Mal was kritisches zu einem Irak-Krieg
Seite 1 von 1 Neuester Beitrag: 08.10.02 15:09 | ||||
Eröffnet am: | 08.10.02 14:50 | von: optiman | Anzahl Beiträge: | 7 |
Neuester Beitrag: | 08.10.02 15:09 | von: Thomastrada. | Leser gesamt: | 1.407 |
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Bin auf Eure Meinungen gespannt...
"Gefahr für die Welt"
Eine kritische Sichtweise zu dem drohenden Krieg am Golf, den Auswirkungen und Folgen und ein Plädoyer gegen einen neuen Konflikt, der die Welt lähmen wird. Von 4investors-Redakteur Michael Barck.
Die Botschaft, die US-Präsident George Bush an die Welt sandte, war eindeutig: Saddam Hussein ist böse und muss vernichtet werden – egal wie. Mit dem Waffenarsenal, dem Potenzial, Millionen Menschen töten zu können, ist Hussein für die USA ein inakzeptables Sicherheitsrisiko. „Wir lehnen es ab, in Angst zu leben“, heißt die Losung, die Bush ausgibt.
Der neue Golf-Krieg ist mit der gestrigen Rede des Präsidenten wieder ein Stück unabwendbarer geworden. Bush verstrickt sich immer tiefer ins „Kriegsgeheul“, wie manche in der Opposition dies nennen. Je tiefer er sich verstrickt, desto unmöglicher ist für ihn ein Rückzug, ohne das Gesicht zu verlieren. Eine militärische Konfrontation wird wohl nur noch durch einen freiwilligen Rückzug Husseins und die Installation einer US-freundlichen Regierung in Bagdad vermieden werden können – doch wer glaubt daran.
Die „Gefahr für die Welt“ wird nach US-Sprachgebrauch also militärisch beseitigt werden müssen. Doch die kühnen Kriegserfolgs-Träume der US-Militärs lassen Fragen nach den gewaltigen Risiken dieses Unterfangens offen. Zwei zentrale Fragen sind von Bedeutung: Was passiert während des Krieges noch? Und vor allem: Was kommt nach dem Krieg, was kommt nach Hussein?
Nach einem Krieg, der unmöglich morgen schon geführt werden kann. Wollen die USA Hussein aus Bagdad verjagen, bedarf es wesentlich mehr als den 30.000 Soldaten, die man bisher in der Region stationiert hat. Zeit wird benötigt, was wiederum den Gegenspielern Amerikas Gelegenheit gibt, sich ebenfalls zu positionieren. Und so wird vor allem eine Zunahme des weltweiten Terrors befürchtet. Alles andere als unbegründet, wie die jüngsten Ereignisse hierzulande, im Jemen oder auch anderorts beweisen.
Welche Dimensionen und Orte terroristische Aktivitäten dabei erreichen, kann man nach den Ereignissen des 11. September 2001 nur erahnen. Völlig offen und kaum einzuschätzen ist die Reaktion in der arabischen Welt auf einen US-Angiff gegen den Irak. Die Führer der Länder mögen selbigen noch unterstützen. Aber was ist mit der Bevölkerung in Saudi-Arabien, Pakistan, Afghanistan, Iran, Jemen? Die Liste ist beispielhaft und lässt sich beliebig weiter führen.
Die lähmende Angst, die sich an der Börse, an den Buchungszahlen der Reiseveranstalter, an der Konsum- und Investitions-Zurückhaltung und vielen anderen Plätzen des täglichen Lebens zeigt, ist aus dieser Sicht verständlich – wenn auch möglicherweise übertrieben. Und nicht zuletzt wird mit den ersten Leichensäcken mit toten US-Soldaten die bisher noch große Geschlossenheit der US-Amerikaner schwinden, das verdrängte Vietnam-Trauma wieder aufkommen.
Und was kommt nach dem Krieg? Antworten hierauf sucht man bislang weitgehend vergebens. Für den Irak ist eine US-freundliche Regierung zu erwarten, was vor allem in Moskau und Paris vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Interessen auf wenig Gegenliebe stoßen dürfte. Ist damit die „Gefahr für die Welt“ beseitigt? Bei weitem nicht, sie droht weiter, aus verschiedensten Teilen der Welt: Pakistan oder Nordkorea – beides ebenfalls Länder mit Massenvernichtungswaffen und einer im Grunde Amerika feindlichen Haltung, vor allem von Seiten der pakistanischen Fundamentalisten – aber auch von Seiten der Erzkommunisten in Pjöngjang, an der Seite der „traditionell“ Amerika kritisch bis –feindlichen Chinesen. Gefahr droht im Jemen, in Somalia, von den Abu Sajaf Rebellen auf den Philippinen – und nicht zuletzt auch in den USA selbst, wo fanatische Amerikaner zu Anschlägen wie in Oklahoma fähig und willens sind. Und dort, wo die militärische Macht der USA alles niedergewalzt hat, bilden sich Keimzellen für neuen Extremismus.
Der amerikanische Krieg gegen den Terror mutet vor diesem Szenario an, wie die Symptome einer Krankheit zu bekämpfen, nicht aber dessen Ursache auszumerzen. Letztlich erwächst – das zeigen die Erfahrungen aus der Weltgeschichte – der Extremismus der Massen in Armut, Hunger, Arbeitslosigkeit und die Suche nach dem Schuldigen dafür. Im Mittelalter waren für das Volk die Juden Schuld an der Pest, aus den Problemen der Weimarer Republik wuchs das Dritte Reich. Die eigentliche „Gefahr für die Welt“ sind nicht Hussein oder Osama bin Laden – sie sind letztlich Produkte einer Gefahr, die nicht oder viel zu zögerlich angegangen wird.
Die Welt droht nach dem überstandenen Ost-West-Konflikt in einen neuen Konflikt zu schlittern, bei dem es Nord gegen Süd, Arm gegen Reich heißt. Schon jetzt prophezeien Experten Konflikte um das Lebenselixier Wasser, Flüchtlingsströme aus den armen Ländern in Richtung erste Welt. „Helfen wir den Armen nicht, kommen sie zu uns“, ist die Konsequenz des Konfliktes.
Während sich also die US-Militärs im Irak und später wahrscheinlich auch in anderen Ländern austoben, treten die eigentlich wichtigen Maßnahmen völlig in den Hintergrund. Ein Erlass von Schulden für Länder, die sie realistisch betrachtet ohnehin nie mehr zurückzahlen können, die Suche nach Antworten für Hunger- und Wasserprobleme, ein Umkehr im Trend bei den terms of trade. Probleme, vor denen die Industriestaaten bisher aus Macht- und Geldgründen zurückschrecken.
Eine kurzsichtige Sichtweise – auch dies hat der 11. September 2001 gezeigt. Der Krieg gegen den Terror werde lang und schmerzhaft, hat Bush direkt nach den Anschlägen angekündigt. Die Wahrscheinlichkeit, dass er mit einem Sieg über Hussein beendet ist, dürfte gleich null sein. Rund ein Jahrzehnt nach dem Ende des Konfliktes zwischen Ost und West, der die Welt mehr als vier Jahrzehnte gelähmt hat, ist die Gefahr einer erneuten Lähmung größer denn je, solange die eigentliche Gefahr für die Welt nicht angegangen wird. Und solange die USA Krieg gegen den Terror führt, dürfte dies wohl kaum geschehen, sondern der Status quo zementiert werden.
http://www.wsws.org/de/2002/okt2002/ira1-o04.shtml
http://www.wsws.org/de/2002/okt2002/ira2-o05.shtml
„Helfen wir den Armen nicht, kommen sie zu uns“ zeigt das Dilemma. Allen zu helfen ist unmöglich, wenigen zu helfen, wird den Prozess nicht stoppen können...
Gruß,
T.