Noch mehr Steuern!
Man braucht allerdings nur wenig Mathematikkenntnisse, um zu erkennen, daß das aktuelle Steuer- und Abgabensystem nicht mehr lange funktionieren kann. Die Arbeitslosigkeit ist seit den frühen 70er Jahren nahezu kontinuierlich gestiegen und wird das weiter tun. Gleichzeitig steigt die Zahl der Rentner ständig weiter im Verhältnis zur Zahl der Arbeitenden. Die Staatsverschuldung wird nicht abgebaut. Und die Einwanderung nach Deutschland wird nicht von Leistungsträgern dominiert. Die Einführung des Dosenpfands wird auf Dauer diese Probleme nicht lösen können. Es wird noch alles andere als lustig werden.
R.
Also Bund, Länder, Gemeinden zusammen. Denn das ist doch eigentlich von Interesse. Was hilft es mir, wenn der EIchelspart, aber meine Stadt Pleite geht?
Gibt's da irgendwo eine Übersicht? Beim Steuerzahlerbund habe ich nichts gefunden.
Grüße
Apfelbaumpflanzer
http://home.t-online.de/home/dieter.meyer/...tlicher%20Gesamthaushalt
Dieser von Rot-Grün bis zum Erbrechen benutzte Begriff erweist sich gerade für die Armen im Lande als Volksverarschung. Wer kann einer Steuererhöhung auf Leitungswasser am wenigsten entgehen? Natürlich Familien mit Kindern, bei denen zwangsläufig ständig die Waschmaschine läuft und natürlich all jene, deren Einkommen nur zur Abdeckung der Grundbedürfnisse reicht. Eine umweltpolitische Steuerung ist bei dieser Diskussion nicht mal angesprochen worden.
Das gleiche gilt für Gas. Warum wurde Gas bisher nur mit dem ermäßigtem Steuersatz berechnet? Die Argumentation war, dass Gas sauberer ist als andere primäre Energieträger. Wo ist die umweltpolitische Kompetenz von Rot-Grün, wenn es sie je gab, geblieben. Wo soll ich eine umweltpolitische Steuerungswirkung erkennen? Auch hier gilt, dass Volk wird verarscht und merkt zum großen Teil nicht, dass es seinen eigenen Schlächter gewählt hat.
Die unsägliche Diskussion um die Besteuerung von Aktiengeschäften will ich gar nicht erst diskutieren, weil ich sonst kotzen könnte. Erst sorgt die Politik mit Ihrem Geschwafel von Aktienkultur dafür das sich ahnungslose Anleger die DT für 62,5 € ins Depot legen und nachdem der Staat mal wieder klamm ist, dürften die armen Schweine auch noch für den Verkauf ihrer zerpflückten Positionen bezahlen. Schröder & Co. sind da nicht besser als ein übler Dealer. Erst die Bevölkerung anfixen und dann auspressen.
Gratulation!
Quelle: http://www.oeko-net.de/kommune/kommune9-98/tmueller.htm
Kassen schätzen Wirkung des Arznei-Sparpakets geringer ein
Von Karl Doemens
Die rot-grüne Notoperation zur Stabilisierung der Gesundheitskosten wird nach Einschätzung der Krankenkassen Beitragserhöhungen nicht verhindern können. Apotheker, Pharmaindustrie und private Versicherer melden massive Proteste an.
BERLIN, 14. Oktober. "Das Arznei-Sparpaket hat eine wichtige Wirkung in der Zukunft", sagte Hans-Jürgen Ahrens, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbands. Doch werde der in den rot-grünen Koalitionsverhandlungen gebilligte Katalog "die Defizite der Vergangenheit nicht auffangen". Die erwarteten Beitragserhöhungen seien daher keineswegs vom Tisch, sagte Ahrens am Montag. Herbert Rebscher, der Vorstandschef des Ersatzkassenverbandes VdAK, betonte, die Anhebungen seien "nicht mehr zu verhindern".
Nach Schätzungen in Regierungskreisen dürfte die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) im Gesamtjahr ein Defizit von 1,5 Milliarden Euro einfahren. Dies würde zum Jahreswechsel eine Erhöhung des durchschnittlichen Beitragssatzes von 13,99 auf etwa 14,4 Prozent bedingen. SPD und Grüne einigten sich deshalb auf die Umrisse eines Eilgesetzes zur Kostendämpfung. Geplant sind ein Zwangsrabatt der Pharmahersteller, eine Reduzierung der Großhandelsspanne und geringere Apothekenzuschläge. Zudem sollen die Verwaltungskosten der Kassen begrenzt werden. Diese Vorhaben sollen 1,4 Milliarden Euro einsparen. Außerdem soll für Berufsanfänger der Wechsel zur privaten Krankenversicherung erschwert werden. Der Vorsitzende des Bundestags-Gesundheitsausschusses, Klaus Kirschner (SPD), schloss am Montag weitere Einschnitte nicht aus: "Wir stehen erst am Anfang."
Der Verband Forschender Arzneihersteller nannte es "sehr bedauerlich", dass die neue Regierung vorerst keine tiefgreifenden Strukturreformen angehen wolle. "Was wir an Vorschlägen kennen, ist reines Flickwerk", monierte ein Sprecher. Der Verband der Privaten Krankenversicherungen (PKV) sprach von einem "Affront" gegen die Branche. Die neue Regelung stehe zudem "verfassungsrechtlich auf mehr als wackeligen Füßen".
Schon früher hatte der Verband mit dem Gang vor das oberste Gericht in Karlsruhe gedroht. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände warnte, der geplante "pharmapolitische Kahlschlag" bedrohe die Hälfte der mehr als 140 000 Arbeitsplätzen in den Apotheken.
Weiterer Bericht: Beitragsgrenze steigt automatisch
[ document info ]
Copyright © Frankfurter Rundschau 2002
Dokument erstellt am 14.10.2002 um 21:04:47 Uhr
Erscheinungsdatum 15.10.2002
einfach an Fachkompetenz.
Mich wundert das alles nicht.
Durch Ökosteuer usw. werden vor allem die
wirtschaftlich Schwachen getroffen.
Wissenschaftliches Stichwort dazu ist seit
vielen Jahren:
"Die regressive Wirkung der indirekten Steuern".
Alle wissen das, nur nicht die jetzigen
politischen Entscheidungsträger.
Viele Grüsse
m.
Das mit dem Dosenpfand war gut. :-)
Ansonsten absolut meine Meinung, die steigende Arbeitslosenzahl in Verbindung mit der konsumerstickenden Belastung von Otto Normalversager wird das System irgendwann zum Umkippen bringen. Da gibts übrigens noch so eine kleine Zeitbombe: Ich meine die EU-Ost-Erweiterung.
Was heutzutage schon jenseits der Legalität, gleichwohl großflächig und mit Erfolg im Handwerk betrieben wird, nämlich die Beschäftigung von Billigtagelöhnern aus Polen oder Tschechien, wird dann völlig LEGAL!
Da werden sich deutsche Bauarbeiter warm anziehen müssen, wenn dann richtig scharenweise Arbeitskräfte aus den neuen Beitrittsländern völlig legal den Arbeitsmarkt überschwemmen.
Da wird man sich dann ein bisschen mehr einfallen lassen müssen, als das Dosenpfand oder die siebzehnte Stufe der 'Ökosteuer'
MadChart
R.
"Alle sollen bluten"
Der rot-grüne Koalitionsvertrag ist in der Presse vom Dienstag mehrheitlich auf Kritik gestoßen. SPIEGEL ONLINE dokumentiert Auszüge.
DPA
Deutsche Presse: Der neue Koalitionsvertrag stößt weitestgehend auf Kritik
Berlin - Der Münchner Merkur schreibt: "Zufrieden können damit eigentlich nur die notorischen Umverteiler von der SPD-Linken sein. Finanzminister Eichel, der ständig vom Sparen spricht und darunter immer nur das Anziehen neuer Steuerschrauben meint (wo bleiben eigentlich die Sparanstrengungen im öffentlichen Dienst, bei den Steinkohlesubventionen oder im Gesundheitswesen?), müsste eigentlich seinen Rücktritt einreichen. Doch der einstige Sparkommissar wird noch gebraucht - zur Verschleierung eines Kurswechsels, der Berlin nun auch in der Steuer- und Finanzpolitik auf gefährliche Abwege führt."
Ähnlich kommentiert die Nordwest-Zeitung aus Oldenburg: "Das Sparpaket ist eine Mogelpackung. Natürlich müssen Ausgaben und Einnahmen des Staates ins Lot gebracht werden. Dafür stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Die Koalition hat sich allein darauf verständigt, die Abgabenschraube um einige Drehungen weiter anzuziehen. Die seit Jahrzehnten überfälligen Reformen der Sozialsysteme und des Arbeitsmarktes bleiben dagegen auf der Strecke."
Im Kleingedruckten gute Arbeit
Zurückhaltender bewertet die Abendzeitung die Ergebnisse der Verhandlungen: "Mit Hartz und leichter Anhebung der Investitionen allein werden neue Arbeitsplätze kaum zu schaffen sein. Zumal der Preis mit dem Griff in die Schuldenkasse hoch ist. Im Kleingedruckten dagegen hat die Koalition gute Arbeit geleistet: Die Grausamkeiten sind halbwegs gerecht verteilt. Aber: Ein ausgeglichener Haushalt ist noch kein Zukunfts-Programm, höchstens die Voraussetzung dazu."
Milde urteilt hingegen die Süddeutsche Zeitung: Alle berechtigte Kritik darf eines nicht übertünchen. Die Koalition hält ihre zentralen Wahlversprechen. SPD und Grüne machen erstens keine Kompromisse beim Hartz-Konzept. Und zweitens fördern sie vor allem berufstätige Eltern. Der Aufbruch in eine kinderfreundlichere Republik steht bevor - vor allem dank der Grünen, die viele Kompromisse machen mussten."
Innenpolitisch bescheiden
Konfliktfreudig sind die Koalitionspartner nach Ansicht der Frankfurter Rundschau nicht gerade: "Herausragend viel Mut zum Konflikt mit all den Lobbygruppen kann man ihnen nicht gerade bescheinigen. (...) Die groß angekündigten Subventionskürzungen fallen nun moderat und einigermaßen publikumsverträglich aus, selbst wenn es politischen Ärger sicher geben wird.(...) Die Rot-Grünen sind innenpolitisch bescheiden geworden, Relisssimos eben. Erst recht, wenn es ums Geld geht, aber nicht nur da."
Zumindestens um Gerechtigkeit bemüht zu sein, attestiert die tageszeitung Rot-Grün: Es hätte der Glaubwürdigkeit gut getan, wären einige der jetzt angekündigten Maßnahmen auch im Wahlkampf nicht ausgeschlossen worden. (...) Es mag der Regierung helfen, dass nun sehr viele unterschiedliche Gruppenzahlen sollen: die Kapitalgesellschaften, die Häuslebauer, die Arbeitnehmer, die Arbeitgeber, die Autofahrer, die Bahnfahrer, die Nutzer von Gasheizungen."
Das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen ist für Die Welt ein Nullsummenspiel: "Unter dem Strich bestätigt sich der Eindruck, dass dem Bürger unsystematisch die Steuer-Daumenschrauben weiter angezogen werden, um das - urplötzlich nach der Wahl aufgetauchte - Haushaltsloch zu stopfen. Das Nullsummenspiel der Umverteilung aus der rechten Tasche in die linke setzt sich fort. Von grundlegenden Strukturreformen ist keine Rede: Wie das Sparziel erreicht werden soll, bleibt im Dunkeln."
Elefant im Porzellanladen
Ein hartes Urteil fällt hingegen die Rheinische Post aus Düsseldorf: "Gestern war die Zeit des Nachdenkens abgelaufen, und siehe da: SPD und Grüne mussten erkennen, dass sie selbst das nicht mehr können, was sie stets am besten konnten. (...) Was die Koalitionäre stattdessen beschlossen, gereicht dem Elefanten im Porzellanladen zur Ehre. Sie haben ihre eigene Einkommen- und Unternehmensteuer-Reform de facto zerschlagen. Die Entlastung für den Steuerbürger ist verschoben. Man glaubt nicht mehr daran, dass sie noch kommt."
Der Tagesspiegel wirft Rot-Grün vor, den richtigen Zeitpunkt für Reformen verpasst zu haben: "Jetzt, wo wir die Ergebnisse kennen, drängt sich der Eindruck auf: Es ging nicht um die Reformen der Bundesrepublik. Es ging um das Füllen des Staatssäckels. Dies waren nicht Koalitionsverhandlungen. Dies war eine Haushaltsrettungsaktion."
Höhere Steuern, mehr Schulden
Scheinheiligkeit wirft die Frankfurter Allgemeine Zeitung den rot-grünen Verhandlungspartnern vor: "Festzuhalten ist vor allem die neue Bedeutung, die diese Regierung dem Begriff "Sparen" gibt. Unter Sparen verstehen Sozialdemokraten und Grüne nichts anderes mehr als Steuer- und Beitragserhöhungen auf breitester Front. Nur merken soll es möglichst niemand."
Noch härter geht die Bild-Zeitung mit den Koaltionären ins Gericht: "Höhere Steuern, mehr Schulden, steigende Rentenbeiträge - so starten SPD und Grüne in ihre zweite Regierungs-Periode. Keine Rede mehr von den treuherzigen Versprechen vor der Wahl, nicht an den Steuer- und Abgabeschrauben zu drehen. (...) Unternehmen, Sparer, Häuslebauer, Rentenbeitragszahler - alle sollen nun bluten. Wieso sind unsere Politiker eigentlich immer so erfindungsreich, wenn es um Steuern und Abgaben geht?..."
Fr, 26.07.2002
In einem Interview mit dem Sender n-tv sagte der Kanzler am 26. Juli, Steuerhöhungen seien "in der jetzigen konjunkturellen Situation ökonomisch unsinnig" und würden deshalb von der Bundesregierung nicht in Betracht gezogen.
Frage: Und nun kommt auch noch Heide Simonis, (die) sagt: Steuererhöhung, das ist es wahrscheinlich, was wir brauchen, wenn es so weitergeht mit den fehlenden Einnahmen in den Ländern und Kommunen... Sie hält es nicht für ausgeschlossen, das Steuererhöhungen kommen.
Antwort: Ich habe sie anders verstanden. Sie hat eine allgemeine Bemerkung dazu gemacht, dass sie weniger Einnahmen als Ausgaben hätte. Da gibt es ja immer zwei Wege.
Frage: Wer hat das nicht?
Antwort: Eben. Da gibt es immer zwei Wege. Steuererhöhungen sind in der jetzigen konjunkturellen Situation ökonomisch unsinnig und deswegen ziehen wir sie auch nicht in Betracht. Im Gegenteil. Wir sind es ja, die eine Steuerreform gemacht haben, die bis zum Jahre 2005 im Gesetzblatt steht und für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf der einen Seite und für die Unternehmen (auf der anderen Seite) reduziert, was bezahlt werden muss an Steuern und zwar am meisten für den Mittelstand. Das ist auch so eine Legende, dass das nur für die Großen gelte. Die werden nämlich unter dem Strich belastet, deswegen schreien sie auch gelegentlich. Also, wir haben das schon gemacht, um das runterzubringen, damit wirtschaftliche Aktivitäten besser entstehen können. Wir haben keine Absicht, Steuern zu erhöhen, unabhängig von dem, was einer lieber hätte oder nicht lieber hätte.
Frage: Frau Simonis hat da ihre private Meinung geäußert oder wie?
Antwort: Ja gut, Frau Simonis ist eine geachtete Ministerpräsidentin in ihrem Land, die kann ja von ihrer Meinungsfreiheit Gebrauch machen. Ich stehe für das, was die Bundesregierung macht und was die SPD insgesamt für richtig hält. Das findet gelegentlich mal statt, dass auch jemand, der so tüchtig ist und eine so gute Arbeit in ihrem Land macht, zu einer Detailfrage andere Auffassungen hat. Das soll man in einer Demokratie als eine Selbstverständlichkeit nehmen. Es geschieht, wie ich (es) für die Bundesregierung sage und für die SPD - und wir sind uns in dieser Frage einig.
http://www.bundesregierung.de/Nachrichten/...ler-Schroeder-schlie.htm
Leitartikel
Von Carl Graf Hohenthal
Sehr klug und sehr mutig" hat der neue SPD-Generalsekretär Olaf Scholz die Vereinbarungen der Koalition zur Gestaltung dieser Legislaturperiode genannt. Doch es bleibt sein Geheimnis, was an den Beschlüssen klug und mutig ist. Im Kern hat sich die Koalition darauf verständigt, in einer konjunkturell sehr schwierigen Phase Steuern und Abgaben sowie die Verschuldung zu erhöhen. Das ist weder klug noch mutig. Von Mut hätte gezeugt, wenn die Koalition beschlossen hätte, einen ordentlichen Prozentsatz bei den Staatsausgaben einzusparen, und klug wäre es gewesen, diese Einsparungen an der richtigen Stelle vorzunehmen. Der Beschluss eines umfassenden Abbaus von Bürokratie und Abstriche an den gigantischen Sozialetats wären klug gewesen.
Doch zu all dem wird es nicht kommen. Wieder einmal drückt sich eine Bundesregierung davor, die dringend notwendigen "Grausamkeiten", die an den Anfang einer Legislaturperiode gehören, zu begehen. Stattdessen werden SPD und Grüne in den kommenden Jahren lustlos und unsystematisch weiterwursteln, hier ein bisschen streichen, dort ein wenig den Bürger belasten, und sie werden keinerlei Anreize zur Stärkung des Gemeinwesens setzen. Das zeichnet sich nunmehr deutlich ab.
Wie sieht eine an den Kriterien der sozialen Marktwirtschaft ausgerichtete Ordnungspolitik aus? Ihr muss es darum gehen, den Staat so klein wie möglich zu halten und dem Bürger die kraftvolle Entfaltung der größtmöglichen individuellen Freiheit zu ermöglichen. Dazu benötigt er Handlungsräume und Kapital, das er für den Konsum oder für Investitionen nutzen kann. Aufgabe des Staates ist es, ein rechtliches Gerüst zu schaffen, das die Entfaltung der individuellen Kräfte begünstigt. Außerdem muss er die Aufgaben übernehmen, die der Markt nicht leisten kann: etwa für Wertbeständigkeit des Geldes sorgen.
In der politischen Wirklichkeit hat der Staat in den vergangenen Jahrzehnten seinen Wirkungskreis beständig erweitert. Dadurch hat er seinen Einfluss verstärkt und seine Bürger gleichzeitig geschwächt, die sich vieles nicht mehr zutrauen, was ihre Eltern noch selbstverständlich fanden. Schnell ertönt heute der Ruf nach Hilfen und Unterstützung des Staates, wenn Bürger nur in geringfügigen Problemen stecken. Der Staat soll für eine kostenlose Ausbildung sorgen, er soll Kindergartenplätze bereitstellen, Häuslebauern bei der Finanzierung helfen und vieles mehr. All das wäre nicht nötig. Die Bürger könnten sich sehr gut selbst um diese Dinge kümmern. Sie könnten sie auch selbst finanzieren, wenn der Staat ihnen nur die Möglichkeit dazu ließe und die Bürger nicht so belasten würde, dass viele Menschen mehr als die Hälfte ihres Einkommens in Form von Steuern und Abgaben wieder abführen müssten.
Der Staat ist in seiner politischen und bürokratischen Allmacht zu einer Gefahr für das Gemeinwesen geworden, weil er die Entfaltung der Kräfte behindert. Die Tatsache, dass staatliche Einsparungen inzwischen von vielen als schädlich für das konjunkturelle Wachstum empfunden werden, zeigt, wie weit sich große Teile der Gesellschaft vom marktwirtschaftlichen Leitbild entfernt haben. Dabei zeigt die Geschichte, dass das marktwirtschaftliche System das leistungsfähigste ist.
Nein, umgekehrt würde ein Schuh daraus: Wenn der Staat sparen und Schulden abbauen würde, müssten die Bürger weniger Steuern zahlen. Sie hätten mehr Mittel zur Verfügung, um zu investieren und zu konsumieren. Im Staat geht es vor allem um eine gerechte, effiziente Verteilung der Mittel. In Deutschland werden inzwischen auch die unteren Mittelschichten weit über Gebühr belastet, ohne dass die Bürokratie effizient mit den eingenommenen Geldern umginge. Vielmehr werden Milliardenbeträge sinnlos in öffentlichen Projekten verschleudert, wie der Bund der Steuerzahler jedes Jahr nachweist.
Die jüngsten Beschlüsse werden über die geplanten Erhöhungen bei der Mehrwertsteuer und bei der Ökosteuer dem Konsum weiter schaden. Die Einführung einer Mindeststeuer wird sich schädlich auf die Investitionen auswirken. Und die Aufschläge bei den Rentenbeiträgen bringen zwar nichts für die Rentenversicherungsträger, werden aber zur Vernichtung weiterer Arbeitsplätze beitragen. Nur die politischen und bürokratischen Apparate selbst werden nicht angetastet. Mit Deutschland ist wahrlich kein Staat mehr zu machen.
Den Autor erreichen Sie unter: hohenthal@welt.de
Von Thomas Knipp, Handelsblatt
Herzlichen Glückwunsch zur kollektiven Entmündigung! Seit Montagabend wissen wir: Die Regierung hat sich gegen Reformen und für ein munter wurschtelndes „Weiter so“ entschieden. Mehr Obrigkeit, weniger Raum für individuelle Entscheidungen – der Nanny-Staat nivelliert die Untiefen des Lebens. Der Bürger am Gängelband des Staates. Das ist das Credo dieser Regierung. Höhere Staatsschulden, weniger Verlässlichkeit in der Steuerpolitik, höhere Abgaben für das Individuum und die Wirtschaft: Das ist der Politik-Mix, mit dem Rot-Grün in die nächsten vier Jahre steuert. Der katastrophale Ausgang dieser Politik steht schon heute fest.
Zuletzt stirbt die Hoffnung: Die Ernennung von Wolfgang Clement zum Minister für Arbeit und Wirtschaft hatte zunächst Erwartungen geweckt, die Regierung werde doch zumindest einige der größten Brocken aus dem Weg zu höherem Wachstum räumen. Jetzt aber wissen wir: Clement wird ein Superminister mit Einfluss, aber letztlich ohne Möglichkeiten sein. Die selbst gesteckten Rahmenbedingungen, innerhalb deren er und der Rest der Regierung Politik machen können, lassen große Würfe nicht zu. In Berlin versammelt sich das Kabinett der politischen und ökonomischen Dünnbrettbohrer.
Noch vor der Wahl hatten Schröder und seine Mannen treuherzig versprochen, die Steuern würden nicht steigen. Nun, nur drei Wochen nach der Wahl, outet sich der Kanzler wieder einmal als einer, der es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt. Er opfert das Versprechen auf dem Altar der politischen Bequemlichkeit. Das nun vorgelegte Programm für die nächsten vier Jahre belegt auch, wie kraftlos und handlungsunwillig diese Regierung in puncto Reformen ist. Schröder selber hatte jüngst eingeräumt, dass die Wähler mit der ersten Amtszeit nicht zufrieden waren und ihm lediglich eine zweite Chance geben wollten. „Wir haben verstanden“, fabulierte der Kanzler noch in der Wahlnacht. Mit diesem Programm macht sich Schröder zum Stillstandskanzler, der nicht verstanden hat und der den Vertrauensvorschuss der Wähler schon knapp einen Monat nach dem Urnengang verspielt hat.
Für den Wohlstand der Wohlstandsnation Deutschland wird dieser Kurs fatale Folgen haben. Die Regierung erhöht Steuern und Abgaben für Bürger und Unternehmen in einer Zeit größter wirtschaftlicher Turbulenzen. Wie sollen Unternehmen mehr Mitarbeiter einstellen, wenn sie stärker belastet werden? Wie sollen Bürger mehr Waren und Dienstleistungen konsumieren, wenn ihnen weniger Netto vom Brutto bleibt? Wie sollen die Börsenkurse wieder auf die Beine kommen, wenn die ohnehin schmalen Gewinne bei hohem Risiko mit dem Fiskus geteilt werden müssen? Wie soll die private Altersvorsorge gestärkt werden, wenn Gewinne aus Aktien und Immobilien konfiskatorisch hoch versteuert werden? Fragen, Fragen – keine Antworten, keine Auswege, kein Impuls für höheres Wachstum.
Die neue Regierung sollte sich nicht darauf verlassen, dass sich der Sturm der Empörung über diese Politik bis zur nächsten Wahl legt. Die Konsequenzen ihres Handels werden lange zu spüren sein. Den Leistungsträgern dieser Gesellschaft kann man fast nur noch raten: Wer ins Ausland gehen kann, der sollte es tun. Eine bedrückende Perspektive.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 16. Oktober 2002, 06:02 Uhr
Von Manfred Schäfers
Das Finanzpaket der rot-grünen Koalitionäre steht. Auch wenn sich alle Spitzenpolitiker von SPD und Grünen weiter zu dem Ziel bekennen, im Jahr 2006 keine Schulden mehr zu machen, ist der Kurswechsel nicht mehr zu übersehen. Nun lautet die Losung, auf dem Weg zum ausgeglichenen Haushalt sei "größere Flexibilität" notwendig. Im Klartext heißt dies: Zunächst wird wieder stärker auf Pump gelebt, Sparanstrengungen werden vertagt. Mit dieser Methode sind ehrgeizige Budgetziele nicht zu erreichen. Doch der Kanzler selber hat offenbar die Lust am Sparen verloren. Anders ist es nicht zu erklären, daß aus den Koalitionsverhandlungen nach außen drang, Gerhard Schröder habe den wichtigsten Minister seiner ersten Amtszeit, Hans Eichel, zurückgepfiffen. Der Bundesfinanzminister bleibt loyal. Er versucht, die Koalitionsbeschlüsse als Erfolg zu verkaufen. Seine angestrengte Miene aber kündet von einer Niederlage.
Eichel argumentiert mit vielen Zahlen. Glaubt man ihm, werden Ausgabenkürzungen und Abbau von Steuervergünstigungen in den nächsten vier Jahren insgesamt 35 Milliarden Euro mehr in seine Kasse bringen. Dabei verschweigt er die offenen Posten: So sollen 2005 und 2006 zusammen mehr als zehn Milliarden Euro im Haushaltsverfahren eingespart werden. Wie diese Summe aufgebracht wird, dazu haben die Koalitionäre noch keine konkreten Beschlüsse gefaßt. Was aber in diesen Tagen nicht festgezurrt wird, hat wenig Aussicht, durchgesetzt zu werden. Auch die Milliarden, die bei der Bundesanstalt für Arbeit und der Arbeitslosenhilfe eingespart werden sollen, sind Hoffnungswerte. Die dazu notwendigen Reformen müssen gegen den Widerstand der Gewerkschaften erst einmal verwirklicht werden.
Weil rasch wirksame Sparmaßnahmen offenbar nicht konsensfähig waren, hat sich die Koalition auf rasche Einnahmeerhöhungen verlegt. Über eine kaum zu überblickende Zahl von Steueränderungen erhöht sie die Belastung von Bürgern und Unternehmen. Das gefährdet das übergeordnete Ziel, die Wirtschaft anzukurbeln und Beschäftigung zu schaffen. Mit der Anhebung des Rentenbeitragssatzes und der Beitragsbemessungsgrenze für die Rentenversicherung erhöhen sich zudem die Arbeitskosten unmittelbar. Mit der Beschränkung des Verlustvortrags entzieht der Staat den Unternehmen Liquidität. Gewinne sollen ungeachtet vorangegangener Defizite mindestens zur Hälfte versteuert werden, Verluste dürfen höchstens sieben Jahre geltend gemacht werden. Beides wird nicht nur das Steuerrecht noch komplizierter machen, sondern auch die Unternehmen hart treffen. Sie tragen den größten Anteil am Konsolidierungspaket. Ein Anreiz zum Investieren ist dies nicht.
Viele Bürger sind ebenfalls betroffen. Der eine muß künftig mehr für seinen Dienstwagen zahlen, den er auch privat nutzt. Der andere muß die Gewinne versteuern, die er mit Wertpapieren macht. Ihn trifft die "Spekulationssteuer", auch wenn er die Aktien schon Jahrzehnte im Depot hat. Der nächste wird sein Haus ohne Zuschüsse des Staates bauen müssen. Teurer werden auch Bilder, Blumen oder Zahnprothesen. Für diese Güter gilt - ebenso wie für landwirtschaftliche Vorprodukte - nicht mehr der ermäßigte, sondern der volle Mehrwertsteuersatz. Auch den Fluggast bittet Eichel zur Kasse, dafür sollen Bahnfahrer entlastet werden.
Einige Maßnahmen mögen für sich genommen zu rechtfertigen sein. Beispielsweise muß der Staat nicht den Hausbau fördern. Er sollte den Bürgern von ihrem Einkommen soviel lassen, daß sie es sich auch ohne Hilfe leisten können. Aber genau das Gegenteil ist geplant. Der Staat sammelt noch mehr Geld ein, um es dann großzügig umverteilend wieder unters Volk zu bringen. Im vergangenen Jahr haben die Steuerzahler schon mehr als 200 Tage für den Staat gearbeitet. Diese Frist wird nun wohl noch länger.
Die Prioritäten haben sich verschoben. Statt Eichel heißt der mächtigste Minister Wolfgang Clement, statt "Sparen" heißt die Devise "Machen". Der Raum der privaten Wirtschaft wird zugunsten höherer staatlicher Investitionen beschnitten. Von der langfristigen Orientierung in der Finanzpolitik wechselt Rot-Grün zur kurzfristigen Konjunktursteuerung. Nebenbei arbeiten die Koalitionäre an der Demontage des Europäischen Stabilitätspakts. An dem Pakt will Schröder nun "in wachstumsorientierter Weise" festhalten. Das verheißt nichts Gutes. Wer heute den Stabilitätspakt opfert, darf sich nicht wundern, wenn die Defizite morgen wieder unkontrolliert wuchern. Höhere Zinsen und damit höhere Refinanzierungskosten fressen dann die schuldenfinanzierten Ausgabenspielräume auf.
Eichel war der wichtigste Stützpfeiler der rot-grünen Koalition. Er ist beschädigt. Der Mann aus Hessen hatte der Regierung, die nach dem Abgang von Oskar Lafontaine ins Schlingern geraten war, zwei Leitlinien vorgegeben: konsolidieren und neue Spielräume nutzen, um Steuern und Abgaben zu senken. Eichel hat in den Koalitionsverhandlungen wichtige Positionen aufgeben müssen. Sein Versuch, die mittelfristige Finanzplanung näher an der Wirklichkeit zu orientieren, indem das niedrige Wachstum der vergangenen zehn Jahre zur Grundlage macht wird, gelang nur halb. Daher wird der Konsolidierungsbedarf weiterhin zu niedrig veranschlagt. Zugleich rückte er von der Sparvorgabe für das nächste Jahr ab. Zu geplanten Krediten von 15,5 Milliarden Euro kommen 2,6 Milliarden Euro Schulden hinzu.
Der Blick zurück zeigt, in welche Gefahr sich die rot-grüne Koalition begibt. Anfang der siebziger Jahre sind kurz hintereinander zwei Finanzminister der SPD zurückgetreten, weil sie dem Hang ihrer Partei zu höheren Ausgaben und Schulden nicht nachgeben wollten: erst Genosse Generaldirektor Alex Möller, dann Superminister Karl Schiller. Danach begann das große Schuldenmachen - stets unter Hinweis auf die Notwendigkeit, die Konjunktur zu stützen. Diese Geschichte darf sich nicht wiederholen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.10.2002, Nr. 240 / Seite 11
Zwangskopplung der Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung / Gesetzgeber unter Zeitdruck
nf. BERLIN, 17. Oktober. In sämtlichen Zweigen der Sozialversicherung stehen massive Erhöhungen der Höchstbeiträge bevor. Denn die im Koalitionsvertrag angekündigte Heraufsetzung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung von 4500 auf 5100 Euro Monatseinkommen im Westen und von 3750 auf 4250 Euro im Osten wirkt sich automatisch auf Kranken- und Arbeitslosenversicherung aus. Die Mehrbelastungen betreffen alle Arbeitnehmer, deren Monatseinkommen oberhalb von 3375 Euro liegt. Die Abzüge steigen bis zu einem Einkommen von 5100 Euro. Von diesem Betrag an werden Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusammen mit höchstens 225 Euro (Westen) und 200 Euro (Osten) zusätzlich belastet.
Die Regierung steht unter Zeitdruck, wenn die Änderungen im kommenden Jahr in Kraft treten sollen. Denn die jetzt vorgesehene Grenze kann nicht vom zuständigen Ministerium durch Rechtsverordnung festgelegt werden, da sie die jährlich vorgeschriebene Erhöhung deutlich übersteigt. Regulär wäre nur eine Anhebung der Bemessungsgrenze auf 4600 Euro zulässig.
Ändert der Gesetzgeber die automatische Kopplung nicht, gelten die neuen Grenzen von 5100 und 4250 Euro ebenfalls für die Arbeitslosenversicherung. Auch die Bemessungsgrenze in der Krankenversicherung, die gesetzlich bei 75 Prozent der Bemessungsgrenze der Rentenversicherung festgeschrieben ist, würde sich damit erhöhen, und zwar von derzeit 3375 auf 3825 Euro Monatseinkommen. Eine solche Steigerung dürfte auch in der Pflegeversicherung bevorstehen. Nach Aussage des Gesundheitsministeriums soll die Bemessungsgrenze in der Krankenversicherung aber nur im üblichen Rahmen erhöht werden. Die Mehrbelastung fiele dann geringer aus.
Die Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung, von der an ein Wechsel zu privaten Gesellschaften möglich ist und die bisher mit der Bemessungsgrenze identisch war, soll dagegen auf die Höhe der neuen Rentengrenzen heraufgesetzt werden, aber nur für Berufsanfänger.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) warnt die Bundesregierung davor, "die Personalzusatzkostenschraube noch weiter anzuziehen". Schon die geplante Anhebung der Bemessungsgrenze für die Rentenversicherung sei "extrem arbeits- und wirtschaftsfeindlich", sagte BDA-Sozialfachmann Volker Hansen. Die automatische Kopplung an die anderen Sozialversicherungszweige dürfe es trotz des zu erwartenden Finanzbedarfs nicht bestehen bleiben. "Das wäre das schlimmste aller Ergebnisse und würde noch mehr Arbeitsplätze vernichten."
Die Rentenkasse ist auf die zusätzlichen Einnahmen angewiesen, um den sonst drohenden Anstieg der Rentenbeiträge auf bis zu 19,8 Prozent zu verhindern. Genaue Angaben über die Finanzlage der Rentenversicherung werde der Schätzerkreis zwar erst im November veröffentlichen, heißt es beim Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR). Doch schon jetzt sei erkennbar, daß die im zweiten Halbjahr wirksam werdenden Tariferhöhungen nicht die erhoffte Entlastung gebracht haben. Zusätzliche Einnahmen seien dadurch "kaum eingegangen", betont VDR-Sprecherin Renate Thiemann. "Die Entwicklung ist nicht so, wie man sich das vorgestellt hat."
Weitere Belastungen sind zu erwarten, falls die Entgeltumwandlung zur zusätzlichen Altersvorsorge stark in Anspruch genommen wird; die entsprechenden vom Bruttoeinkommen abgeführten Beiträge sind von Steuern und Abgaben befreit. "Wenn die Arbeitnehmer von dieser Möglichkeit massiv Gebrauch machen, könnte es schwierig werden, den Satz von 19,3 Prozent zu halten", warnt Thiemann.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.10.2002, Nr. 242 / Seite 11
Denk dran, Kontrollmitteilungen der Banken ans FA, auch rückwirkend sind jederzeit möglich.
nf. Die Finanzentwicklung in den Sozialversicherungen läuft aus dem Ruder. In der Krankenversicherung drohen zum Jahreswechsel weitere Beitragserhöhungen, in der Rentenversicherung ist der Anstieg von 19,1 auf 19,3 Prozent beschlossene Sache. Vermutlich wird nicht einmal das reichen, da die Tariferhöhungen im zweiten Halbjahr kein zusätzliches Geld in die Rentenkasse spülen. Ausgabenwirksame Strukturreformen könnten die Finanzierung der Sozialversicherungen dauerhaft sichern. Doch davor schrecken SPD und Grüne zurück. Sie wollen statt dessen noch mehr gutes Geld in schlechte Systeme pumpen. Wer soll das bezahlen? Den Normalverdienern mag die Koalition keine weitere Anhebung des Beitragssatzes zumuten. Daher nimmt sie die Besserverdiener ins Visier und schraubt mit der Bemessungsgrenze den Höchstbeitrag nach oben - als ob dies keine Steigerung der Lohnzusatzkosten bedeutete. Schlimmer noch: Was im Koalitionsvertrag nach einer singulären, allein auf die Rentenversicherung bezogenen Maßnahme klingt, löst - wenn es nicht gesetzlich verhindert wird - eine Lawine an Beitragssteigerungen auch in der Arbeitslosen-, Kranken- und wohl auch Pflegeversicherung aus. Unter dieser Kostenlawine können Schröder und Fischer alle ihre Beschäftigungshoffnungen begraben. Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ist am Ende, noch ehe er begonnen hat.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.10.2002, Nr. 242 / Seite 11
Leitartikel
Von Guido Heinen
Vom Eindruck gewisser Konfusion, den die neue alte Regierung derzeit vermittelt, lasse man sich nicht täuschen. So erratisch der Koalitionsvertrag auch wirkt mit seinen pompösen Formulierungen, seinen unzähligen thematischen Fußnoten und versteckten Eingriffen - er ist das Manifest eines großen Projekts: der tief greifenden gesellschaftlichen Umwandlung Deutschlands. So, wie vor vier Jahren das Versprechen, wenig anders, aber vieles besser machen zu wollen, nicht ernst gemeint war, geschweige denn eingehalten wurde, so wenig trifft jetzt der oberflächliche Eindruck der Konzeptlosigkeit den Kern des Geschehens.
Auf zwei Ebenen wird die Veränderungskraft der rot-grünen Koalition sichtbar: auf der Zeitschiene, wo der fühlbare Stillstand bei allen anstehenden Reformen eben nicht Stagnation, sondern Bewegung bedeutet - jedoch als Rückfall in die falsche Richtung. Und es wird deutlich in der Auswahl der Köpfe, denen die Politik im Kabinett anvertraut ist.
Der Stillstand, das Nichtangehen von Reformen in zentralen Politikfeldern, ist keine Verlegenheit, es ist Programm. Denn es gibt eine mächtige, im sozialdemokratischen und grünen Milieu verankerte Variante des bräsig-bürgerlichen "Weiter so", das 1998 abgewählt wurde. Es ist das "Weiter so" des Versorgungsstaates, der sich erst beim Bürger das Geld holt, das er ihm, nach saftiger eigener Alimentierung, dann wieder zurück- und umverteilt. Beim gerade noch zurückgezogenen Anschlag auf das Familien-Splitting wurde dieser gedankliche Horizont der neuen Mannschaft deutlich. Dass einer gescheiterten Ministerin für Gesundheit nun noch die Großbaustellen Soziales und Renten anvertraut werden, zeigt: Schröder nimmt "Erneuerung" und "Nachhaltigkeit", die Titelschlagworte des Koalitionsvertrags, zumindest nicht sonderlich ernst, wenn es um die Sozialsysteme geht.
Den Koalitionären fällt als Antwort auf die noch im Sommer heftig diskutierten PISA-Ergebnisse nur staatliche Kinderverwahrung und ein nationaler Bildungsstandard ein. Die Botschaft ist klar: der Staat kann es besser. Weshalb Schröder, Erfinder der fragwürdigen Parole "Familie ist da, wo Kinder sind", die Familie dem Betreuungsfan Renate Schmidt an die Hand gibt. Der bundesweite Bildungsstandard kann, anders als es das regierungsoffizielle Neusprech verheißt, nur die Absenkung der Standards in den Südwest-Bundesländern im Sinn haben. So stehen am Ende einfach die roten und grünen Bundesländer besser da, weil keine Vergleichsmöglichkeit mehr besteht. Nivellierung ersetzt den Wettbewerb.
Der Kanzler wurde am Ende gewählt von Wählern aus Ostdeutschland, die mehr ihm als der PDS glaubten, dass ein Krieg drohe und es nach der Flut keinem schlechter gehen werde als vorher. Dieses Signal eines allmächtigen, intervenierenden Staates, gepaart mit einem irrationalen pazifistischen Reflex, der nicht eine sehr wohl notwendige Debatte auslöste, sondern mit Kriegsangst Wahlkampf trieb, wird an dieser Regierung noch Monate haften bleiben. Schröder wurde schließlich auch von einem längst vergessen geglaubten Milieu unterstützt: staatlich subventionierten Kulturschaffenden, öffentlich-rechtlichen Meinungsverwaltern und gewerkschaftlichen "Weiter so"-Ideologen. Sie alle fordern jetzt den Tribut für ihre Last-Minute-Solidarität: die Vollendung eines Generationenprojekts, das über Strukturen und Steuern die Felder Erziehung, Familie und Wirtschaft umgestaltet.
Die oppositionelle Empörung über "Betrug" und "Steuerschraube" trifft dabei nur die Symptome des rot-grünen Projekts. So, wie in der vergangenen Legislatur entscheidende Reformprojekte, vielleicht abgesehen von ersten Schritten im Rentensystem, nicht angepackt, dafür jedoch Klientelthemen in die Mitte der Politik gerückt wurden, soll es offenbar weitergehen.
Die Entschlossenheit, mit der Schröder sein Kabinett nahezu frei von frischen Gesichtern und Gedanken hält, zeigt die Not einer Generation, die es offenbar noch immer nicht verstanden hat, was der Unterschied zwischen Macht und Verantwortung für ein gesamtes Gemeinwesen ist. Die ihr Gesellschaftsprojekt seit dreißig Jahren hindurchträgt - und doch spürt, dass die jüngeren unter den eigenen Anhänger ihm nicht mehr folgen wollen. Diese Generation rot-grüner Politiker weiß, dass sie vor vier Jahren aufgrund von Überdruss und jüngst mit Taschenspielertricks an die Macht kam. Insgeheim scheint sie zu merken: Ihr Kredit schwindet, und ihr gerade ausgerufenes Jahrzehnt könnte ein sehr kurzes werden.
Den Autor erreichen Sie unter: heinen@welt.de
Abschied von der Macht versüßt
Gestern erhielten sie ihre Entlassungsurkunden – die bisherigen Minister Herta Däubler-Gmelin, Riester, Müller, Bodewig, Christine Bergmann. Nun müssen sie sich von vielen kleinen Annehmlichkeiten trennen. Zum Beispiel von ihrem Dienstwagen. Wer schlau ist, bestellt sich sicherheitshalber zur Amtsübergabe ein Taxi. Sonst könnte es ihm ergehen wie weiland Wirtschaftsminister Graf Lambsdorff, der 1982 nach der Amtseinführung seines Nachfolgers von einer Funkstreife nach Hause gefahren werden musste. Den Dienstwagen beanspruchte bereits der Neue.
Vorbei auch mit anderen Annehmlichkeiten – Benutzung der Regierungsflugzeuge, Ruheraum mit Dusche im Ministerium, „Chef-Klo“, reservierter Parkplatz, Fahrstuhlschlüssel, Blumenschmuck, Etagenservice, Spesenfonds. Nicht zu vergessen das Diensthandy, mit dem auch mal die Frau Gemahlin die Freundin in Übersee anrufen konnte.
Keine Bodyguards mehr, die wie Schneepflüge lästige Journalisten beiseite schoben. Kein Pressereferent, der den „Boss“ bei Sabine Christiansen oder Maybrit Illner andiente. Kein Referent, der die schweren Aktentaschen schleppte – die neue deutsche Armut.
Die Ehepartner müssen über den Schock der Entlassung hinweghelfen. Der/die Entlassene ist plötzlich ein „loser“, ein Verlierer. In Interviews gibt er sich gelassen („Endlich habe ich mehr Zeit für die Familie“), zu Hause kann er die Enttäuschung, von Schröder fallen gelassen worden zu sein, nicht verbergen.
Immerhin, drei Monate zahlt der Bund weiter volles Gehalt (monatlich 14 000 Euro), drei Jahre (!) ( Arbeitslosengeld gibt's wie lange? )die Hälfte. Die monatlichen Pensionen für vier Jahre Arbeit laut Bund der Steuerzahler für Däubler-Gmelin, Müller, Riester 3720 Euro. Christine Bergmann bekommt wegen Anrechnung der Berliner Senatorenzeit 5960, Bodewig, weil nur knapp zwei Jahre im Amt, 2000 Euro. Bis auf Müller haben alle zusätzlich Abgeordnetendiäten!
Außerdem: Ihren in blaues Leder gebundenen Diplomatenpass dürfen die Ex-Minister behalten! Also nie mehr Zollkontrollen, kein lästiges Anstellen bei irgendwelchen Abfertigungen. Nur die Ehepartner müssen diesen Nobelpass abgeben. Da bleibt die Gleichberechtigung auf der Strecke.
Kommentar
Von Cornelia Wolber
Wäre es nach Bundesfinanzminister Hans Eichel gegangen, hätte er schon im Frühjahr Zweifel angemeldet. Doch er durfte nicht. Schließlich war Wahlkampf und der Kanzler mangels alternativer Themen gezwungen, mit dem bis dahin scheinbar so erfolgreichen Konsolidierungskurs weiter Staat zu machen. Doch nun ist die Wahl vorüber. Statt der Finanzen steht jetzt die Umsetzung des Hartz-Konzeptes zur Reform des Arbeitsmarktes im Mittelpunkt des Kanzlerinteresses und mit ihm der neue Superminister Wolfgang Clement.
Eichel hat ausgedient und mit ihm der rigide Konsolidierungskurs. Und so hat die Koalition binnen kürzester Zeit mit allem gebrochen, wofür der eiserne Hans einst stand. Das Finanzierungskonzept für die kommenden vier Jahre ist alles andere als solide. Statt Steuern zu senken, wird die Schraube fester angezogen, wenn auch nur indirekt über die Streichung zahlreicher Vergünstigungen. Die Neuverschuldung wird erhöht und der Stabilitätspakt in Frage gestellt.
Frei nach dem Motto: Ist der Ruf erst ruiniert...., scheint ausgerechnet Eichel für all das gerade stehen zu müssen. Fast jeden Abend sitzt er in irgendeiner Talkrunde und muss sich wüst beschimpfen lassen. Da hilft es auch nichts, dass er Verständnis für die Wut der Bürger zeigt. Seine neue Rolle ist die des Buhmannes. Und daran wird sich so schnell nichts ändern. Denn die nächsten Hiobsbotschaften über die Finanzlage sind programmiert. Das Defizit klettert und klettert. Und mit ihm steigt der Konsolidierungsdruck. Im Klartext: Wenn die Regierung am Ziel eines ausgeglichenen Haushaltes bis 2006 festhalten will, muss sie das gerade eben geschnürte Finanzpaket noch einmal aufmachen und zusätzliche Grausamkeiten verüben. Schon macht etwa das Gerücht einer Erhöhung der Mehrwertsteuer die Runde. Und klar ist auch, wer das der Bevölkerung erklären muss: Hans Eichel. Denn ist der Ruf.....
Den Autor erreichen Sie unter: wolber@welt.de