"Ist Deutschland noch zu retten?"
Seite 1 von 2 Neuester Beitrag: 28.08.06 22:23 | ||||
Eröffnet am: | 28.08.06 12:19 | von: kiiwii | Anzahl Beiträge: | 33 |
Neuester Beitrag: | 28.08.06 22:23 | von: andreHanniba. | Leser gesamt: | 5.601 |
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Ein Streitgespräch über Demographie zwischen Herwig Birg und Albrecht Müller
Wir leben laut Herwig Birg in einer demographischen Zeitenwende, die diese Gesellschaft verändern wird. Sie, Herr Müller, bestreiten das. Aber Sie bestreiten damit doch Fakten.
ANTWORT: Müller: Wir haben kein demographisches Problem. Unsere Gesellschaft wird älter, die Lebenserwartung wächst, und es wird zunehmend mehr Ältere im Vergleich zu den Aktiven geben. Unser Hauptproblem aber ist die hohe Arbeitslosigkeit: daß wir fast 53Millionen arbeitsfähige Menschen haben und nur etwas mehr als 26Millionen mit sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverträgen. Das demographische Argument der Überlastung durch Alte ist absurd.
FRAGE: Das gilt aber nur für das Jahr 2006.
ANTWORT: Müller: Es gilt auch für die absehbaren Jahrzehnte. Herr Birg dramatisiert, wenn er nur die Belastung durch die Alten rechnet. Wenn man berücksichtigt, daß die Arbeitsfähigen auch für die Jungen und die Kinder zu sorgen haben und daß diese sogenannte Jugendlast sinken wird, wenn man also die Gesamtbelastung berechnet, wie es beispielsweise Rupert Jänicke gemacht hat (F.A.Z. vom 15. März 2005), dann wird sichtbar, daß auf Jahrzehnte hinaus die Belastung der Arbeitsfähigen nur wenig steigt und von der wachsenden Arbeitsproduktivität locker aufgefangen werden kann. Also könnte man sich gelassen zurücklehnen und sich den echten Problemen unseres Landes zuwenden. Aber Ihnen ist es gelungen, aus dem zweitrangigen Thema Demographie ein Spitzenthema der öffentlichen Debatte zu machen. Das ist ein Meisterwerk an Agenda-setting. Kompliment!
FRAGE: Herr Birg, sind Sie auch so gelassen?
ANTWORT: Birg: Hat Herr Müller noch nie ein Buch von mir aufgeschlagen? Natürlich berechne ich nicht nur den Altenquotienten, also die Zahl der über Sechzigjährigen in Prozent der Zwanzig- bis Sechzigjährigen, sondern auch den Jugendquotienten, nämlich die Zahl der unter Zwanzigjährigen im Verhältnis zu den Zwanzig- bis Sechzigjährigen sowie die Summe als Gesamtbelastung. 1946 gab es in Deutschland 920000 Geburten, 2005 nur noch 686000. Nach meinen 1998 publizierten Berechnungen werden es 2030 noch 532000 und 2050 nur 438000 sein. Wie zuverlässig sind solche Prognosen? Die für 2005 prognostizierten Geburten und Sterbefälle haben eine Fehlerrate von einem Promille. Deutschland hat mehr Sterbefälle als Geburten, und zwar seit 1972. Die neuen Länder seit 1969, weil es dort kein Gegengewicht durch Einwanderungen gab. Viele glauben, das sei kein Problem, weil weltweit jährlich 134 Millionen geboren werden, mit denen sich jedes Geburtendefizit in Deutschland ausgleichen läßt. Auf einer hochrangig besetzten Demographietagung des Bundesverbands Deutscher Banken wurde angeregt: "Warum lassen wir nicht eine Million Chinesen jährlich einwandern?" Aber die heute jungen Einwanderer wären von den dreißiger Jahren an Rentenempfänger. Sollen Sie unter Verzicht auf ihre Rentenansprüche nach China zurückgeschickt werden?
ANTWORT: Müller: Bei der Beurteilung dieses dümmlichen Vorschlags sind wir nicht auseinander. Woanders schon: Sie, Herr Birg, messen alles nur an der Geburtenziffer. Wenn sie abnimmt, dann soll das schrecklich für unser Land sein. Ich dagegen schaue mir zusätzlich an, wie dicht Deutschland bevölkert ist. Bei uns leben 231 Menschen auf einem Quadratkilometer, in den Vereinigten Staaten nur 31 und auch in Frankreich mit 108 weniger als die Hälfte unserer Zahl. Wir sind eines der am dichtesten besiedelten Länder.
FRAGE: Aber es geht beim demographischen Problem doch um den Altersaufbau.
ANTWORT: Birg: Zum Zeitpunkt meiner Berechnungen von 1998 betrug der Jugendquotient 38,0, und der Altenquotient war mit 38,6 fast genauso groß. Im Jahr 2050 wird jedoch der Altenquotient bei 91,4 liegen und der Jugendquotient bei 31,9. Sie, Herr Müller, stützen sich auf die vom Statistischen Bundesamt 2003 veröffentlichten Zahlen, die meinen ähneln: Der für 2050 berechnete Jugendquotient beträgt dort 34,1, der Altenquotient 87,9. Das sind die Ergebnisse der siebten Variante des Statistischen Bundesamts, die mit der bisherigen Entwicklung am besten übereinstimmt. Weniger realistisch ist die sogenannte mittlere Variante mit der Nummer 5, bei der die Bevölkerungszahl erst von 2013 an schrumpfen würde. Aber die Schrumpfung ist bereits seit 2003 im Gange, deshalb verwendet man besser die siebte Variante.
ANTWORT: Müller:ANTWORT: Dieser Anstieg bleibt in einem Rahmen, der zu bewältigen ist.
ANTWORT: Birg: Schon heute schafft man es nicht, die Defizite der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung zu beseitigen. Warum soll das zu bewältigen sein, wenn die demographisch bedingten Lasten noch zunehmen?
ANTWORT: Müller: Heute kommen auf hundert Menschen in der arbeitsfähigen Altersgruppe 82 auszuhaltende Alte und Junge. Im Jahr 2050 werden es nach den Modellrechnungen des Statistischen Bundesamts 112 sein. Wenn die Leute so lange arbeiten könnten, wie sie es formal tun sollten - bis zum Ende des fünfundsechzigsten Lebensjahrs -, würde sich die Gesamtlast nur von den erwähnten 82 auf 85 erhöhen.
ANTWORT: Birg: Das Hauptproblem bleibt aber, daß die Unterschiede zwischen den verfügbaren Einkommen und die Verteilungskämpfe zwischen den Bevölkerungsgruppen stark zunehmen, weil die Zahl der zu versorgenden älteren Menschen vom Ende des zwanzigsten bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts um zehn Millionen wächst, während die mittlere Gruppe der Zwanzig- bis Sechzigjährigen um sechzehn Millionen abnimmt.
ANTWORT: Müller: Was ist daran so schlimm? Sie übertreiben die vor uns stehende Alterung maßlos. Zwischen 1900 und 2000 ist die Lebenserwartung um dreißig Jahre gestiegen, schätzungsweise wird sie bis 2050 noch um weitere sechs Jahre zunehmen. Dieser Vergleich zeigt schon, wie undramatisch die Veränderungen sind.
ANTWORT: Birg: ANTWORT: Sie wissen anscheinend nicht, daß der starke Zuwachs der Lebenserwartung von 1900 bis 2000 vor allem den unter Fünfundsechzigjährigen zugute kam. Der Gewinn bei den über Fünfundsechzigjährigen während des ganzen Jahrhunderts betrug nicht dreißig, sondern 8,5 Jahre. Wer das nicht weiß, kann sich natürlich nicht vorstellen, daß der Altenquotient durch die steigende Lebenserwartung eben nicht zu-, sondern abnahm. Heute erhöht jede Zunahme der Lebenserwartung den Altenquotienten, weil sie fast nur noch den Älteren zugute kommt. Denn die Sterblichkeit der Jüngeren ist schon so niedrig, daß nur noch kleine Verbesserungen erreichbar sind. Wollte man den Anstieg des Altenquotienten durch jüngere Einwanderer verhindern, müßten bis 2050 hypothetisch 188 Millionen oder pro Jahr 3,5 Millionen Menschen einwandern. Das Statistische Bundesamt nimmt bisher - je nach Variante - 180000 bis 380000 jüngere Einwanderer netto pro Jahr an. Es legt im November aber die revidierten Zahlen seiner Vorausberechnungen vor. Die sollte man sehr genau studieren.
FRAGE: Könnten wir die einmal hören?
ANTWORT: Müller: Zunächst noch zu den von Herrn Birg genannten Zahlen. Sie sind schlicht falsch. Das Statistische Bundesamt rechnete mit 158000 jüngeren Einwanderern für das Jahr 2005 und mit noch weniger für 2050. Daß es jetzt nur knapp mehr als 100000 sind, daß Deutsche auch vermehrt auswandern, ist eindeutig Folge der schlechten wirtschaftlichen Lage und der Berufsperspektiven. Das kann sich wieder ändern. Schon deshalb sollte Herr Birg jetzt nicht mit angeblich neuen Zahlen operieren, die nur er kennt und deren Stimmigkeit keiner kontrollieren kann.
ANTWORT: Birg: Wessen Zahlen stimmen, kann jeder anhand der veröffentlichten "10. Bevölkerungsvorausberechnung" des Statistischen Bundesamts überprüfen. Die Zahlen, von denen Sie sagen, sie seien falsch, stehen auf Seite 25. Offenbar bringen Sie die dort abgedruckten Prognosevarianten durcheinander. Sei's drum. Entscheidend ist: Der Anstieg des Altenanteils ist für mindestens ein halbes Jahrhundert unumkehrbar, und zwar selbst dann, wenn die Lebenserwartung konstant bliebe - was sie nicht tun wird.
ANTWORT: Müller: Wieder lassen Sie die Jugendlast weg. Und Sie beachten nicht, daß Modelle entwickelt werden können, die es älteren Leuten erlauben, wieder leichter Arbeit zu finden oder zu behalten. Wenn dann die Konjunktur wieder anzieht, dann gehen die Menschen auch tatsächlich erst später in Rente, und die Gesamtlast steigt in einem halben Jahrhundert von 82 auf 85. Dabei habe ich noch gar nicht berücksichtigt, daß sich in der gleichen Zeit bei mittlerem Produktivitätszuwachs das Sozialprodukt verdoppelt. Wir haben also zwei Sicherheitsventile. Es gibt somit keinen Grund zur Dramatisierung.ANTWORT:
Birg: Richtig, aber für Realismus und genaues Nachdenken. In Deutschland bestehen seit den sechziger Jahren zwei Optionen. Erstens: Wir ersetzen die fehlenden jungen und mittleren Altersgruppen durch Einwanderer. Das haben wir getan - in viel größerem Ausmaß als andere Länder. Zweitens: Wir erneuern die durch Tod ausscheidenden Generationen durch Geburten im Inland, die wir selbst erziehen und ausbilden, so daß Integrationsprobleme gar nicht erst entstehen. Wie das umweltbezogene Verhalten zeigt, kann sich durch Nachdenken viel ändern, warum nicht auch das demographisch relevante Verhalten? Durch Nachdenken läßt sich einsehen, daß Kinderlose in einer Weise bevorzugt werden, die die Verfassung verletzt, weil sie die Familien ausbeutet. Ja, es gibt Ausbeutung in Deutschland: eine Transferausbeutung der Familien vor allem durch das Umlageverfahren bei den Sozialabgaben.
ANTWORT: Müller: Ihre Vorstellung von der Beeinflußbarkeit des Gebärverhaltens ist, milde ausgedrückt, merkwürdig. Und mit Ihrer These von der Transferausbeutung begehen Sie einen Denkfehler. Kinderlose zahlen Steuern und Beiträge und erwerben beim Umlageverfahren damit einen Rentenanspruch. Meine fünf Kinder erwerben, wenn das Umlageverfahren fortgeführt wird, mit ihren Beitragszahlungen Ansprüche für ihre spätere Rente. Ihre Beiträge gehen nicht an die Kinderlosen.
ANTWORT: Birg: Das Geld, das Ihre Kinder einzahlen, wird im gleichen Moment an die Älteren weitergereicht, also zu hundert Prozent ausgegeben. Zurückgelegt wird im Umlageverfahren gar nichts. Wenn die Menschen, die etwas einzahlen, später als Kranke, Rentner oder Pflegefälle selbst bedürftig werden, woher soll das Geld dann kommen? Wenn keine Kinder da sind, kann auch niemand etwas einzahlen.
ANTWORT: Müller: Ihre Argumentation lebt allein von Übertreibungen. Es stimmt ja nicht, daß keine Kinder da sind.
ANTWORT: Birg: Eine Übertreibung? Deutschland hat weniger Geburten als Frankreich - bei zwanzig Millionen mehr Einwohnern. Das Umlageverfahren kann seine Aufgabe unter solchen demographischen Bedingungen nicht erfüllen.
ANTWORT: Müller: Beschäftigungspolitik ist um vieles wichtiger als Demographie. Nehmen wir die Erwerbsquote. In Deutschland beträgt sie 65,1 Prozent, in Schweden zum Beispiel 72,9 Prozent. Wir betreiben außerdem eine absurde Makropolitik. Die Konjunktur in Deutschland wurde 1992 abgebrochen, und seitdem haben wir eine Rezession größten Ausmaßes mit einem Wachstum von real nur noch 1,2 Prozent im Jahr. Wenn wir durchschnittlich 2,5 Prozent erreicht hätten - was in vielen vergleichbaren Ländern gelungen ist -, könnten wir heute jährlich über siebenhundert Milliarden Euro, fast ein Drittel unseres Bruttoinlandsproduktes, zusätzlich verfügen.
ANTWORT: Birg: Jetzt möchte ich als Volkswirt Ihnen etwas sagen. Es gibt drei Quellen des Wachstums. Erstens: Der Produktionsfaktor Arbeit wächst. Zweitens: Der Produktionsfaktor Kapital wächst. Drittens: Die Produktivität steigt. Von diesen drei Quellen ist die erste versiegt. Da wächst nicht nur nichts, da schrumpft etwas. Auch das Produktionskapital wächst nicht mehr ausreichend, weil - teilweise demographisch bedingt - im Inland zu wenig investiert wird. Es bleibt uns somit nur die dritte Quelle, der technische Fortschritt.
ANTWORT: Müller: Das ist grotesk! Wenn Leute arbeitslos sind, wenn wir 2003 zum Beispiel 1,36 Millionen junger Menschen im Alter von zwanzig bis 29 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung hatten, dann können Sie doch nicht sagen, wir hätten einen Engpaß bei der Arbeitskraft.
ANTWORT: Birg: Die Gruppe der Zwanzig- bis Vierzigjährigen, das Rückgrat unserer Volkswirtschaft und der Motor der Produktivitätssteigerung, schrumpft seit den neunziger Jahren jedes Jahr um mehrere hunderttausend!
ANTWORT: Müller: Sie weichen aus. Ich rede über die gesamte arbeitsfähige Bevölkerung. Wir sehen doch an Ihnen und an mir, daß auch ältere Menschen noch leistungsfähig sind.
ANTWORT: Birg: Ich schlage vor, wir behandeln die Themen separat - erst die Demographie und dann ihre Auswirkungen. Demographisch sieht es so aus: Deutschland ist das erste Land der Welt, das ohne äußeren Grund in Friedenszeiten von jahrhundertelangem Wachstum zur Schrumpfung übergegangen ist.
ANTWORT: Müller: Und wir erreichen 2050 wieder die Bevölkerungszahl von 1950. Was ist daran schlimm?
ANTWORT: Birg: Schlimm ist, daß die Schrumpfung auch im 22. und 23. Jahrhundert weitergeht, wenn die Geburtenrate so bleibt, wie sie ist. Und selbst wenn sie anstiege, von jetzt 1,4 auf zwei Kinder pro Frau, dann schrumpften wir trotzdem noch bis 2060. Das ist das berühmte demographische Momentum, die Trägheit des Schrumpfungsprozesses, von dem sich Berater wie Sie keine Vorstellung machen, weil sie nichts von Demographie verstehen.
ANTWORT: Müller: Sie machen sich Gedanken über die Bevölkerungszahl im Jahr 2200 oder 2250. Das ist so absurd, als hätte sich Goethe seinerzeit Gedanken über die demographische Entwicklung des Jahres 2006 gemacht. Ihre Sprache ist bereits ideologisch gefärbt: "Schrumpfung". Die Bevölkerungszahl verändert sich. Mehr passiert nicht. Insgesamt haben wir auf der Welt eher mit Überbevölkerung zu kämpfen. In der Diskussion dieses Problems sind wir Deutschen doch unglaubwürdig, wenn wir zu Hause eine massive Geburtenankurbelungspolitik betreiben. Wenn ich heute einen Verein gründen wollte, dann als kinderreicher Vater den "Verein der Kinderlosen", um richtig aufzuräumen mit denen, die unentwegt über Kinderlose herfallen.
FRAGE: Herr Müller, diese Gesellschaft altert, das steht fest. Nehmen wir einmal rein hypothetisch an, daß dieses Faktum eine große Belastung für die Menschen sein wird. Ich habe den Eindruck, Sie sehen die ganze demographische Debatte nur als Mittel neoliberaler Politik.
ANTWORT: Müller: Ich folge schon Ihrer Hypothese nicht. Ist eine ältere Gesellschaft eine Belastung? Für wen? Die Demographie wird benutzt. Zum Beispiel von der Versicherungswirtschaft, um das Vertrauen in die gesetzliche Rente zu zerstören und so die Privatvorsorge zu fördern. An diesem Mißbrauch der demographischen Entwicklung beteiligen sich auch Wissenschaftler wie die Herren Rürup, Raffelhüschen und Sinn. Wenn es dieser Lobby gelänge, zehn Prozent der Beiträge im Umlageverfahren auf ihre Privatvorsorge-Modelle zu lenken, entspräche das einem Umsatzzuwachs von fünfzehn Milliarden Euro. Deshalb diskreditieren sie das Umlageverfahren. Dabei müßte man es erfinden, wenn es nicht schon existierte.
ANTWORT: Birg: Interessant, was Sie da sagen. Damit argumentieren Sie wie ein Superdemograph. Das Umlageverfahren funktioniert ja tatsächlich. Aber eben nur unter der entscheidenden Bedingung einer ausreichenden Geburtenrate. Bei der derzeitigen Rate ist das Umlageverfahren schlicht eine Katastrophe. Es könnte unsere Gesellschaft zerstören.
FRAGE: Das Argument von Herrn Müller war ja, daß wir von 53 Millionen arbeitsfähigen Menschen derzeit nur 26 Millionen in Lohn und Brot haben. Wenn Sie, Herr Birg, sagen, wir würden davon bis 2050 zehn Millionen durch Alterung verlieren, würden nach Herrn Müllers Rechnung immer noch sechzehn Millionen übrigbleiben, die man in Arbeit bringen könnte. Das hieße: mehr Beitragszahler.
ANTWORT: Birg: Da gebe ich Ihnen recht. Das Erwerbspotential zu erhöhen, indem wir Ältere reintegrieren oder Arbeitslose zu Beschäftigten machen, wäre enorm wichtig. Aber diese Hoffnung erinnert mich an die deutsche Propaganda im Zweiten Weltkrieg: an das Gerede über Wunderwaffen und den angeblich sicheren Endsieg. Die Integration eines Sechzig- bis Siebzigjährigen in den Arbeitsprozeß ist schwierig, sie setzt unter anderem Lohnkürzungen voraus. Das müßten die Tarifpartner erst einmal in die Tat umsetzen. Dabei nützen Arbeit und ein hohes Bruttoeinkommen wenig, wenn die demographisch bedingten Abzüge drastisch zunehmen. Im übrigen hörte die Schrumpfung auch nicht auf, wenn wir bis achtzig arbeiteten.
ANTWORT: Müller: Dann würde ich gerne einmal Ihre Wunderwaffe kennenlernen.
ANTWORT: Birg: Es gibt keine Wunder. ANTWORT:
ANTWORT:
ANTWORT: Wir haben einen ganz wichtigen Punkt erreicht. Es muß uns gelingen, diese große Hürde, die Herr Birg für unüberwindlich hält, im Bewußtsein der Menschen als eine Aufgabe zu verankern: daß ältere Menschen wieder in den Arbeitsprozeß integriert werden müssen.
ANTWORT: Birg: Da sich die demographischen Bedingungen nicht verbessern, sondern Jahr für Jahr verschlechtern, kann ich diesen Optimismus nicht verstehen.
ANTWORT: Müller: Die Bevölkerungswissenschaftler sollten sich nicht ständig überschätzen. Alle anderen Faktoren sind für das Wachstum um vieles wichtiger als die Bevölkerungsentwicklung.
ANTWORT: Birg: Wir müssen den Leuten aber sagen, daß wir es mit einem Dauerproblem zu tun haben und daß es uns enorm viel Geld kosten wird. Eigentlich gibt es für die demographische Frage keine Lösung.
Aber, Herr Birg, es muß doch eine Lösung geben.
ANTWORT: Birg: Es gibt Probleme mit und Probleme ohne Lösung. Wir sitzen in einer demographischen Falle, in der wir ein halbes Jahrhundert bleiben werden - mindestens.
FRAGE: Deshalb sagt doch auch Franz Müntefering: „Wer im Jahre 2016 noch an die Existenzsicherung der Rente glaubt, sollte lieber Lotto spielen.”
ANTWORT: Müller: Wer so etwas sagt, ist entweder dumm oder korrupt. In meinem Buch „Machtwahn” schildere ich ausführlich die Bemühungen, Teile der Sozialversicherungsbeiträge auf die Privatvorsorge umzulenken. Auch Herr Müntefering hat sich dafür einspannen lassen. Wieso meine eigene Partei diese Propaganda für Privatvorsorge mitträgt, verstehe ich nicht.
FRAGE: Vielleicht ist es ja keine Propaganda.
ANTWORT: Müller: Dann müßte man erklären können, wie die Privatvorsorge zur Lösung des demographischen Problems beitragen soll. Sie ändert nichts am Altenquotienten.
FRAGE: Haben sich Sozialdemokratie, Demographie, Statistisches Bundesamt und Public Relations miteinander verschworen?
ANTWORT: Müller: Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes stützen meine Analysen. Ansonsten ist die Realität viel schlimmer, als jeder Verschwörungstheoretiker sich das ausdenken kann.
ANTWORT: Birg: Jetzt dramatisieren aber Sie!
ANTWORT: Müller: Kein Insider würde bestreiten, was ich gerade gesagt habe.
ANTWORT: Birg: Wir müßten gemeinsam ein Demographie-Seminar durchführen, uns an den Computer setzen und den normalen Menschenverstand anwenden, dazu Mathematik und harte Daten, und ich bin mir sicher, wir würden uns einig - und zwar in meinem Sinne.
FRAGE: Es gibt ein ganz neues Phänomen, das die Gesellschaft stark verändern wird: Selbst die mehr oder minder konservative Klientel wankt. Wir bekommen Post von Lesern, die völlig verunsichert sind - über Hartz IV oder aus Sorge vor Altersarmut. Die individuelle Existenz wird dadurch umdefiniert, und diese Leute gehen jetzt in eine ganz andere politische Richtung. Das ist etwas, was wir bisher noch nicht erlebt haben.
ANTWORT: Birg: Für die Versicherungswirtschaft ist die Demographie eine Jahrhundertchance. Die bietet etwa das früher staatliche Gut „Sicherheit im Alter” jetzt privatwirtschaftlich an. Was bedeutet das? Man stelle sich vor, die Bundeswehr würde privatisiert! Irgendwo las ich, daß England in Afrika als Kapitalgesellschaften organisierte Kampfgruppen unterhält.
FRAGE: Jeder, mit dem Sie heute reden, hat das Grundgefühl, es gehe im Leben nicht mehr nach oben, sondern nur noch nach unten, er werde im Alter nicht mehr sicher sein.
ANTWORT: Müller: Ich wiederhole, daß diese Verunsicherung zum einen die Folge massiver Meinungsmache und zum anderen die Folge politischer Entscheidungen ist, die das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rente bewußt oder unbewußt zerstören. Wenn Herr Müntefering sagt, wer nicht privat vorsorgt, der müsse einen Abschlag von 3,6 Prozent hinnehmen für jedes Jahr, das er früher als mit 67 in Rente geht, dann verbreitet er Angst.
ANTWORT: Birg: Wer keine Kinder hat, dem muß doch niemand erklären, daß er später von anderen abhängig sein wird. Wenn die anderen auch keine Kinder haben, gibt es ein Problem.
ANTWORT: Müller: Die Politik könnte gegen diese Stimmungsmache angehen. Wenn die Politik wollte, könnte sie das Vertrauen in die gesetzliche Altersvorsorge wiederherstellen.
ANTWORT: Birg: Daß auf den Sommer der Herbst und nicht der Frühling folgt, läßt sich dadurch nicht ändern.
FRAGE: Ein Denkspiel: Nehmen wir an, wir hätten nicht die Wiedervereinigung gehabt. Und wir hätten das Geld, das wir dafür verwendet haben, zur Absicherung unserer Alterssituation zur Verfügung. Dann hätten wir das Problem doch nicht, oder?
ANTWORT: Birg: Wenn wir die Wiedervereinigung nicht gehabt, also die Wohlstandsmehrung einfach weiterbetrieben hätten, wäre die Geburtenrate heute vielleicht noch niedriger. Das ist ja der Witz: Die Opportunitätskosten von Kindern sind um so höher, je besser es uns geht: Eine Frau verzichtet auf das doppelte Lebenseinkommen, wenn sich das Pro-Kopf-Einkommen verdoppelt und sie sich für Kinder und gegen Erwerbsarbeit entscheidet.
ANTWORT: Müller: Und in Rußland ist die Geburtenrate so extrem niedrig, weil es den Russen so phantastisch gut geht? Das glauben Sie doch selbst nicht. Und für die sechziger Jahre wäre Ihre Theorie, die langfristig gelten mag, auch bei uns widerlegt. Da hatten wir in Deutschland als junge Paare die besten ökonomischen Bedingungen, ausgezeichnete Berufschancen und mit 2,51 auch die höchste Geburtenrate.
ANTWORT: Birg: Wir haben jetzt ein mehr als doppelt so hohes Pro-Kopf-Einkommen wie in den sechziger Jahren - und eine halb so hohe Geburtenrate. Herr Müller betreibt die von mir so genannte Gelegenheitsdemographie. Die verhält sich zur Fachdemographie wie Astrologie zur Astronomie: Die einen glauben, die anderen rechnen. Es läßt sich überprüfen, wessen Aussagen mit der Realität übereinstimmen.
ANTWORT: Müller: Mit Verlaub, ich möchte angesichts der Irrelevanz Ihres Faches nicht einmal Gelegenheitsdemograph sein.
FRAGE: Können wir überhaupt mit einer Gesellschaft in die Zukunft gehen, die im Bewußtsein lebt, die von Herrn Birg als dramatisch beschriebenen Probleme nicht lösen zu können? Müßte man dann nicht die nächsten zwei Generationen als „lost generations” bezeichnen?
ANTWORT: Müller: Wieso „lost generations”? So zu reden, halte ich für unverantwortlich. Ich würde meinen Kindern nicht zumuten wollen, daß sie einer Daueragitation ausgesetzt sind, die verkündet, wir hätten unlösbare Probleme.
FRAGE: Ich glaube auch, daß damit eine Psychologie in das Ganze hineinkommt, die erschreckend ist. Um noch einmal nachzufragen, Herr Birg: Sie sind der Meinung, es gebe keine Lösung?
ANTWORT: Birg: Seien wir realistisch. Die Dynamik des Arbeitsmarktes und die Forderung nach hoher Flexibilität und Mobilität erschweren oder verhindern langfristige Festlegungen im Lebenslauf durch Bindungen an Partner und durch Kinder. Meine biographische Theorie der Fertilität erklärt diesen Zusammenhang im Detail. Die Lebensläufe in modernen Konkurrenzgesellschaften sind zu Hindernisläufen denaturiert. Das beste, billigste und wirksamste Gegenmittel wäre folgende Neuerung: Eltern erhalten Priorität bei der Besetzung von Arbeitsplätzen bei gleicher Qualifikation der Bewerber. Das würde auch gut in das Antidiskriminierungsgesetz passen. Dadurch erreichten wir - zusammen mit anderen Maßnahmen - vielleicht bis 2060 eine stabile demographische Basis. Vor 2060 - also zu Lebzeiten der jetzigen Entscheidungsträger - gibt es diese Lösung nicht.
ANTWORT: Müller: Und was passierte dann? Kinder machen, oder was?
ANTWORT: Birg: Dann würden die Leute begreifen, daß man nur Früchte ernten kann, wenn man gesät hat. Sie würden mehr für Bildung ausgeben. Sie würden dafür sorgen, daß sie produktiv und leistungsfähig bleiben. Sie würden wissen, daß sie mit Dreißigjährigen in Asien konkurrieren, deren Lohnsatz fünfzigmal so niedrig ist wie der durchschnittliche deutsche Lohnsatz. Daraus würden sie ihre Schlüsse ziehen. Aber Sie, Herr Müller, schweigen ja lieber zu den Problemen oder behaupten, daß wir sie leicht lösen könnten. Und gleichzeitig diffamieren Sie Leute wie mich als Lügner.
ANTWORT: Müller: Nein, als Propagandisten. Aber danke für den Tip. Mein nächstes Buch muß „Die Demographielüge” heißen. Wohin die andauernde Verbreitung von Perspektivlosigkeit führt, ist ja schon zu erkennen: Die Leute flüchten in politische Enthaltung.
FRAGE: Wenn man sich die absoluten Zahlen anschaut, entspricht die Stimmenzahl der CDU bei der Bundestagswahl noch zwanzig oder 25 Prozent der Bevölkerung.
ANTWORT: Müller: Das ist wie 1980 bei der ersten Wahl von Ronald Reagan. Er wurde damals von 26 Prozent der Amerikaner gewählt. Ich bin zu sehr Demokrat, um das gut zu finden. Wenn die Politik will, daß die arbeitenden Menschen produktiver werden, dann muß sie den Leuten Mut machen und Selbstbewußtsein vermitteln. Die Demographen tun das Gegenteil.
FRAGE: Aber die gesamte demographische Diskussion ist doch ein Schlag ins Gesicht der politischen Klasse. Und sie ist ein Anlaß, um zu prüfen, ob die Politik noch einmal versagt: in der Frage der Bildungsanstrengungen, die jetzt das entscheidendste ist. Sie jedoch, Herr Birg, sagen, es helfe alles nichts, weil uns die Zahlen davonlaufen.
ANTWORT: Birg: Wenn heute zwei produktive Menschen einen älteren unterstützen müssen, dann werden es 2050 eben nicht mehr zwei sein, sondern einer. Das geht nur, wenn dieser eine mindstens doppelt so produktiv und bereit ist, über die soziale Umverteilung ein viel größeres Stück von seinem Einkommen an andere Menschen abzugeben als heute. Es müßte eine Solidaritätsexplosion stattfinden in diesem Land, von der das Christentum nicht einmal zu träumen wagte. Und ich vermute, daß das nicht passieren wird, weil die Leute durch Bücher, wie Herr Müller sie schreibt, gar nicht verstehen können, daß es keinen anderen Ausweg gibt.
ANTWORT: Müller: Meine Bücher sind voller Optimismus, auch weil ich auf solidarische Lösungen setze. Mit der Dramatisierung der Altenlast hingegen wird die jüngere Generation gegen die alte aufgehetzt.
ANTWORT: Birg: Durch Formeln wird niemand aufgehetzt. Wie die Politik verschließen Sie die Augen vor vier brisanten Themen. Zunächst vor dem Generationenkonflikt. Da bin ich Ihrer Meinung, Herr Müller: Hetzt die Generationen nicht gegeneinander auf. Aber das ändert nichts daran, daß jeder Euro entweder vom Großvater oder vom Enkel ausgegeben werden kann. Sie sagen, der Kuchen könne vergrößert werden, so daß Enkel und Großvater beide ein größeres Stück bekommen würen. Ich aber sage: Der größere Kuchen muß auch geteilt werden, und der Enkel oder der Erwerbstätige muß ein viel größeres Stück anderen zur Verfügung stellen als heute. Das schürt einen Interessenkonflikt.
ANTWORT: Müller: Und deshalb reden Sie dem Enkel ein, er stehe schlechter da?
ANTWORT: Birg: Nein, er wird sich fragen, warum er nicht das Doppelte bekommen soll, wenn er doch doppelt soviel Kuchen gebacken hat. Das müssen Sie ihm erklären. Und dabei wollen Sie nicht von Demographie reden? Das wird schwierig. Das zweite Problem, das die Politik ignoriert, ist das zwischen Ost und West. Die neuen Bundesländer werden von den ökonomisch stärkeren kolonisiert. Die besten Lehrlinge werden abgeworben und gehen in den Westen. Der Osten wird nicht nur nicht aufholen, er wird zurückfallen.
ANTWORT: Müller: Ja, aber das ist wieder nicht die Folge einer demographischen Entwicklung, sondern der wirtschaftlichen Perspektivlosigkeit.
ANTWORT: Birg: Es ist ein ökonomisches Problem mit demographischen Folgen, die wiederum ein ökonomisches Problem nach sich ziehen: eine Abwärtsspirale. Der dritte Punkt betrifft das Auseinanderdriften von gut ausgebildeten Deutschen und denjenigen der zugewanderten Bevölkerung, die quantitativ einen immer größeren Teil der Gesellschaft bilden, ohne die gleichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben, weil sie schlechter qualifiziert sind. Und das vierte Problem ist auch nicht von der Politik, sondern erst vom Bundesverfassungsgericht auf die Tagesordnung gesetzt worden: der Interessenkonflikt zwischen Menschen mit und ohne Kinder.
ANTWORT: Müller: Eine üble Agitation!
ANTWORT: Birg: Sie sehen die Richter als Agitatoren? Sagen Sie mir doch bitte, was an dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Pflegeversicherung falsch wäre.
ANTWORT: Müller: Es ist falsch, weil es alles vernachlässigt, was die Kinderlosen für den Nachwuchs der anderen leisten.
ANTWORT: Birg: Die Richter haben nur nüchtern festgestellt, daß die Kinderlosen durch die beitragszahlenden Nachkommen der Menschen mit Kindern im sozialen Sicherungssystem mitversorgt werden und daß das System zusammenbricht, wenn keine Beitragszahler nachwachsen.
ANTWORT: Müller: Auch Sie, Herr Birg, sind ein Agitator, wenn Sie behaupten, daß keine Beitragszahler mehr nachwüchsen.
FRAGE: Es geht doch eigentlich um Solidarität. Uns muß klar sein, daß der Kuchen, auch wenn er größer wird, anders verteilt wird als bisher. Zur Solidarität aber ist man doch erst bereit, wenn man die Zahlen kennt. Dazu brauchen wir Leute wie Herrn Birg, denn eine neue Politik bekommen wir nicht. Wie sieht es aus: Müssen wir uns auf eine Verelendung unserer Generation einrichten?
ANTWORT: Birg: Wir werden alles gleichzeitig haben: Verelendung, Dritte Welt in Deutschland und daneben einen obszönen Reichtum und Luxus. Die Gesellschaft wird sich spalten oder zerfallen. Es wird Menschen geben, die zwar im gleichen Land leben, aber nicht in der gleichen Welt. Aushalten wird man das nur, wenn man die Gründe versteht. Deshalb brauchen wir präzise Analysen.
ANTWORT: Müller: Ich teile diese pessimistische Perspektive nicht, zumal sie sich nur auf Übertreibungen stützt.
FRAGE: Sie fragen sich nie, Herr Müller, ob nicht doch Herr Birg und mit ihm die Vereinten Nationen und das Statistische Bundesamt recht haben könnten?
ANTWORT: Müller: Welche Aussage der Vereinten Nationen meinen Sie? Vom Statistischen Bundesamt kenne ich keine, die meine Position der Gelassenheit erschüttern könnte. Im übrigen bin ich dafür, die vorhandenen Optionen zum Besseren zu nutzen, um zum Beispiel die Betreuung von Kindern und die berufliche Perspektive der Eltern zu verbessern.
FRAGE: Was empfehlen Sie den Leuten, Herr Müller?
ANTWORT: Müller: Ich empfehle den Leuten, die gängigen Parolen kritisch zu bewerten. Es muß wieder ein mitdenkendes Potential entstehen, das die Politik zwingt, die richtigen Wege einzuschlagen.
ANTWORT: Birg: Einverstanden. Ich halte viele Vorträge zum Thema Demographie. Aufklärung macht meiner Erfahrung nach nicht mutlos. Im Gegenteil: Die Leute sind hellwach und begierig, Schlüsse daraus zu ziehen. Aufklärung kann nicht falsch sein. Wenn Aufklärung falsch ist, ist alles andere auch falsch.
ANTWORT: Müller: Ich halte Ihre Prognosen ja auch weiterhin für falsch.
ANTWORT: Birg: Eine Fehlerrate von einem Promille sollte Sie nachdenklich machen.
ANTWORT: Müller: Die Selbstüberschätzung der Demographen kennt keine Grenzen.
Das Gespräch führten Frank Schirrmacher und Andreas Platthaus.
Text: F.A.Z., 28.08.2006, Nr. 199 / Seite 32
MfG
kiiwii
Die Wahrheit liegt in unserem fettgefressenen,konsumsüchtigen Egoismus
indem keiner mehr auf irgendwas verzichten will
Ein Blick auf die Scheidungsraten bestätigt dies
beim kleinsten Gegenwind wird das Handtuch geworfen
Wer das mal kapiert hat der setzt zumindestens in Deutschland keine Kinder mehr in die Welt!
Wieso sollten mehr Kinder unsere Probleme lösen? Kein Mensch macht sich anscheinend darüber Gedanken, daß eine Großzahl dieser `Mehr´-Kinder überhaupt nichts zur Problemlösung beiträgt, sondern selbst während der gesamten Lebenszeit am Tropf des Sozialstaats hängen würde. Künftige Arbeitslose tragen eben nichts zum Sozialprodukt bei. Das größte Problem unseres Gemeinwesens sind die Arbeitsplätze, die nach wie vor laufend in sehr großer Zahl abgebaut werden. Und diese Arbeitsplätze werden auch nicht zurückkehren, weil
- ein Bürokratiebabbau in Deutschland dauerhaft eine schlichte Illusion bleiben wird
- andere Gesellschaften mittlerweile in der Lage sind, mindestens gleichwertige
Leistungen im Ingenieurswesen oder in den gesamten Naturwissenschaften hervorzubringen
- weil es noch genügend Nationen gibt, die auch die heutigen Billiglohnländer noch nach
unten toppen können.
Arbeitsplätze werden in Deutschland nur gehalten oder aufgebaut werden können, wenn sich das Lohnniveau wieder deutlich nach unten bewegt. Gut verdienen und gleichzeitig chinesische Waren kaufen ist auf Dauer halt volkswirtschaftlich nicht durchzuhalten.
Aber egal, ob keine Arbeitsplätze, oder schlecht bezahlte: Unser bisheriger Lebensstil (der gesamten Gesellschaft) wird sich künftig nicht aufrecht erhalten lassen. Um eine gute medizische Versorgung sicherzustellen, muß eine Gesellschaft eben eine entsprechende Leistung in der Weltwirtschaft bereitstellen. Und das Schlagwort von der Dienstleistungsgesellschaft kannst Du in den Gully kicken...es ist eben nichts gewonnen, wenn sich die Leute gegenseitig die Haare schneiden...oder sozialpsychiatrisch beraten...
Deutschland ist, im Sinne der gestellten Frage, meiner Ansicht nach nicht zu retten. Freut Euch, daß Ihr eine Zeit abbekommen habt, in der es sich in Deutschland sehr sehr
ordentlich leben läßt. Und das gilt für alle, egal ob Arbeiter, Rentner oder Hartz IV-Empfänger. Wir werden uns mittelfristig weder unser Gesundheitssystem, noch unsere Bildungs- und Sozialsysteme mehr leisten können, und diesen Trend werden wir meiner Meinung nach nicht mehr umkehren können.
Wie SPD-Müller den Birg von Zeile zu Zeile verbal zerlegt, ein Traum. Ich kann nur hoffen das Herr Birg seinen Lebensunterhalt nicht aus Steuergeldern bezieht, das wäre nämlich rausgeschmissenes Geld!
Zitat Birg:
ANTWORT: Müller: Und wir erreichen 2050 wieder die Bevölkerungszahl von 1950. Was ist daran schlimm?
ANTWORT: Birg: Schlimm ist, daß die Schrumpfung auch im 22. und 23. Jahrhundert weitergeht, wenn die Geburtenrate so bleibt, wie sie ist. Und selbst wenn sie anstiege, von jetzt 1,4 auf zwei Kinder pro Frau, dann schrumpften wir trotzdem noch bis 2060. Das ist das berühmte demographische Momentum, die Trägheit des Schrumpfungsprozesses, von dem sich Berater wie Sie keine Vorstellung machen, weil sie nichts von Demographie verstehen.
Birg ist doch völlig abgedreht &sollte zum Bleistift spitzen abkommandiert werden, - er windet sich unter Müllers Argumentationshagel & letzterer bleibt keine Antwort schuldig.
Beispiel gefällig?
FRAGE: Herr Müller, diese Gesellschaft altert, das steht fest. Nehmen wir einmal rein hypothetisch an, daß dieses Faktum eine große Belastung für die Menschen sein wird. Ich habe den Eindruck, Sie sehen die ganze demographische Debatte nur als Mittel neoliberaler Politik.
ANTWORT: Müller: Ich folge schon Ihrer Hypothese nicht. Ist eine ältere Gesellschaft eine Belastung? Für wen? Die Demographie wird benutzt. Zum Beispiel von der Versicherungswirtschaft, um das Vertrauen in die gesetzliche Rente zu zerstören und so die Privatvorsorge zu fördern. An diesem Mißbrauch der demographischen Entwicklung beteiligen sich auch Wissenschaftler wie die Herren Rürup, Raffelhüschen und Sinn. Wenn es dieser Lobby gelänge, zehn Prozent der Beiträge im Umlageverfahren auf ihre Privatvorsorge-Modelle zu lenken, entspräche das einem Umsatzzuwachs von fünfzehn Milliarden Euro. Deshalb diskreditieren sie das Umlageverfahren. Dabei müßte man es erfinden, wenn es nicht schon existierte.
Lest das bitte, das wird von Zeile zu Zeile lustiger!!
also wäre die logische schlußfolgerung das gesundschrumpfen der bevölkerungsanzahl, bei gleichzeitiger zuwanderungsbegrenzung.
ideal wäre doch eine bev.- zahl von ca. 25-30 mio für deutschland.
in norge, kanada und schweden läufts doch auch gut.
Gruß,
T.
hatten wir leider auch nicht. Das ging komplett in die Neuverschuldung.
Ich glaube momentan sind 1300 Milliarden.
Das wäre übrigens ein nicht zu unterschätzendes Problem bei 25-30 Mio Einwohner, von denen dann 50 % über 60 sind und die Erwerbstätigenquote bei etwa 5-10 Mio liegt.
Als Ideal kann man das nicht bezeichnen. Für den deutschen Staat wäre es beruhigend, dass er die Schulden im Gegensatz zu den USA bei den eigenen Bürgern hat.
Als Bürger mit privater Altersvorsorge kann man dann aber nicht mehr ruhig schlafen.
Im übrigen ist es wurscht, bei wem Du Schulden hast. Ob es für den Staat einfacher ist, den eigenen Bürgern zu sagen: "Okay, wir sind pleite, jetzt quoteln wir mal unsere Verbindlichkeiten" - dann wird es vermutlich einfacher sein, die Steuern soweit zu erhöhen, dass auch der letzte Rest Saft rausspritzt -, oder, siehe Argentinien, einfach dem Ausland zu sagen: "Jungs, tut uns leid, aber zurückzahlen ist nicht", das lassen wir mal dahingestellt sein. Vor allem das Beispiel USA überzeugt mich in dieser Hinsicht in keinster Weise. Wenn man auf einem anderen Feld genügend Potenz besitzt, bespw. militärisch - fällt es einem unter Umständen deutlich leichter, zu sagen: "Kiss my heini!". War ich verständlich genug?
Der deutsche Staat ist aber hauptsächlich bei seinen eigenen Bürgern verschuldet.
Aber die Aussage: Kiss my heini wird kommen, das ist sicher, auch vom deutschen Staat.
Zur Korrektur: Mit Schulden kann man keine Altersvorsorge betreiben.
Das Geld muss man zurückbezahlen oder über Inflation entwerten.
Und damit ist die Vorsorge wieder weg. Von daher war dein Gedanke nicht zielführend.
Viele die ich kenne auch in meinem Alter geht es ähnlich. Außerdem kann ich dir versprechen bevor ich nen Porsche kaufe, werde ich erst 2Xfacher Vater sein. Noch etwas wenn du mir und meiner Freudin eine Wohnung spendierst und die kosten für das Kind übernimmst, werde ich und meine Freudin ein Kind zeugen. Für Zeit und Verantwortung kann ich sorgen!
André