@Eichi: Nimm den Helm ab!
Felix Hasler
Hirnforscher haben Techniken entwickelt, die Menschen Gott spüren lassen – und selbst Atheisten kommen ins Schwärmen. Schwachsinn? Es ist ein Helm, der schmerzlos zu dieser übermenschlichen Erfahrung führt. Und zu der Frage: Kommt nach dem iPod der iGod?
Machen wir es kurz: Gott sitzt in den Schläfenlappen. Und wenn diese im elektrischen Gewitter eines epileptischen Anfalls wild herumzuckeln, haben Menschen ihre religiösen Visionen und mystischen Erfahrungen. Derart Erleuchtete gründen dann im schlimmsten Fall eine Religion, die sie mit heiligem Eifer verteidigen. Etwa so sieht es zumindest der kanadische Neuropsychologe Michael Persinger von der Laurentian University in Ontario. Und seine Annahme, dass es sich bei religiös-mystischem Erleben um nichts anderes als «selbstinduzierte, kontrollierte Formen epileptischer Mikroanfälle in den Schläfenlappen» handelt, will er durch eigene experimentelle Daten belegt sehen.
Höhere Wirklichkeit für alle
Schon seit langem untersucht der Hirnforscher die Auswirkungen schwacher, aber komplex variierter Magnetfelder auf das Gehirn und damit auf die innere Erfahrungswelt des Menschen. Zwecks gezielter Manipulation des Denkorgans werden den Versuchspersonen Magnetspulen direkt auf dem Schädel positioniert. Alex Thomas, ein Mitarbeiter Persingers, war es, der auf dem Computer das entscheidende Muster elektromagnetischer Pulse für den grossen mystischen Durchbruch programmiert hatte. Werden die Versuchspersonen im schallisolierten Raum mit verbundenen Augen lange genug dem «Thomas-Puls» ausgesetzt, geschieht bei über achtzig Prozent der Probanden Erstaunliches. Sie erleben ein intensives Präsenzgefühl: Irgendjemand oder irgendetwas Machtvolles befindet sich mit ihnen im gleichen Raum. Je nach religiöser Überzeugung und kulturellem Hintergrund berichten die Versuchspersonen von einer «höheren Wirklichkeit» oder gar der expliziten Gegenwart von Jesus, Mohammed oder Buddha. Diese Erfahrungen werden mit tiefen, ja heiligen Gefühlen gemacht. Auch Skeptiker und Atheisten haben nach der Persinger-Behandlung solch ungewöhnliche Entgrenzungserlebnisse, vergleichen diese aber eher, so sich Entsprechendes in der persönlichen Biografie findet, mit psychedelischen Drogentrips.
Und wie eine halluzinogene Drogenreise kann auch das elektromagnetische Zappen der Schläfenlappen übel ausgehen. Anstelle harmonisierend wirkender Engelsvisionen gibt sich dann der Leibhaftige die Ehre und zeigt seine dämonische Fratze. Vielleicht bekommt man es aber auch plötzlich mit seelenlosen Mutanten zu tun. Ein fünfundzwanzigjähriger Mann schildert seinen Bad Trip in Persingers Kellerlabor: «Ich sah einen schwarzen Fleck, der zu einer Art Trichter wurde. Ich fühlte, wie ich mich bewegte, als ob ich vorwärts durchgezogen würde. Ich begann die Anwesenheit von Personen zu spüren, aber ich konnte sie nicht sehen; sie befanden sich zu meinen Seiten. Es waren farblose, grau aussehende Wesen. Ich wusste, dass ich in der Kammer war, aber es war sehr real. Plötzlich empfand ich starke Angst und fühlte mich eiskalt.»
Nietzsche, Göttliches, Mausklick
Persingers Experimentierraum im Untergeschoss der Universität ist der Alptraum jedes Innenarchitekten. Die paar herumstehenden Möbel wirken wie frisch vom Sperrmüll, und die veralteten Computer würde auch bei Ebay keiner wollen. Allzu deutlich ist dem abgewetzten Stuhl im fensterlosen «Himmel und Hölle»-Raum C002B des Institutskellers anzusehen, dass darauf in den letzten zwanzig Jahren über tausend Versuchspersonen mit Magnetspulen auf höhere spirituelle Ebenen katapultiert wurden. Auf den ersten Blick ganz unscheinbar auch das alles entscheidende Equipment: Der ominöse «Koren-Helm» – ein umgebauter Siebziger-Jahre-Motorradhelm – sieht aus wie die noch nicht ganz beendete Bastelarbeit aus dem Freizeitkeller eines Hobbyelektronikers. Umso eindrücklicher, dass sich in diesem so ganz und gar unesoterischen Umfeld das «Göttliche» offensichtlich per Mausklick erleben lässt.
Es ist unschwer nachzuvollziehen, dass sich der Neuropsychologe Persinger zu Beginn seiner biotheologischen Untersuchungen regelmässig mit Aufmärschen fundamental christlicher Gruppen konfrontiert sah, die gegen die «dämonischen Experimente» protestierten. Tatsächlich hält der bekennende Atheist Gott für ein Artefakt des Gehirns beziehungsweise gar für ein «kognitives Virus». Persinger liefert gewissermassen eine modernisierte, neurobiologische Sichtweise der Deutung Sigmund Freuds, dass Religiosität eine «universelle Zwangsneurose» darstelle – gemäss dem Übervater der Psychoanalyse nicht mehr als ein Verharren in einer unreifen kindlichen Erwartungshaltung gegenüber einem übermächtigen Wesen. Religion als Bewältigungsstrategie, um mit dem Ausgeliefertsein in einer sinnlos erlebten Welt und der Unabwendbarkeit der eigenen Sterblichkeit zugange zu kommen. Biotheologe Persinger ist überzeugt, dass Gott reine Nervensache ist und nur aufgrund spezifischer neuronaler Abläufe im Gehirn entsteht. Er versucht mit Physik zu erreichen, wozu Nietzsche noch die Philosophie bemühte: Gott zu töten.
Dass er damit genauso wenig Erfolg haben wird, ist so gut wie sicher. Der gegenwärtige Boom immer neuer charismatischer und pfingstkirchlicher Gruppierungen vor allem in Afrika und Lateinamerika ist seit Jahren ungebrochen. Hat nicht erst diesen Sommer ein einigermassen überraschtes Fernsehpublikum anlässlich des Confederations-Cup-Finals mitverfolgen können, dass die halbe brasilianische Fussball-Nationalmannschaft unter dem grün-gelben Trikot auch noch ein «Jesus liebt dich»-T-Shirt trug? Selbst an der Biennale in Venedig kam es zu einer eindrücklichen Machtdemonstration christlicher Kreise. Der massive Protest empörter Katholiken hat zum vorzeitigen Absetzen des Videofreskos «Homo sapiens sapiens» der Schweizer Künstlerin Pipilotti Rist geführt. Ihre freizügige (und adamlose) Version des himmlischen Paradieses, grossflächig projiziert auf das Deckengewölbe der Barockkirche San Staë, hatte die religiösen Gefühle zu vieler verletzt. Auch in den USA – evangelikal bis ganz zuoberst im Weissen Haus – entstehen unaufhaltsam neue Freikirchen und einflussreiche «faith based movements». Letztere haben in einigen US-Bundesstaaten bereits durchgesetzt, dass an den Schulen der Kreationismus – also die Schöpfungslehre der Welt gemäss dem alttestamentarischen Buch Genesis – gleichberechtigt neben der Evolution zu lehren sei.
Mehr Existenz erfahren
Persingers neuropsychologische Experimente bauen auf den Beobachtungen aus der Neurologie auf, dass Epilepsiepatienten, bei denen die Anfälle begrenzt in umschriebenen Arealen der Schläfenlappen ablaufen, von mystischen Erlebnissen während des neuronalen Ausnahmezustands berichten: Nicht ohne Grund wird diese Epilepsieform auch als «ekstatische Epilepsie» bezeichnet. Alle Dinge scheinen belebt und mit Bedeutung erfüllt. Ein Zustand völliger Klarheit und vollkommener Erleuchtung. Selbst mit lebhaftesten Visionen à la Jeanne d’Arc («in Flammen stehen»), mit dem Erscheinen von Engeln und dem Vernehmen von Stimmen sieht sich diese Patientengruppe konfrontiert. Als «heilige Krankheit» göttlichen Ursprungs wurde die Epilepsie bereits von den Menschen der Antike gesehen. Wer ausser Gott sollte einen erwachsenen Mann wie vom Blitz getroffen aus dem Stand werfen können und ihn völlig ausser Kontrolle um sich schlagen lassen? ›››
Auch einige religiöse Prominenz der Kirchengeschichte steht unter dem dringenden Verdacht, ihre göttlichen Visionen im Neuronengewitter epileptischer Anfälle halluziniert zu haben: Johanna von Orléans, Apostel Paulus oder die heilige Teresa von Avila. Dazu gibt es wichtige Hinweise aus den Biografien, gesicherte postume Diagnosen sind aufgrund der lückenhaften Datenlage selbstverständlich nicht zu stellen. Gut möglich, dass Apostel Paulus die Epilepsie meinte, wenn er von seinem «Pfahl im Fleisch» redete, an dem er leide. Seine Beschreibung der Begegnung mit dem auferstandenen Christus vor Damaskus mit Lichterscheinungen und dem Vernehmen der Stimme Jesu gäbe ein geradezu klassisches Beispiel für einen Schläfenlappen-Anfall, sind doch sensorische Störungen wie Lichteindrücke und akustische Halluzinationen typisch für diese Epilepsieform.
Zweifellos gehört die Gotteserfahrung in einem epileptischen Anfall zu den existenziellsten Erfahrungen, die ein Mensch machen kann. Der russische Schriftsteller Fjodor Dostojewski, selbst nachgewiesenermassen Schläfenlappen-Epileptiker, lässt uns durch eine seiner Romanfiguren an einem solchen Anfall teilhaben: «Die Luft ist erfüllt mit grossem Lärm und ich dachte, ich würde verschlungen. Ich habe wahrhaftig Gott berührt. Er kam in mich, mich selbst hinein; ja, Gott existiert, schrie ich und ich erinnere mich an gar nichts anderes. All ihr gesunden Leute könnt euch das Glück nicht vorstellen, das wir Epileptiker in der Sekunde vor dem Anfall erleben. Ich weiss nicht ob diese Glückseligkeit Sekunden, Stunden oder Monate dauert, aber glaube mir, nicht für alle Freuden, die das Leben bringt, würde ich diese eintauschen.»
Auf rekordverdächtige mehrere hundert Visionen in über fünfundzwanzig Jahren brachte es Ellen Gould White, die Stifterin der Adventisten vom Siebenten Tag. Nach Meinung eines renommierten Neurologen zeigte auch sie typische Anzeichen von Schläfenlappen-Epilepsie. Fernab von himmlischer Eingebung könnten die direkten Auswirkungen eines dieser Epilepsiesymptome, das manische Schreiben (Hypergrafie), den Adventisten-Katechismus mit den fast fünfzig Bände umfassenden Originalschriften Whites verursacht haben.
Und immer wieder Schläfenlappen
Auch Starneurologe Vilayanur Ramachandran, Professor für Psychologie und Neurowissenschaften an der University of California, San Diego, hat die neuronale Grundlage für religiöse Erfahrungen aufgrund eigener Untersuchungen in den Schläfenlappen geortet. Seine Forschungsergebnisse legen ebenfalls nahe, dass religiöse Erfahrungen von der Aktivität der Schläfenlappen abhängen. Die Tatsache, dass dieses Hirngebiet auch für die Sprachwahrnehmung von Bedeutung ist, könnte zudem mit erklären, weshalb ein häufiges Element religiöser Visionen auftritt: das Hören der Stimme Gottes. Gerade im Zustand reduzierter äusserer Reizeinflüsse – was man in Meditationsübungen oder im Gebet üblicherweise anstrebt – wird eine folgenschwere Fehlinterpretation des Gehirns wahrscheinlich: Der innere gedankliche Dialog, den wir fortwährend mit uns selbst führen, kann plötzlich als von aussen kommende Stimme erlebt werden. Das Hirn täuscht sich bei der Lokalisation der Sprachquelle. Dies allerdings rückt das visionäre Vernehmen göttlicher Botschaften in gefährliche Nähe zu den Psychosen, sind doch gerade akustische Halluzinationen ein zentrales Charakteristikum von Schizophrenien. Ob ein mit göttlichen Botschaften Erleuchteter nun als auserwählter Prophet verehrt oder psychiatrisch mit Neuroleptika behandelt wird, dürfte weitgehend von den soziokulturellen Begleitumständen abhängen. Tatsächlich ist das Auftreten religiöser Wahnvorstellungen einer der häufigsten Gründe für die Einweisung in eine psychiatrische Klinik.
«Neurobiologen schieben betende Nonnen in den Kernspintomographen», resümierte Die Zeit in einem kürzlich erschienenen Artikel über die neurowissenschaftliche Untersuchung von Glaubensphänomenen. Und spielte damit auf die Bildgebungsstudie des amerikanischen Radiologen und Dozenten für Religionswissenschaft Andrew Newberg an, eines weiteren Hauptvertreters der noch jungen Forschungsdisziplin Neurotheologie. Newberg hat an der University of Pennsylvania mit einer radioaktiven Markierungssubstanz und einem speziellen Computertomografen die neurophysiologischen Auswirkungen zweier traditionsreicher spiritueller Praktiken auf die Hirnaktivität sichtbar gemacht. Und ist dabei auf interessante Befunde gestossen. Sowohl bei meditierenden tibetanischen Buddhisten im Zustand des «Einsseins mit dem Kosmos» wie auch bei tief im Gebet versunkenen Franziskanernonnen ging die Durchblutung des Scheitellappens drastisch zurück. Ein Hirnareal, das sonst unentwegt rattert, verstummt in der Stille der Versenkung. Dies ist insofern bedeutsam, als sich in diesem Hirngebiet auch das Orientierungsareal befindet, also jene Nervenzellverbände, die normalerweise Informationen über Zeitabläufe und räumliche Orientierung verarbeiten.
Gibt es ein «Gott-Modul»?
Aus Untersuchungen mit Hirnverletzten ist seit langem bekannt, dass eine Verletzung des oberen Teils des Scheitellappens die Fähigkeit stört, sich im Raum zu orientieren oder Distanzen richtig abzuschätzen. Aufgrund der Reizblockade im oberen Teil des Scheitellappens wäre es somit durchaus erklärbar, dass sich das subjektive Erleben bei der spirituellen Versenkung gänzlich in der Raum- und Zeitlosigkeit verliert. Derartige Transzendenzzustände sind denn auch in fast allen Religionen bekannt und werden als Zen, Nirwana, Brahman-Atman oder in der christlichen Tradition des ekstatisch-visionären Schauens als Unio mystica bezeichnet. Immer meint dabei der spirituell Entgrenzte, die Unendlichkeit in Erhabenheit zu berühren. Franziskanerschwester Celeste, eine der Versuchsteilnehmerinnen in Newbergs Studie, erklärte dem Nachrichtenmagazin Newsweek, was sie während ihres dreiviertelstündigen Gebets vor der Tomografiemessung empfand: «Ich fühlte Einkehr, Frieden, Offenheit zur Erfahrung. Da war eine Bewusstheit und eine Empfindsamkeit für die Anwesenheit Gottes um mich herum. Und ein Gefühl der Zentriertheit, der Ruhe, des Nichts; aber auch Momente der Fülle der Anwesenheit Gottes. Gott hat mein Sein durchdrungen.» Da buddhistische Meditationsmeister und Franziskanernonnen gemäss der Newberg-Studie in hirnphysiologisch vergleichbaren Endzuständen landen, scheint es für das Hirn also keinen Unterschied zu machen, woran wir glauben.
Gibt es also ein «Gott-Modul», eine Art religiösen Schaltkreis im Hirn? Ist Gott womöglich nur ein ganz spezifischer, klar umschreibbarer neuronaler Zustand? Ein Hirngespinst? «Müssen» wir quasi glauben, allein aufgrund der Art und Weise, wie unser Gehirn funktioniert? Und wenn ja, könnte man die zugrunde liegenden Neuronenschaltungen gezielt beeinflussen, zum Beispiel mit Medikamenten? Wird ein eingeschüchterter Staat vielleicht einmal in zwanzig Jahren aus Gründen nationaler Sicherheit bei gewaltbereiten Fundamentalisten eine präventive «Gottektomie» anordnen?
Unbestreitbar und gerade in Zeiten des globalen fundamental-islamistischen Terrors leidvoll zu erfahren ist der Zusammenhang zwischen Glauben und Gewalt. In einem seiner provokanten Aufsätze, veröffentlicht im Stan-dardwerk «Neurotheologie: Gehirn, Wissenschaft, Spiritualität und religiöse Erfahrung» von Rhawn Joseph, erläutert Michael Persinger eindrücklich die möglichen Folgen religiöser Überzeugung: «Etwa sieben Prozent der für die Psychologieklasse eingeschriebenen erstsemestrigen Universitätsstudenten bejahten in einer Umfrage die Aussage ‹Wenn Gott es mir befähle, würde ich in seinem Namen töten›.» Gemäss Persinger stieg der Anteil der zur äussersten Gewaltanwendung bereiten Männer auf fünfundzwanzig Prozent unter denen, die regelmässig eine Kirche, Synagoge, Moschee oder eine andere religiöse Institution besuchen. Und eigene religiöse Grenzerfahrungen scheinen die Gläubigen weiter zu radikalisieren: «Etwa fünfzig Prozent der Männer, die oft eine Kirche besuchten, die von religiösen Erfahrungen berichteten und die Anzeichen einer erhöhten Schläfenlappen-Aktivität zeigten, gaben an, sie würden im Namen Gottes töten.»
Es liegt in unserer biologischen Natur, dass alle unsere Fähigkeiten, vom banalen Besorgen einer Busfahrkarte bis hin zu leidenschaftlichster Liebe, an bestimmte Hirnzustände, die «neuronalen Korrelate des Bewusstseins», gebunden sind. Oder um es mit dem Bewusstseinsphilosophen und Forscher auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz, Marvin Minsky, zu sagen: «Mind is what the brain does.» Diese griffige Formel bringt die aktuell konkurrenzlos vorherrschende biologistische Reduktion des erstmals von Descartes formulierten Leib-Seele-Problems auf den Punkt: Die Seele ist weg, was bleibt, ist der Leib. Es ist also wenig erstaunlich, dass auch Glaube, Religiosität und mystisches Erleben in dieser Weltsicht auf neuronale Bewusstseinsentsprechungen zurückgeführt werden. Allein die Tatsache, dass spirituelle Erfahrungen durch alle Zeiten und Kulturen sehr ähnlich sind, spricht für eine prinzipielle Beteiligung funktioneller Strukturen des Gehirns.
Was war zuerst: das Gehirn oder ER?
Auch Neurotheologe Newberg ist sich völlig im Klaren darüber, dass sich mit Hirnexperimenten Gott weder beweisen noch falsifizieren lässt. Sein einleuchtender kulinarischer Vergleich: Der Verzehr eines Apfelstrudels erzeuge gewisse geistige Phänomene – beispielsweise beim Genuss der eingestreuten Rosinen – die mit spezifischen Hirnvorgängen einhergehen, die für Neurologen beobachtbar seien («This is your brain on apple-pie»). Aber dass es bestimmte Hirnvorgänge gebe, bedeute natürlich nicht, dass der Apfelstrudel ein Hirngespinst sei. (Um noch ein wenig spitzfindig zu werden: Wir können auch die reale Existenz des Apfelstrudels nicht mit letzter Sicherheit beweisen.)
Die grösste aller grossen Fragen, nämlich, ob es Gott gibt oder nicht, werden auch biotheologische Studien nicht beantworten können. Ob Gott unser Gehirn – und damit auch die Fähigkeit, ihn zu erkennen – erschaffen hat oder ob unser Gehirn erst Gott schafft, ist und bleibt Glaubenssache. Man landet bei der ontologischen Gretchenfrage nach der wahren oder illusionären Natur Gottes einmal mehr in der Sackgasse – immerhin zeitgemäss mit Hightech-Methoden der Hirnforschung. Und auch der sich aufgeklärt gebende Atheist glaubt ja schliesslich nur, dass es keinen Gott gibt.
Eine häufig geäusserte Grundsatzkritik an den biotheologischen Studien ist auch, dass sie ausser Acht lassen, dass Religiosität in erster Linie ein komplexes soziokulturelles Phänomen sei. Schliesslich hätten nur die allerwenigsten Gläubigen in ihrem Leben jemals eine echte spirituelle Grenzerfahrung. Erleben und Verhalten der unerleuchteten Mehrzahl der Gläubigen zu untersuchen, sei somit wohl eher Sache von Soziologen und Psychologen denn erkenntnisversprechender Gegenstand der Neurobiologie.
Es ist eine ökonomische Erfahrungstatsache, dass alles, was technisch realisierbar ist und mit Hinblick auf einen potenziellen Markt als wirtschaftlich sinnvoll erscheint, irgendwann auch vermarktet wird. In einer hochtechnisierten Welt, in der jedermann auf seiner ganz privaten Sinnsuche oder auch nur individualhedonistischen Spassmission ist, liefert Persingers Magnetspulenhelm zur Erzeugung spiritueller Erfahrungen die technischen Voraussetzungen für einen völlig neuen Markt. Instant-Mystik, wie sie bis anhin allenfalls illegal mit nebenwirkungsreichen psychedelischen Pilzomeletten oder LSD zu erzielen war, könnte schon bald in konsumentenfreundlicher Ausführung und durchgestyltem Design daherkommen.
Man mag sich iGod vorstellen, ein mattgraues Chromstahl-Gimmick mit weissen Bügeln und einem diskreten digitalen Drehrad. Durch sanfte Manipulation an diesem «blessing wheel» könnte dereinst die Intensität der religiösen Erfahrung nach Wunsch reguliert werden. Vorerst müsste noch beträchtliche Entwicklungsarbeit in die Miniaturisierung der Persingerschen Versuchsanordnung investiert werden. Und auch in der Ästhetikevolution vom schmuddeligen Motorradhelm mit Spulen hin zum trendigen Designerstück müssten noch ein paar Verbesserungen vollzogen werden. Doch spricht nichts Prinzipielles gegen die Vorstellung, dereinst in der Unterhaltungselektronik-Abteilung von Media-Markt eine Godbox vorfinden zu können. Möglicher Werbeslogan: «In die Kirche? Ich bin doch nicht blöd!»
Zukunftsmusik: iGod
Prototypen dieser Technologie mit Zukunftspotenzial sind schon heute auf dem Internet zu kaufen. Sie machen noch einen reichlich selbstgebastelten Eindruck. Das Topmodell von Shakti Spiritual Technology kostet 220 Dollar, läuft unter Windows und benutzt die Soundkarte des Computers zur Erzeugung der Magnetfelder für die spirituelle Schläfenlappen-Massage. Soll gemäss Website «Ausserkörpererfahrungen, Klarträume, Telepathie und Glückszustände» bewirken und auch die Meditation vereinfachen.
Wäre es nicht denkbar, dass die neue Technologie dereinst den Kern einer modernen Religion des 21. Jahrhunderts bilden könnte? Das ultimative Wir-Gefühl in der global vernetzten Kirchengemeinde durch kollektives Zappen der Schläfenlappen? Das Anstreben einer gemeinsamen Transzendenzerfahrung als religiöses Ritual hat schliesslich eine uralte Tradition. Bis in die heutige Zeit verwenden indigene Kulturen in Lateinamerika psychoaktive Pflanzen von Meskalin bis Ayahuasca als psychedelischen Treibstoff für die Reise in die nächste Dimension. Gut vorstellbar, dass sich in einer Art Hightech-Sekte iGod zur IT-Version bewusstseinsverändernder Sakralpraktiken entwickeln könnte.
Eine solche Zukunftsvision wäre auch mit den futuristischen Szenarien der berühmtesten Neurowissenschaftlerin Grossbritanniens, Baroness Susan Greenfield, zu vereinbaren. Die Leiterin des interdisziplinären Centre for Science of the Mind untersucht auch den Einfluss des Glaubens auf das Gehirn. In ihrem jüngsten Buch «Tomorrow’s People» spekuliert die geadelte Pharmakologie-Professorin darüber, wie fundamental die Technologien des 21. Jahrhunderts Denken, Fühlen und Handeln des Menschen verändern könnten. Sie entwickelt darin das Szenario einer Gesellschaft, die sich in einem Zustand permanenter selbstgewählter Realitätsmanipulation und Reizüberflutung befindet. Sie prophezeit eine bunte Welt voll von virtuellen Helfern, digitalen Knechten, Lifestyledrogen und Designermolekülen für Glück und Sex. «Augmented reality» und «virtual reality» könnten für uns schon bald attraktiver als die profane Alltagsrealität werden, weil sich die künstlichen IT-Welten besser nach unseren eigenen Bedürfnissen erschaffen und gestalten lassen. Greenfield ist sich sicher: «Das menschliche Gehirn ist keine unantastbare Grösse mehr. Wir halten den Schlüssel zur Veränderung des Bewusstseins, zur Erosion des Individuums in der Hand.»
Ganz unabhängig von der zukünftigen Entwicklung und Kommerzialisierung von Erleuchtungsmaschinen für den Hausgebrauch lässt sich aus den neurotheologischen Untersuchungen bereits heute Bedeutsames ableiten. Was Religionswissenschaftler schon seit Jahrhunderten in der Philosophia perennis diskutieren, nämlich dass ein gemeinsamer und im Wesen gleicher Kern absoluter Wahrheit in allen Religionen stecke, erfährt gerade eine moderne neurobiologische Umdeutung. Vielleicht ähneln sich die spirituellen Erfahrungen der Menschen durch alle Kulturen gar nicht deshalb, weil sie auf denselben Gott oder eine universell gültige Wahrheit hindeuten, sondern ganz einfach, weil die Gehirne der Menschen gleich funktionieren. Ob Schläfenlappenzappen, Drogentrip, Meditation oder epileptischer Anfall – auf den nicht vorgesehenen Ausnahmezustand kann das Gehirn nur mit ganz beschränkten Erfahrungsmöglichkeiten reagieren. Und seit Jahrtausenden eine der beliebtesten scheint die Halluzination einer höheren spirituellen Wahrheit zu sein.
Felix Hasler ist Neuropharmakologe und Forschungsassistent an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich.
Brain, Science, Spirituality, Religious Experience: R. Joseph, Andrew Newberg, Matthew Alper, William James, Friedrich Nietzsche, Eugene G. D’Aquili, Michael Persinger, Carol Albright. University Press, 2003
Why God won’t go away: Brain science and the biology of belief by Andrew Newberg, Eugene G. D’Aquili, Vince Rause. Ballantine Books, 2002.
Tomorrow’s People: How 21st-century technology is changing the way we think and feel: Susan Greenfield. Gardners Books, 2004.
"Machen wir es kurz: Gott sitzt in den Schläfenlappen."
Der größte Schwachsinn, den ich je gelesen habe.
"Das ultimative Wir-Gefühl in der global vernetzten Kirchengemeinde durch kollektives Zappen der Schläfenlappen? "
Das Wir-Gefühl ist ein Gefühl das aus dem Herzen kommt, und nicht aus dem Denker im Kopf. Diese ganze Apparatur ist für solche, die nicht mit sich selbst klar kommen, keine eigenen Gefühle entwickeln können bzw sie sich selbst permanent unterdrücken.
Kurzum, das vergessene und verlorene soll mit Technik wieder reanimiert werden.
greetz bammie
*ggg*
Ja, mit dem Wort "Gott" wird allerlei Mißbrauch und Unfug betrieben. Um den Vollkommenen zu erreichen oder zu erkennen, braucht man keine technischen Hilfsmittel. Wir brauchen lediglich einen kompetenten Meister, der die bewußte Verbindung (Tonstrom, vgl. das Wort Gottes) herstellt, mehr nicht.
Die anderen Methoden sind Verbindungen durch die Mentalebene (Gedankenwelt) in's duale Jenseits.
Genauso ist der allgemeine Mensch in der Realität. Astral-bunt mit dem Religions-Fisch in der Hand und denkt, er ist fromm. (Wir spielen alle unsere Rolle auf der Bühne des Lebens und das Stück ist bereits geschrieben).
Das Bewusstsein des Menschen (mit seiner Unvollkommenheit in der Dualität) ist so programmiert, daß er die Allwissenheit innerhalb der Allmächtigkeit nicht nachvollziehen kann.
Bitte um Gnade!
...geschlossenen Systeme, aber daraus abzuleiten, dass grundsätzlich irgendwelche anderen Entitäten für das eigene Handeln verantwortlich sind, ist relativ schwachsinnig. Schätze, Du musst in Deinem Leben schon einiges verbockt haben, dass Du Angst vor eigenständigem Denken und Handeln hast und die Verantwortung und Schuld bei anderen suchst. Naja - Dein Problem, nicht meins.
Ich finde mein Gottesbild irgendwie, naja, erwachsener. Egal. Viel Spass noch in Deinem Theaterstück.
greetz bammie
@Eichi: Hab' mir keine Mühe gegeben, copy & paste...
Als ich den Text gelesen habe, erschien mir dein Bild mit Helm vor dem 3ten Auge und ich musste es posten (die Stimmen haben es befohlen und mit Analprojektion gedroht).
Also nix für ungut...
* * *
Das bei dir ein "spiritueller Draht" vorhanden ist @Sahne, wusste ich schon immer!
MfG
Stelle ihm doch einmal diese Frage :) Ich wäre überaus gespannt, was er dazu antworten würde.
Ich hab noch viel mehr Fragen, ich könnte herausfinden, ob er wahrhaftig ein Gottmensch ist :)
greetz bammie
Eine indische Gurusekte aus der hinduist. Tradition des Sant Mat. Die Mitglieder müssen ein spirituelles Tagebuch führen, in dem jeden Tag das Leben nach den Geboten der Sekte abgerechnet wird. Aller zwei Monate wird es zum Guru zur Auswertung geschickt. Die Mitglieder werden zu finanziellen Spenden für die „Aufgaben" des Guru und zur Arbeitsleistung „im Werk des Meisters" angehalten. Berüchtigt wurde die Sekte u.a. durch die an Kindesmisshandlung grenzende Form der „Baby-Meditationen", bei dem schon kleinste Kinder längere Zeit mit verbundenen Augen und zugestöpseltem Ohr zur Meditation gezwungen wurden, um das „Innere Licht" zu sehen. Weitere Vorwürfe gegen den Guru betreffen sexuellen Missbrauch von Anhängerinnen und gewaltsame Exorzismen (in einem Fall mit Todesfolge).
Nach noch unbestätigten Informationen soll Sant Thakar Singh am 5.3.05 im Alter von 75 Jahren gestorben sein. Seine Nachfolge soll Sant Baljit Singh angetreten haben.
andere Namen, nahestehende Organisationen:
- Kirpal Ruhani Satsang
- Naam-Verlag
- Surat Shabd Yoga Meditation
- Lichtheim-Kindergärten
- Holosophische Gesellschaft
Verbreitung: Weltweit, in Deutschland nach eigenen Angaben ca. 25 000 Anhänger. In Sachsen gibt es in Leipzig, Chemnitz und Dresden jeweils eine Gruppe.
Weiter Informationen:
Selbstdarstellung: Santmat.net
kritische Informationen:
- Bistum Fulda
- Senat Berlin (Punkt 7.3.3)
- AGPF
- Relinfo-CH
- Helmut Zenz (sehr ausführlich)
Zitat: "Indische Meister neigen wie abendländische göttliche Autoritäten dazu, Kritik am Meister als Gotteslästerung zu deuten. Unter diesen Umständen wandelt sich totale Hingabe fast zwangsläufig in totalitäre Hörigkeit." Hört, hört!
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Diese Gurus oder Meister projezieren ihre eigenen Wege und Ansichten auf den Schüler. Das ist falsch. Jeder hat seinen eigenen individuellen Weg. Kinder sind im Grunde genommen reine Wesen, weil sie reines und offenen Herzens selbst sind. Um zu wissen wo der Schüler selbst steht, spiegelt ein echter Gottmensch dessen Weg und kann dem Schüler aufzeigen, was für seine weitere Entwicklung sinnvoll wäre. Und nicht andersherum.
Das ist eben immer das Problem diverser Gurus. Oft sind sie in Wahrheit nur die Hälfte. Mit anderen Worten, nur das untere Dreieck des Davidsterns. Dieser ist nicht vollkommen, denn nur wer den kompletten Schlüssel des Davidsterns kennt und inneträgt, ist das Fleischgewordene Wort. Dieser ist der Geist der Wahrheit Selbst.
Man kann nicht einen Ast des Baumes des Lebens eines einzelnen abbrechen, um diesen an die Wurzeln, den Ursprung zu legen. Jeder muss seinen eigenen Weg gehen, indem man ihm aufzeigt, welches Blatt auf welchem Ast der einzelne gerade ist.
greetz bammie
Der kompetente Meister (Gottmensch) wird nach der Initiation n i c h t mehr gebraucht. "Er ist eine Lerche, die ein goldenes Ei legt, ein Ei, das wie reines Gold glänzt, womit das Licht von Naam oder dem Wort gemeint ist, das jedem einzelnen bei der Initiation gegeben wird." Es heisst: Solche Meisterseelen sind in der Tat eins mit Gott, kommen aber auf Sein Geheiß in die materielle Welt, um Seinen göttlichen Plan zu erfüllen. Aus Barmherzgkeit hat Gott für die Heimkehr der weltmüden, hungernden und dürstenden Seelen, die nach der Wiedervereinigung mit dem Geliebten verlangen, Vorsorge zu treffen.
Maulana Rumi sagt: "Beurteile einen Gottmenschen nie von der Ebene des Menschen aus; denn er ist viel mehr, als er zu sein scheint."
Er ist der König der Spiritualität, und wir, die wir uns wie Insekten im Morast der Welt bewegen, können ihn und seine Größe nicht erkennen. MfG
"Wer die Mutter erkannt hat, erkennt auch ihre Gottessöhne. "
Es gibt nur Eine universale Erkenntnis.
greetz bammie
Das ist wieder das gleiche was viele andere sogenannte Meister und Gurus schon propagieren. Der Suchende muss sich jemandem unterwerfen und wird abhängig durch seine Lehren. Die Welt braucht keine neue Lehren, davon hat sie genug.
"Wer Licht/Ton und/oder Gott spürt, aber sich selbst nicht erkennt, der verfehlt auch sich selbst"
Gnothi Seauton ist die essentielle Essenz vom Sinn des Daseins. Frei und völlig unabhängig. Diese Wandlung ist der Schlüssel und das Fundament für alle weiteren Wege. Desweiteren muss man sich nicht der Extremmeditation aussetzen. Der mittlere Pfad ist der richtige Weg, frei von jeglichen Übertreibungen. Denn diese führen nur zum kompletten Rückzug aus der physischen Welt oder entgegengesetzt der spirituellen Welt, welches nicht sinnvoll wäre.
greetz bammie