GAZPROM: Unzerstörbarer Koloss


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Neuester Beitrag: 07.03.02 08:22
Eröffnet am:07.03.02 08:22von: taosAnzahl Beiträge:1
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07.03.02 08:22



Eine überraschende Meldung schreckte heute morgen die internationalen Rohstoffmärkte auf: Obwohl in den vergangenen beiden Jahren Milliardengewinne verbucht wurden (9 Milliarden Dollar im Jahr 2000, geschätzte 3 Milliarden in 2001), steckt der russische Industriekoloss Gazprom in ernsten Finanznöten. Die hohen Investitionen der vergangenen Jahre und milliardenschwere Korruptionsaffären haben den Schuldenberg des Konzerns auf 13 Milliarden Dollar anwachsen lassen. Damit ist Gazprom überschuldet und auf westliche Kreditgeber angewiesen. Allein im laufenden Jahr muss das Management 5,8 Milliarden Dollar auftreiben, um Kurzfrist-Kredite abzulösen.
Allen Unkenrufen zum Trotz ist ein Untergang des Konzerns jedoch praktisch undenkbar. Gazprom steht für ein Viertel der weltweiten Gasgewinnung, seine 300.000 Angestellten produzieren 8 Prozent des russischen Bruttoinlandsprodukts und sichern dem Staat, der 38 Prozent an dem Mega-Konglomerat hält, sage und schreibe 25 Prozent aller Steuereinnahmen. Einige westliche Kredite an Moskau sind über Gaslieferverträge abgesichert. Hinzu kommt, dass die Verträge für die Gasversorgung der EU von essentieller Bedeutung sind. Ein Auseinanderbrechen von Gazprom hätte also gewaltige makroökonomische Konsequezen.

Eine mögliche Rettungsvariante wäre eine Kapitalerhöhung, die ausländischen Konzernen höhere Beteiligungsquoten an Gazprom bescheren würde. Auch neue Darlehen von Instituten wie der Osteuropabank (EBRD) wären denkbar.

Das Hauptproblem sind die staatlich festgelegten Gaspreise auf dem russischen Markt, die deutlich unter Gazproms Produktionskosten liegen. Im laufenden Jahr will die Regierung die Preise um 20 Prozent anheben. Das ist nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, sind die Preise in den letzten acht Jahren doch um 68 Prozent gesunken. Die Flucht in den Export ist auch nicht der Weisheit letzter Schluss, da die Liberalisierung des europäischen Gasmarktes auch Gazproms Exportpreise mittelfristig unter Druck setzen wird.

Die wahren Hintergründe der momentanen Krise liegen freilich woanders. Was in den 90er Jahren in dem Gaskonzern ablief, spottet jeder Beschreibung. Unter der Führung des Sowjetfunktionärs Rem Wjachirew, der von 1992 bis 2000 den Vorstandsvorsitz innehatte, versickerten jedes Jahr bis zu drei Milliarden Dollar in undurchsichtigen Kanälen. Wjachirew und seine Manager-Clique durchzogen Gazprom mit korrupten Seilschaften und bauten ein global verzweigtes Netz von Scheinfirmen auf, in dessen Untiefen die Milliarden inklusive zahlloser wertvoller Assets verschwanden. Nicht selten verbargen sich Familienangehörige und enge Weggefährten von Gazprom-Managern hinter den Scheinfirmen. Im Sommer 2000 machte Präsident Putin dem unsäglichen Treiben ein Ende, indem er Wjachirew durch seinen engen Vertrauten Alexej Miller ersetzte. Wjachirew wurde aber nicht etwa gefeuert, sondern auf den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden abgeschoben, von wo aus er Miller bei dessen Aufräumarbeiten "kontrollieren" soll.

Fazit: Solange bei Gazprom nicht das Prinzip des Corporate Governance Einzug erhält und die Schuldenkrise sowie die Strukturprobleme bewältigt sind, gehört die Aktie nicht in die Depots von Kleinanlegern. Wer dennoch in Gazprom investiert hat, sitzt heute auf satten Gewinnen, weil die Aktie allen Widrigkeiten zum Trotz auf Vierjahreshoch notiert - ein guter Ausstiegszeitpunkt.
 

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