Eichel: Stabilitätspakt wird auch 2005 gebrochen!
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Eröffnet am: | 02.12.03 19:58 | von: GelberLord | Anzahl Beiträge: | 3 |
Neuester Beitrag: | 04.12.03 09:07 | von: Bankerslast | Leser gesamt: | 1.051 |
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Eichel glaubt nicht an sein Sparversprechen
Deutschland wird aller Voraussicht nach auch 2005 gegen die Regeln des Stabilitätspakts verstoßen und damit sein Sparversprechen an die Euro-Partner brechen. Dies geht aus einem Bericht des Finanzministers an die EU-Kommission hervor.
Von Ulrich Schäfer
(SZ vom 3.12.03) — In einem Bericht an die EU-Kommission warnt Finanzminister Hans Eichel vor einer möglichen "Dehnung beim Abbau des Staatsdefizits". Demnach ist die Schuldengrenze nur einzuhalten, wenn die Wirtschaft 2004 und 2005 weitaus stärker wächst, als dies in den letzten zehn Jahren üblich war.
Eine schwächere Konjunkturentwicklung würde "unmittelbar auf die Defizite durchschlagen", heißt es in dem der Süddeutschen Zeitung vorliegenden Bericht.
In dem 52-seitigen so genannten Stabilitätsprogramm, über welches das Bundeskabinett am heutigen Mittwoch in Berlin beraten wird, beschreibt die Regierung die aktuelle Haushaltslage in Deutschland. Zudem gibt sie einen Ausblick, wie sich die Staatsfinanzen in den nächsten vier Jahren entwickeln werden. Der Bericht gehört zu den Regularien, die der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt für alle Mitgliedsstaaten der Währungsunion vorsieht.
Bedingungen
Finanzminister Eichel nennt in dem Papier zahlreiche Bedingungen, damit Bund, Länder, Gemeinden und Sozialkassen 2005 wieder unter der Drei-Prozent-Schuldengrenze gelangen.
Entscheidend ist demnach, dass sämtliche Reformen der Regierung ohne Verzögerung und größere Abstriche umgesetzt werden, die Sozialkassen ihr Minus abbauen und die Konjunktur sich zudem überaus positiv entwickelt. Die Regierung unterstellt im nächsten Jahr ein Wachstum von eineinhalb bis zwei Prozent, in den Jahren bis 2007 dann von 2,25 Prozent. Zugleich räumt sie in dem Bericht aber ein, dass die deutsche Wirtschaft im Durchschnitt der letzten Jahre nur um 1,5 Prozent gewachsen ist.
Haushalt ist "unter Stress"
Sollte sich diese optimistische Prognose bewahrheiten, dann würde das staatliche Defizit im nächsten Jahr auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sinken, und 2005 dann 2,5 Prozent betragen – so wie von EU-Währungskommissar Pedro Solbes vergangene Woche gefordert. Wächst die Wirtschaft hingegen, wie die Regierung in einer alternativen "Sensitivitätsanalyse" vorrechnet, nur um ein halbes Prozent weniger, läge das Defizit auch im Jahr 2005 bei drei Prozent; selbst im Jahr 2007 würde das Minus immer noch bei 2,5 Prozent liegen. Deutschland würde also zum vierten Mal in Folge gegen die Stabilitätskriterien verstoßen. Ökonomen bezweifeln deshalb, dass Eichel sein Versprechen an die anderen EU-Staaten einhalten kann: Diese hatten das Defizitverfahren gegen Deutschland am Dienstag voriger Woche in einer dramatischen Nachtsitzung vorerst gestoppt, zugleich aber verlangt, dass Deutschland 2005 wieder unter die Drei-Prozent-Grenze gelange. Der deutsche Haushalt stehe, wie Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker betonte, "weiter unter Stress". Sollte die Regierung ihre Zusagen nicht einhalten, könne die Kommission das Strafverfahren jederzeit wieder aufnehmen.
Unsicheres Szenario
Die Regierung selbst räumt in ihrem Bericht an zahlreichen Stellen ein, wie unsicher ihr positives Szenario ist. So könnte das Wachstum im nächsten Jahr "unter ungünstigen binnen- und außenwirtschaftlichen Bedingungen auch niedriger ausfallen", als die offizielle Prognose vorgibt. Risiken drohen demnach durch einen Abschwung in den Vereinigten Staaten, aber auch "bei Verzögerungen und größeren Abstrichen bei den Reformvorhaben der Bundesregierung".Auch geht Berlin davon aus, dass die Krankenkassen ihre Etats im nächsten Jahr wieder ausgleichen werden – eine Entwicklung, die der Chef des AOK-Bundesverbands Hans Jürgen Ahrens erst vor wenigen Tagen als unrealistisch bezeichnet hatte: Es sei "illusorisch, von einem Jahr ohne Defizit auszugehen".
Wachsender Schuldenberg
Kein Rede ist in dem Stabilitätsprogramm mehr davon, in den nächsten Jahren einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Noch vor einem Jahr hatte Eichel nach Brüssel gemeldet, er werde dies 2006 schaffen. Dies ist nun in den Tableaus, welche die Regierung an die EU-Kommission schickt, nicht mehr enthalten. Selbst im positiven Wachstumsszenario läge das staatliche Minus im Jahr 2007 bei 1,5 Prozent. Würde man den Trend, den die Regierung beim Defizitabbau vorgibt, weiter fortschreiben, wär ein ausgeglichener Staatshaushalt frühestens am Ende dieses Jahrzehnts denkbar.
Scheitelpunkt 2005
Gleichzeitig wird der deutsche Schuldenberg in den nächsten Jahren weiter wachsen. So wird der Schuldenstand von Bund, Ländern und Gemeinden in diesem Jahr von 60,8 Prozent auf 64 Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt steigen, im nächsten Jahr dann auf 65 Prozent. Im Jahr 2005 werde, wie es im Stabilitätsprogramm heißt, "mit 65,5 Prozent der Scheitelpunkt der Entwicklung erreicht". Danach sinke die Quote langsam. Erlaubt ist dem Stabilitätspakt zufolge aber nur eine Gesamtschuldenstand von maximal 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/817/22795/