengen benötigt.
Qiagen-Chef Metin Colpan: "Wir sind Werkzeughersteller und
beliefern die Goldsucher mit Schaufeln, Jeans und Hacken."
Aixtron stellt Produktionsanlagen für Verbindungshalbleiter her.
Vorstand Kim Schindelhauer beziffert den Marktanteil auf rund 50
Prozent. "Der nächste Anbieter hat weniger als die Hälfte." Das
seit November 1997 am Neuen Markt notierte Unternehmen gilt als
Liebling der Analysten. "Aixtron stößt beim Umsatzwachstum in
neue Dimensionen vor", schwärmt denn auch BHF-Analyst Ulrich
Pelzer. Er hat die Aktie auf "Kauf" gestellt.
Im Falle von Aixtron können Analysten den Marktanteil relativ leicht
überprüfen: Die US-Firma VLSI Research gibt regelmäßige Studien
für den Halbleitermarkt heraus. In anderen Fällen helfen nur eigene
Markt- beobachtungen: "Eine Heidenarbeit", sagt Karl Fickel,
Manager des Invesco-Fonds Neue Märkte. "Privatanleger können
das gar nicht leisten." Geht es um die Marktposition eines
Unternehmens, stellt der erfolgreiche Fondsmanager immer wieder
die gleichen Fragen: Wie groß ist der Markt? Wie viele Aufträge
gehen an das Unternehmen? Wer sind seine Konkurrenten?
Fickel: "Wahre Weltmarktführer arbeiten nicht nur in einem großen
Markt und haben dort das beste Produkt, sondern holen auch die
meisten Aufträge und machen den größten Umsatz."
Diesem Anspruch genügen am Neuen Markt nur wenige
Unternehmen. Um trotzdem entsprechend auftreten zu können,
verwenden viele einen Trick: "Sie grenzen die Marktführerschaft
einfach auf ein winziges Marktsegment ein", sagt Ulrich Pelzer.
Selbst bei nur kleinen Abweichungen von anderen Produkten
werden die Unternehmen dann zu Marktführern. So ist selbst in
einer Branche Platz für mehrere Spitzenreiter.
Beispiel Parsytec: Der "Weltmarktführer" konzentriert sich mit
seinen Programmen zur Oberflächeninspektion auf die
Stahlindustrie. Natürlich sind auch andere Unternehmen im
Geschäftsfeld Oberflächeninspektion tätig, doch eben in anderen
Industriezweigen. Advanced Vision Technology (AVT) zum Beispiel
beliefert die Druckindustrie und bezeichnet sich - logisch - dort
auch als "unbestrittener Marktführer".
Zwei Weltmeister in einer Liga - das gilt auch für STEAG
HamaTech und Singulus. Beide bauen Maschinen für die
CD-Produktion. Dennoch brüstet sich jeder, Weltmarktführer zu
sein: STEAG HamaTech bei Anlagen für beschreibbare CDs -
Singulus "für alle Maschinen, die vorbespieltes Material herstellen".
Die Beispiele machen deutlich: Anleger sollten sich nicht
vom Führer-Prinzip blenden lassen und blind kaufen.
Entscheidend sind - darin stimmen alle Analysten überein - die
Wachstumsperspektiven des jeweiligen Unternehmens.
Entscheidend sind - darin stimmen alle Analysten überein -
die Wachstumsperspektiven des jeweiligen Unternehmens.
Die sind zwar auch für viele der selbsternannten
Nischen-Weltmeister positiv. Doch Anleger, die nur nach der
Nummer eins schielen, verlieren leicht die ebenfalls
attraktiven Verfolger aus dem Auge.
Markus Krämling: "Gerade in großen Märkten sind auch Werte aus
der zweiten Reihe interessante Investments." Der Grund: "Sie sind
vielfach unterbewertet." Das gilt auch für die freenet.de, nach
T-Online und AOL drittgrößter Internet-Service-Provider in
Deutschland. Das Unternehmen, seit Dezember 1999 an der
Börse, bereitet den Einstieg in den französischen Markt vor und
sorgt dadurch für Kursfantasie.
Ebenfalls interessant: Telekom-Zulieferer Balda, weltweit die
Nummer fünf am Markt. Das Unternehmen produziert
Handygehäuse und ist Partner aller großen Hersteller. Neue
Großaufträge treiben die Umsätze nach oben.
Kein Weltmarktführer, aber dennoch attraktiv ist IT-Dienstleister
Heyde, seit November 1998 am Neuen Markt. Der Nemax-50-Wert
profitiert extrem von der Ausrichtung der Banken auf das Internet
und gilt als europaweiter Marktführer bei Systemen für
Online-Brokerage. Wachstum ist oberstes Unternehmensziel.
Vorstandsvorsitzender Dieter Heyde: "Wir treiben die Expansion in
Deutschland, Lateinamerika und in die USA weiter voran." Für
Götz Albert von Independent Research ist die
Weltmarktführerschaft daher "kein Kriterium" für seine
Anlageempfehlungen.
Daß sich trotzdem immer mehr Unternehmen dieses Schlagworts
bedienen, gilt selbst bei Idealisten als sicher: "Bescheidenheit",
sagt Markus Krämling, "ist eine schöne Sache, wird an der Börse
aber leider nur selten honoriert."
Weltmeister Auf breiter Basis
Aixtron:
Halbleiter überall: Ohne die elektronischen Bauteile, aus denen
Leuchtdioden und Hochleistungschips gefertigt werden,
funktionieren weder Ampelanlagen noch Handys. Aixtron stellt
Maschinen für die Halbleiterproduktion her und geht goldenen
Zeiten entgegen: Der Markt für Halbleiter wächst in den nächsten
Jahren im Schnitt um 30 bis 40 Prozent. Aixtron produziert ein
Drittel günstiger als die Konkurrenz und dominiert den Markt.
Qiagen:
Das deutsch-holländische Unternehmen hat sich auf Produkte zur
Trennung und Reinigung von Nukleinsäuren spezialisiert. Diese
Träger der menschlichen Erbinformation spielen in der
Biotech-Forschung eine immer größere Rolle. Das von Qiagen
angewandte Verfahren ist zwar teurer als herkömmliche, erzielt
aber deutlich schnellere Ergebnisse. Strategische Allianzen und
Firmenzukäufe sichern die starke Marktposition.
Quelle: http://www.dm-online.de/