Gefolterter Häftling rief vergebens um Hilfe
SPIEGEL ONLINE - 15. November 2006, 18:47
URL: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,448761,00.html
MORD HINTER GITTERN
Gefolterter Häftling rief vergebens um Hilfe
Sie ließen ihn Urin trinken und vergewaltigten ihn - zwölf Stunden lang quälten drei Häftlinge einen Zellengenossen. Dann zwangen sie ihn, sich zu erhängen. Nur einmal unterbrachen sie die Folteraktion: Als Wärter die Zelle betraten. Der 20-Jährige hatte verzweifelt um Hilfe gerufen.
Bonn - Mit bloßen Händen, brutalen Faustschlägen und anderem Schlagwerkzeug, das ihnen in der Zelle der Justizvollzugsanstalt Siegburg zur Verfügung stand, prügelten die drei Häftlinge im Alter von 17, 19 und 20 Jahren am Samstagabend auf den wehrlosen Zellengenossen ein. Abwechselnd fielen sie über den 20-Jährigen her, vergewaltigten und missbrauchten ihn mehrere Male.
DPA
Die Justizvollzuganstalt in Siegburg: "Einen Menschen sterben sehen"
Sie zwangen ihn den Halter für die Toilettenbürste, in den sie uriniert und gespuckt hatten, leer zu trinken. Er musste sein eigenes Erbrochenes, eine Tube Zahnpasta und eine Mischung aus Wasser, Salz und scharfem Pulver runterwürgen; und mehrere Abschiedsbriefe schreiben.Schließlich versuchten die Täter drei- bis viermal, ihr Opfer mit Kabeln aufzuhängen - doch immer seien diese gerissen. Allein diese Brutalität dauerte insgesamt fast zwei Stunden.
Erst ein Strick aus Bettlakenstreifen hielt dem Gewicht des 20-Jährigen stand. Damit zwangen die drei Männer ihr Opfer auf einen Eimer vor der Toilettentür und legten ihm die Schlinge um den Hals. Als der 20-Jährige bereits an der Tür hing, lösten sie nach eineinhalb Minuten noch einmal den Strang und schlugen den Mithäftling ein letztes Mal zu Bewusstsein. Als sie ihn ein zweites Mal ins Leben zurückprügeln wollten, war der junge Häftling bereits tot.
Zwölf Stunden habe der abartige Gewaltakt gedauert, erklärte Oberstaatsanwalt Fred Apostel. Der grausame Tathergang konnte so detailliert rekonstruiert werden, weil die drei Männer "weitgehende Geständnisse" ablegten. Zum Motiv habe einer der Beschuldigten gesagt, sie hätten "einen Menschen sterben sehen" wollen.
Gefängniswärter sahen nach dem Rechten
Immer wieder soll sich der Gequälte gewehrt haben - vergebens. Nur einmal gelang es ihm, den Alarmknopf in der Zelle zu drücken, der das Aufsichtspersonal alarmiert. Die drei Täter beteuerten jedoch über die Gegensprechanlage, man sei versehentlich auf den Schalter gekommen. Kein Wärter überzeugte sich selbst, ob jemand in Gefahr war.
Erst als sich andere Häftlinge über Lärm aus der Zelle beschwerten, betraten zwei Aufseher die Vier-Mann-Zelle - Verdacht schöpften sie nicht. Der misshandelte Häftling habe im Bett gelegen - offensichtlich "schon derart misshandelt, dass er nicht mehr zu irgendwelchen rationalen Handlungen fähig war", so der Oberstaatsanwalt. Seine brutalen Mitgefangenen erklärten den Wärtern, sie hätten Möbel verrückt, deshalb sei es so laut gewesen.
"So viel Brutalität habe ich noch nicht erlebt", sagte Apostel. Besonders erschütternd sei, dass sich der Mord in einem Gefängnis abgespielt habe. Schließlich seien die Häftlinge dort dem Schutz des Staates unterstellt. "So etwas darf eigentlich nicht vorkommen."
Dass dies alles zunächst unbemerkt blieb, liege jedoch auch daran, dass die Tat am Samstag begangen wurde, als das Personal in der Justizvollzugsanstalt wegen des Wochenendes reduziert war. "Ob sie hätten sensibler handeln müssen, das habe ich nicht zu beurteilen", sagte Apostel. Es sei aber erschütternd, dass sich so etwas in einem Gefängnis zugetragen habe, da die Häftlinge ja dem Schutz des Staates unterstellt seien. Nach derzeitigem Ermittlungsstand werde gegen keinen der Wärter ein Verfahren wegen Vernachlässigung der Aufsichtspflicht eingeleitet.
Die Staatsanwaltschaft Bonn geht davon aus, dass die Mitgefangenen bereits am Mittag den Entschluss fassten, ihren Zellengenossen zu töten und seinen Tod als Suizid zu inszenieren.
Das Opfer war am 12. November kurz nach sechs Uhr morgens vom Gefängnispersonal im abgeteilten Toilettentrakt einer Gemeinschaftszelle entdeckt worden. Zuerst gingen die Wachmänner davon aus, dass sich der 20-Jährige selbst das Leben nahm. Die Obduktion bestätigte den Verdacht, dass der junge Mann Opfer eines Gewaltverbrechens geworden war.
Der 20-Jährige sollte bis zum 23. März eine sechsmonatige Jugendstrafe wegen Diebstahls mit Waffen absitzen. Vor dem Antritt der Haftstrafe hatte er Drogen konsumiert. Wegen seiner Entzugsprobleme hatten die Verantwortlichen des Gefängnisses entschieden, ihn in eine Gemeinschaftszelle zu verlegen. Dort stünde er unter permanenter Beobachtung, so die JVA. Am 10. Oktober zog er in den Gemeinschaftshaftraum um.
Gemeinschaftsunterbringung als lebensrettende Maßnahme
Der Bund der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands (BSBD) verteidigte die Unterbringung junger Häftlinge in einer Gemeinschaftszelle. Völlig falsch wäre es, Gefangene nur in Einzelzellen unterzubringen, sagt Friedhelm Sanker vom NRW-Landesverband des BSBD. "Die Gemeinschaftsunterbringung hat schon Hunderten von Menschen das Leben gerettet." In der Nacht seien die Räume abgeschlossen und würden nicht kontrolliert.
Insofern sei es grundsätzlich möglich, dass dort ein Häftling von den anderen getötet werde. "Ich selbst hätte aber bis gestern Nachmittag noch gesagt, das gibt's gar nicht. Im Erwachsenenvollzug ist so was ja schon vorgekommen, aber im Jugendvollzug habe ich so was in 38 Jahren noch nicht erlebt."
Die nordrhein-westfälische Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter äußerte sich bisher bestürzt über den Fall. "Den Angehörigen des Getöteten gehört mein Mitgefühl", hatte die Ministerin in Düsseldorf gesagt. Über Konsequenzen oder Versäumnisse hüllte sich die Politikerin in Schweigen.
jjc/dpa/AP
Traurig...... Schade um den Kerl der so sterben musste, egal was er vorher angestellt hatte. Ein grausamer Tod, den niemand so verdient hat....
Außer vielleicht seine Peiniger.... Auge um Auge, Z u Z.... Stand das so in der Bibel oder im Koran...?
Gruß DB
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Das Bessere ist des Guten Feind!!
Gruß DB
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GEFÄNGNIS-MORD
Ministerin gibt Justizpanne zu
Nach dem Folter-Mord im Siegburger Gefängnis geraten jetzt auch die Wächter ins Visier der Staatsanwälte. Sie sollen die unfassbare, stundenlange Misshandlung des Häftlings nicht bemerkt haben. Nordrhein-Westfalens Justizministerin Müller-Piepenkötter spricht von einer "Justizpanne".
Düsseldorf - "Es handelt sich um den tragischen Tod eines jungen Menschen, den wir im Vollzug hätten verhindern müssen. Leider ist uns das nicht gelungen", sagte Roswitha Müller-Piepenkötter und kündigte Ermittlungen in ihrem Ministerium und gegen Bedienstete der Haftanstalt an: "Wir werden feststellen müssen, wie es dazu kam, dass Bedienstete von den Gefangenen so perfide haben getäuscht werden können, dass sie das nicht entdeckt haben", sagte die Ministerin.
Nach Angaben von Müller-Piepenkötter werden die Haftbedingungen an Wochenenden überprüft. Über Konsequenzen werde sie nach einer genaueren Überprüfung entscheiden. Zudem seien alle Gefängnisse im Land sensibilisiert worden, an Wochenenden besonders wachsam zu sein.
Die Oppositionsparteien im nordrhein-westfälischen Landtag hatten heute den leitenden Oberstaatsanwalt Fred Apostel scharf kritisiert - er hatte gestern erklärt, gegen keinen der Strafvollzugsbediensteten werde ein Verfahren wegen Vernachlässigung der Aufsichtspflicht eingeleitet. "Es ist kaum nachvollziehbar, dass 24 Stunden nach einer solchen Tat die Staatsanwaltschaft schon weiß, dass dem Personal eigentlich keine Straftat nachzuweisen ist", sagte SPD-Fraktionsvize Ralf Jäger bei einer Sitzung des Landtags-Rechtsausschusses in Düsseldorf.
Die Staatsanwaltschaft Bonn wies die Kritik zurück. Man habe lediglich noch "keine ausreichenden, tatsächlichen Anhaltspunkte, um ein Ermittlungsverfahren einzuleiten", sagte Staatsanwältin Monika Nostadt-Ziegenberg SPIEGEL ONLINE. "Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir doch ermitteln. Wir prüfen das noch." Aus diesem Grund seien bei der Pressekonferenz auch keine Mitarbeiter der JVA Siegburg anwesend gewesen. "Sie kommen durchaus als Beschuldigte in Frage. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren."Bis gestern habe es noch nicht genug Anhaltspunkte gegeben, "dass nicht nur disziplinarrechtlich Vorwürfe gemacht werden können, sondern auch Straftaten vorliegen".
Die stundenlangen Folterungen der Gefängnisinsassen waren laut Staatsanwaltschaft vom Anstaltpersonal nicht bemerkt worden. Auch ein Versuch des Opfers, mittels eines Alarmknopfes auf sich aufmerksam zu machen, sei fehlgeschlagen. In einem Zeitraum von bis zu zwei Stunden hätten die Täter insgesamt vier Tötungsversuche unternommen und ihren Mitgefangenen schließlich mit Bettlakenstreifen stranguliert und damit getötet.
jjc/AP/ddp
Pfui Teufel!
Wenn ich Du wär, würde ich ARIVA um Löschung des Postings bitten, denn das ist wirklich peinlich.
"Nur einmal gelang es ihm, den Alarmknopf in der Zelle zu drücken, der das Aufsichtspersonal alarmiert. Die drei Täter beteuerten jedoch über die Gegensprechanlage, man sei versehentlich auf den Schalter gekommen. Kein Wärter überzeugte sich selbst, ob jemand in Gefahr war."
-> geht's eigentlich noch!?
und dann noch:
"Erst als sich andere Häftlinge über Lärm aus der Zelle beschwerten, betraten zwei Aufseher die Vier-Mann-Zelle - Verdacht schöpften sie nicht."
-> kein verdacht!? auch nicht nach dem alarm in genau dieser zelle!? ich sage mal: die hatten keinen bock und wollten wieder zurück zu ihrem kartenspiel oder sonstwas. die gehören aus meiner sicht sofort statt des toten 20-jährigen dort in die zelle (m.M.)...
Wieso regt Dich das auf?
Wenn es um die SPD geht, bist du ja auch nicht ziemperlich.
Immer wieder soll sich der Gequälte gewehrt haben - vergebens. Nur einmal gelang es ihm, den Alarmknopf in der Zelle zu drücken, der das Aufsichtspersonal alarmiert. Die drei Täter beteuerten jedoch über die Gegensprechanlage, man sei versehentlich auf den Schalter gekommen. Kein Wärter überzeugte sich selbst, ob jemand in Gefahr war.
Erst als sich andere Häftlinge über Lärm aus der Zelle beschwerten, betraten zwei Aufseher die Vier-Mann-Zelle - Verdacht schöpften sie nicht. Der misshandelte Häftling habe im Bett gelegen - offensichtlich "schon derart misshandelt, dass er nicht mehr zu irgendwelchen rationalen Handlungen fähig war", so der Oberstaatsanwalt. Seine brutalen Mitgefangenen erklärten den Wärtern, sie hätten Möbel verrückt, deshalb sei es so laut gewesen.
Gruß
Talisker
Aber ich will ja gar nix entschuldigen, nur an "boy who cried wolf" erinnern.
Heute morgen sind 2 Lastwagen frontal irgendwo zusammengestossen (war im Radio) wegen Sekundenschlaf.
Transrapid.
JVA Siegburg.
Es gibt nun einmal Berufe, in denen Gewöhnung für einen selber oder andere tödlich enden kann. Das muss man wissen und dagegen kann man systematisch (also nicht nur die Mitarbeiter) auch etwas machen.