Schröder nach New York
Berlin (dpa) - Kanzler Gerhard Schröder will zu einer Abstimmung des UN-Sicherheitsrats über eine neue Irak-Resolution nach New York reisen. Das sagte Regierungssprecher Bela Anda in Berlin. Allerdings sei noch nicht sicher, ob es überhaupt eine Abstimmung über den Antrag der USA, Großbritanniens und Spaniens geben werde. Die USA wollen schon morgen abstimmen lassen, mit einem anschließenden Ultimatum an den Irak bis zum 17. März. Deutschland und Frankreich wollen die Abstimmung zur Chefsache machen, die USA nicht.
Kurz vor der Abstimmung über die neue UN-Resolution wird der Ton zwischen Kriegsbefürwortern und Kriegsgegnern schärfer. Im US-Fernsehsender Fox betonte US-Außenminister Colin Powell, die USA seien einer Mehrheit von neun oder zehn Stimmen im Weltsicherheitsrat für eine neue Irak-Resolution sehr nahe. "Wir stehen kurz vor dem Erfolg." US-Präsident George W. Bush glaubt nach einen Telefongespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, dass Russland kein Veto gegen die neue Irak-Resolution einlegen, sondern sich enthalten wird.
Dagegen berichtet die "New York Times" in ihrer Internetausgabe unter Berufung auf Regierungsbeamte, dass es den USA trotz aller diplomatischer Bemühungen am Wochenende nicht gelungen sei, die nötigen neun Stimmen im Sicherheitsrat zusammenzubekommen.
Bilaterale Beziehungen in Gefahr
Gleichzeitig warnte Powell die französische Regierung vor den Konsequenzen eines Vetos. Ein Veto könnte "zumindest kurzfristig ernste Auswirkungen auf die bilateralen Beziehungen" haben, sagte Powell. Er und Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice gaben zu verstehen, dass Bush im Fall eines Scheiterns der ultimativen Resolution eine "Koalition der Willigen" in einen Krieg gegen den Irak führen würde.
Rice lehnte auch entschieden den Vorschlag des französischen Präsidenten Jacques Chirac ab, dass die Staats- und Regierungschefs zu der Abstimmung nach New York kommen. "Es ist nicht nötig, dass die Staatschefs kommen und ihre Hand heben, ja oder nein", sagte sie im Fernsehsender ABC. Bundeskanzler Gerhard Schröder habe Chirac in einem Telefongespräch seine Unterstützung für den Vorschlag eines Krisengipfels zugesagt, erklärte unterdessen Regierungssprecher Bela Anda.
Störende Unentschlossene
Die britische Sonntagszeitung "Observer" berichtete ferner, die USA und Großbritannien wollten dem Irak eine "endgültige und nicht verhandelbare Liste" zur Abrüstung vorlegen. Für die Annahme ihres Resolutionsentwurfs sind 9 der 15 Stimmen im Sicherheitsrat nötig. Zudem darf kein Veto eingelegt werden.
Chile, ebenfalls mit Sitz im höchsten UN-Gremium, bezeichnete die gesetzte Frist als zu kurz. Präsident Ricardo Lagos sagte, er habe Bush mitgeteilt, die Frist "sei zu knapp bemessen". Die Zerstörung der Massenvernichtungswaffen des Irak könne "drei oder vier Monate" in Anspruch nehmen.
Die noch unentschlossenen Mitglieder des Weltsicherheitsrats werden vor der möglicherweise entscheidenden Irak-Abstimmung intensiv von Kriegsbefürwortern und -gegnern umworben. Der französische Außenminister Dominique de Villepin flog nach Afrika, um Angola, Kamerun und Guinea für das Friedenslager zu gewinnen.
Blair verliert an Rückhalt
Der britische Premierminister Tony Blair versuchte am Sonntag vergeblich, den chinesischen Präsidenten Jiang Zemin in einem Telefonat für seine Position zu gewinnen. Jiang erklärte ihm: "Krieg bringt für niemanden einen Vorteil." Vor allem aber in der eigenen Partei bekommt Blair zunehmend Schwierigkeiten mit seinem Kriegskurs. Die britische Entwicklungshilfeministerin Clare Short kündigte am Sonntagabend ihren Rücktritt für den Fall an, dass Blair ohne Zustimmung der UN an einem Irak-Krieg teilnimmt. Sie ist das erste Kabinettsmitglied, das wegen der Irak-Politik Blairs mit Rücktritt droht.
Der Labourabgeordnete Andrew Reed trat dagegen bereits von seinem Posten als parlamentarischer Privatsekretär von Umweltministerin Margaret Beckett zurück. Reed gehört zu den 121 Labour-Abgeordneten, die bei einer Abstimmung vor zehn Tagen gegen den Kriegskurs von Blair gestimmt hatten. Die Zahl der "Rebellen" könnte nach Einschätzung der BBC bei einer weiteren Abstimmung auf "mehr als 200" steigen.
Abstimmung und Ultimatum
Die USA streben eine UN-Abstimmung schon am Dienstag mit einem anschließenden Ultimatum an den Irak bis zum 17. März an. Unterdessen berichtet die in London erscheinende Zeitung "Times", UN-Chefwaffeninspekteur Hans Blix habe am Freitag einen "schlagenden Beweis" gegen den Irak verschwiegen. Die Existenz der Drohne mit einer Spannweite von 7,45 Metern sei erst nach dem Vortrag von Blix in dem schriftlichen Bericht der Waffeninspekteure bekannt geworden.