Die Verlierergeneration - das sind wir
Von Christoph Keese
Die heutigen Beitragszahler werden zu Gunsten einer Generation strapaziert, die längst überversorgt ist.
Reale Renditen der gesetzlichen Rentenversicherung
Im deutschen Rentensystem sind inzwischen nur noch drei Dinge sicher. Erstens: Die Beiträge steigen ständig weiter. Zweitens: Wer heute arbeitet, wird später von seiner Rente niemals leben können. Drittens: Eine ganze Generation von Rentnern ist überversorgt. In der politischen Debatte geht es zwar ständig um Gerechtigkeit. Gemeint ist damit aber nur die Gerechtigkeit zwischen Arm und Reich. Viel zu selten kommt die Gerechtigkeit zwischen Generationen zur Sprache. Bei der Rente kann davon nicht mehr die Rede sein: Die jungen Leute werden gezwungen, Geld zu null Rendite in die Rentenkasse zu pumpen, um die Versäumnisse ihrer Eltern zu finanzieren. Und die haben mit dem Geld ihrer Kinder ein so gutes Auskommen wie noch keine Generation vor ihnen.
Nach dem Willen der Koalition wird der Rentenbeitrag im nächsten Jahr wohl von 19,1 auf 19,5 Prozent des Gehalts steigen. Das ist schon die optimistische Variante. Eigentlich müsste er auf 19,8 oder 19,9 Prozent klettern. Nur mit Haushaltstricks kann die Regierung ihn drücken. Gleichzeitig steigt die Beitragsbemessungsgrenze von 4500 auf 5100 Euro. Es steigen also gleich beide Faktoren - die Ausgangsgröße und der Multiplikator.
Große Zusatzbelastung
Für Angestellte, die die Bemessungsgrenze erreichen oder mehr verdienen, bleiben im Jahr 810 Euro netto weniger übrig. Der Arbeitgeber zahlt noch einmal das Gleiche. Zwei Rechenbeispiele: Ein Konzern mit 10.000 Angestellten über der Bemessungsgrenze zahlt künftig allein für diese Führungskräfte 8,1 Mio. Euro mehr in die Rentenkasse ein. Eine Werbeagentur mit 30 Top-Verdienern und 300 normal entlohnten Angestellten muss zusätzlich rund 50.000 Euro entrichten. Gemeinsam mit seinem Arbeitgeber schickt jeder Gutverdiener nächstes Jahr ein Vermögen an die Rentenkasse. Der Gesamtbeitrag liegt 2003 bei 11.934 Euro. Rendite-Erwartung: im besten Fall null, wahrscheinlich sogar negativ. Wie dramatisch die Renten-Rendite der einzelnen Geburtsjahrgänge gesunken ist, zeigt die Grafik unten.
Auf der Empfängerseite stehen die heutigen Rentner. Gewinner sind natürlich nicht die Trümmerfrauen, Witwen und Weltkriegsveteranen, also die ersten zwei Geburtsjahrzehnte des 20. Jahrhunderts. Diese Menschen haben viel gelitten und viel verloren. Sie leben oft allein von der gesetzlichen Rente, die mager ausfällt und nur ein bescheidenes Auskommen sichert. Jeder, der heute arbeitet und Rentenbeiträge zahlt, wird freiwillig und gerne für ihren Unterhalt aufkommen.
Ganz anders stehen jedoch die Jahrgänge zwischen 1930 und 1945 da, die so genannte Goldene Generation. Auch diese Menschen mussten im Krieg leiden. Das bestreitet niemand. Später aber lebten sie unter außergewöhnlich glücklichen Umständen, nahmen sich enorme Privilegien heraus, belasteten den Staat mit exorbitanten Schulden und hinterließen ein Gemeinwesen, das in weiten Teilen ein Sanierungsfall ist.
Sie produzierten zwar ständiges Wirtschaftswachstum, lebten aber trotzdem über ihre Verhältnisse. Sie ignorierten das demografische Problem, verhinderten 20 oder 30 Jahre lang wichtige Reformen am Sozialstaat, ließen die Gesellschaft in Regeln erstarren und verabschiedeten sich oft frühzeitig auf Kosten ihrer Kinder in den Ruhestand. Obwohl das Rentenalter eigentlich 65 ist, liegt der Durchschnitt faktisch bei 60 Jahren.
Wenig Arbeit, goldener Ruhestand
Nie zuvor hat eine Generation so wenig gearbeitet wie diese - vom Studium bis zur Rente oft weniger als 30 Jahre, meistens zu mageren 35 oder 37 Stunden pro Woche, mit weltweit einmaligen sechs Wochen Urlaub im Jahr und absurd hohem Krankenstand. Die Nettobilanz dieser Generation ist noch nicht geschrieben, aber sie fällt vermutlich bescheiden aus. Sie hat dem Land unter dem Strich wenig hinterlassen. Das ist nicht als individueller Vorwurf gemeint. Viele Mitglieder der Generation haben Außergewöhnliches geleistet. Kollektiv aber hat sie die Kritik verdient.
Trotzdem genehmigte sich die Generation einen Ruhestand der Extraklasse. Die gesetzliche Rente ist für viele nur ein Trinkgeld. Am meisten bekommt sie aus den üppigen Betriebsrenten, die ihre Arbeitgeber heute in die Knie zwingen. Die Goldene Generation hat derart schamlos zugelangt, dass viele Firmen neuen Mitarbeitern mangels Masse keine Betriebsrente mehr zusprechen können. Damit nicht genug: Den Abschied in die Frührente versüßte zusätzlich das Arbeitsamt, die Staatskasse sprang ihm dabei zu Seite.
Um das alles zu finanzieren, werden die Jahrgänge nach 1945 wahrscheinlich bis 70 arbeiten müssen, danach eine Hunger-Rente bekommen, vielfach keine Betriebsrente haben und von ihren eigenen Ersparnissen leben. Der Vater hat die Kasse leer gemacht, für den Sohn ist nichts mehr da.
Gegen diesen Trend müssen die Jungen jetzt protestieren. Die Beiträge dürfen nicht steigen, sondern die Zahlungen an die Goldene Generation müssen sinken. Bis auf Härtefälle sollten Rentner Einbußen hinnehmen. Nur so bleibt den Jungen genug Geld für ihre eigene Altersversorgung. Wenn sie jetzt nicht auf sich selbst achten, stehen sie später ohne Mittel da.
© 2002 Financial Times Deutschland , © Illustration: FTD, Quelle: Dia 2001
Kommentar
Von Konrad Adam
Unterbezahlt, aber überversorgt heißt das knappe Urteil über die Bezüge, die einem Politiker für seinen Dienst an der Gemeinschaft zustehen. Die Einschätzung ist richtig, zumindest zur Hälfte. Dass ein Politiker in kurzer Zeit Versorgungsansprüche in einer Höhe erwirbt, die für gewöhnliche Bürger unerreichbar bleibt, ist ein Ärgernis. Zum Skandal wird die Sache dadurch, dass der Berufspolitiker für diese Vorzugsbehandlung keine eigenen Beiträge leisten muss. In dem Urteil, mit dem es seinerzeit die Abgeordnetendiäten der allgemeinen Steuerpflicht unterwarf, hat das Bundesverfassungsgericht nicht nur festgestellt, dass der Politiker einem Beruf wie jeder andere nachgeht. Es hat auch an die erzieherische Wirkung erinnert, die es hat, wenn die Politiker am eigene Leibe zu spüren bekommen, was sie mit ihren Steuergesetzen den Menschen im Lande zumuten.
Was für die Steuern gilt, kann bei den Beiträgen zur Rentenversicherung nicht falsch sein. Es wird höchste Zeit, den frivolen Stil, in dem die Volksvertreter dem Volk Lasten aufbürden, von denen sie selbst frei sind, dadurch zu beenden, dass man von ihnen Beiträge verlangt wie von jedem anderen auch.
Den Autor erreichen Sie unter: adam@welt.de
Um die Renten zu sichern, sollen die Deutschen länger arbeiten. Ginge es nach den Wirtschaftsverbänden und der Opposition, wäre die Rente mit 65 bald passé. Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt forderte eine Altersgrenze von 67 Jahren, FDP-Vize Rainer Brüderle sprach gar von der Rente ab 70.
REUTERS
Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt: Rente mit 67
Berlin - Ein Renteneinstieg mit 65 Jahren werde sich auf Dauer nicht halten lassen, sagte Hundt der "Bild"-Zeitung. Der Vorsitzende des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Ludwig Georg Braun, sprach sich dafür aus, das Renteneintrittsalter in einem ersten Schritt um zwei Jahre anzuheben. "Wichtig ist, zunächst das tatsächliche Renteneintrittsalter mittelfristig auf 67 Jahre zu erhöhen", sagte er dem Blatt. Der stellvertretende FDP-Chef Rainer Brüderle ging sogar noch weiter: "Wenn Rot-grün die Rentenversicherung weiter vor die Wand fährt, können die Menschen bald erst mit 70 in Rente gehen."
Eine rot-grüne Koalitionsrunde hatte in der vorigen Woche angesichts der angespannten Kassenlage in der Rentenversicherung eine Anhebung des Beitragssatzes auf 19,5 von 19,1 Prozent des Bruttoeinkommens vereinbart. Bei den Grünen hatte sich daraufhin Widerstand gegen das Vorhaben geregt.
Mehrere Grünen-Abgeordnete haben gedroht, der geplanten Beitragssatzsteigerung am Freitag im Bundestag die Zustimmung zu verweigern und damit die Koalitionsmehrheit zu gefährden. Sie fordern, auch die heutigen Rentner zu belasten. Das tatsächliche Renteneintrittsalter solle zudem angehoben werden, hatten einige gefordert. Die Rentenkassen würden bereits stark entlastet, wenn mehr Beschäftigte tatsächlich bis zum 65. Lebensjahr arbeiteten.
In dem koalitionsinternen Streit über die Lohnnebenkosten zeichnete sich eine Einigung ab. Nach Angaben der Grünen soll im Arbeitsauftrag für die geplante Reformkommission für Rente und Gesundheit das Ziel der Senkung der Sozialversicherungsbeiträge festgeschrieben werden.
Der Arbeitsauftrag sollte nach Angaben aus Regierungskreisen am heutigen Dienstag in den Fraktionssitzungen vorgestellt werden. Mehrere Grünen-Abgeordnete haben ihre Zustimmung zur Erhöhung des Rentenbeitrags am Freitag von einem solchen Schritt abhängig gemacht.
Ist schon länger her - war zu Helmut Kohls Zeiten.
Nett - nicht wahr?
Kolumne: Stunde der Wahrheit
Von Wolfgang Münchau
An diesem Freitag stehen die Abgeordneten der Grünen vor einer nur scheinbar schweren Wahl: Entweder sie folgen ihrem Gewissen, stimmen gegen die Erhöhung der Rentenbeiträge von 19,1 auf 19,5 Prozent und riskieren damit den Bruch der Koalition. Oder sie geben ihren Anspruch auf, eine Reformpartei zu sein.
Dieser Konflikt ist nur scheinbar, denn weder Bundeskanzler Gerhard Schröder noch die SPD werden diese Koalition scheitern lassen. Die Grünen sind in einer viel stärkeren Position, als sie glauben. Über die ökonomischen Konsequenzen dieser Beitragserhöhung braucht man nicht lange zu diskutieren. Wer in einem wirtschaftlichen Abschwung Abgaben und Steuern erhöht, begeht den schwersten aller Fehler in der Wirtschaftspolitik. Wenn die Koalition zustimmt, wird der Aufschwung länger auf sich warten lassen, die Finanzierungslücken beim Bund und bei den Sozialkassen werden im nächsten Jahr noch größer, und die Beiträge steigen erneut.
Die Grünen sollten sich nicht mit der Etablierung einer Kommission zur Reform der sozialen Sicherungssysteme zufrieden geben - auch nicht, wenn ein konkreter Auftrag für dieses Gremium zur Senkung der Lohnnebenkosten schriftlich festgelegt wird. Wer Abgaben kurzfristig erhöht, wird sie nicht langfristig senken. Der erste Schritt für eine langfristige Senkung der Lohnnebenkosten muss sein, eine kurzfristige Erhöhung zu vermeiden. Was die SPD anbietet, ist daher kein Kompromiss, nicht einmal ein fauler Kompromiss. Es ist das absehbare Ende aller Hoffnungen auf eine durchschlagende Reform. Deren Höhe - 41 Prozent der gesamten Lohnkosten - ist einer der Hauptursachen für die strukturelle Arbeitslosigkeit. Die Regierung hat schließlich auch die Vorschläge der Hartz-Kommission derart verwässert, dass kaum noch etwas davon übrig geblieben ist.
Glaubwürdigkeit in Gefahr
Wenn die Grünen den Beitragserhöhungen zustimmen, tragen sie ebenso wie die SPD die volle Verantwortung für die wirtschaftlichen Schäden. Der alte Trick, sich als Pro-Reformpartei in einer reformfeindlichen Regierung zu vermarkten, hat jetzt sein Ende gefunden.
Wenn die Grünen jetzt wieder einknicken, verlieren sie ihr wertvollstes Gut, ihre Glaubwürdigkeit. Dazu braucht man Mut, auch den Mut, Nein zu sagen. Den neuen Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Krista Sager und Katrin Göring-Eckardt, fehlt ebenso wie schon ihren Vorgänger der politische Killerinstinkt eines Franz Müntefering oder eines Peter Struck. Die SPD ist viel zielgerichteter, wenn es darum geht, ihre Interessen durchzusetzen.
Der Wahlerfolg des kleinen Koalitionspartners basierte vor allem darauf, dass viele Liberale und viele Unentschlossene Grün gewählt haben. Mit Außenminister Joschka Fischer als Spitzenkandidat sahen die Grünen moderner, seriöser und kompetenter aus als die FDP mit ihrem "Kanzlerkandidaten" Guido Westerwelle und seinem damaligen Vize Jürgen Möllemann. Natürlich haben die Grünen in den vergangenen vier Jahren relativ wenig an Liberalisierung in der Wirtschafts- und Sozialpolitik erreicht - anders als in der Gesellschaftspolitik. Trösten konnte man sich aber stets mit den ungünstigen Mehrheitsverhältnissen im Bundestag, denn in der vergangenen Legislaturperiode waren die Grünen in einer politisch schwachen Position: Schröder hätte, zumindest rechnerisch, auch mit der FDP koalieren können. Noch nie zuvor war ein "Juniorpartner" in einer Koalition politisch so verwundbar gewesen.
Politisches Kapital verschwendet
Zudem haben die Grünen den Fehler gemacht, ihr politisches Kapital in den vergangenen Jahren auf zwei Kernbereiche zu verschwenden: den Ausstieg aus der Kernenergie und die Einführung der Ökosteuer. Auch das war Klientelpolitik alten Musters. Was danach an liberaler Energie übrig blieb, hat am Ende nicht ausgereicht.
Jetzt ist die Lage anders. Heute haben die Grünen die Macht und die Gelegenheit, ihre Interessen und die Interessen ihrer Wähler durchzusetzen. Beim letzten Mal fehlte es ihnen vielleicht noch an Erfahrung, doch diese Entschuldigung zieht nicht mehr. Wenn die Grünen jetzt klein beigeben, legen sie den Grundstein für ihre politische Bedeutungslosigkeit. Damit öffnen sie den Weg für die FDP, mit einer neuen Mannschaft und besonnenen Tönen das verloren gegangene liberale Terrain wieder zu besetzen.
Noch nie hatten die Grünen eine so günstige Gelegenheit, den Koalitionspartner in seine Schranken zu weisen, eigene Inhalte durchzusetzen und gleichzeitig politisch verantwortlich zu handeln. Wenn sie nur wollten, könnten sie fast ihr gesamtes Parteiprogramm durchsetzen. Sie könnten ein Wendepapier verfassen, das eine Neuausrichtung der deutschen Wirtschafts- und Sozialpolitik fordert - ähnlich wie es Hans-Dietrich Genscher Anfang der 80er Jahre tat. Natürlich können die Grünen nicht, wie seinerzeit Genscher, einfach den Koalitionspartner wechseln. Dafür gibt es weder ein Mandat, noch die notwenigen Mehrheiten, auch nicht in zwei Jahren. Aber der kleine Koalitionspartner kann sich mit seinen programmatischen Inhalten gegen die SPD behaupten.
Vor allem aber können sie ihren Wählern demonstrieren, dass sie ihr Versprechen, die Modernisierung Deutschlands voranzutreiben, halten werden. Für die Grünen und ihre Glaubwürdigkeit ist die Abstimmung am Freitag die Stunde der Wahrheit.
© 2002 Financial Times Deutschland
zu übernehmen?
Im Normalfall haben fähige Leute ja bereits eine Position. Für was
sollten sie diese aufgeben? Für das Risiko, nach 4 Jahren auf der
Straße zu stehen?
Jeder Handwerkermeister, der nicht vollkommen blöd ist, verdient
mehr als ein Abgeordneter.
Der ist allerdings auch selbständig, die anderen drei sind angestellt.
Viele Grüße
MadChart
Wenn ja: Shut up
Wenn Nein: Tut was für euch und lebr ruhig und zufrieden weiter.
Grüße ausm Saarland
Abgesehen davon, wird da nicht was angerechnet?
Minister sollten das Niveau von hochkarätigen Managern haben.
Es liegt in der Verantwortung des Kanzlers, solche zu ernennen.
@madchart
Entschuldigung, ich meine natürlich selbständige Handwerksmeister
mit Betrieb. Und wenn ich mir hier so auf dem Dorf anschaue,
wie die leben (Auto, Haus) (es sei ihnen gegönnt) und was sie dafür
leisten (z.B. Farbe auf Wänden verteilen), dann muß ich sagen, daß
ich von einem Abgeordneten wesentlich mehr erwarte. Wenn ich einen
Wahlkreis betrachte, dann sollte ein Abgeordneter nicht so viel
schlechter verdienen, wie die selbständigen Handwerksmeister.
Berlin (vwd/AFP) - Die Spitzen von SPD und Grünen haben ihren Streit über
die Kommission zur Reform der sozialen Sicherungssysteme beigelegt.
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt teilte am Dienstagmittag in Berlin
mit, dass sie sich mit den Fraktionsspitzen von SPD und Grünen auf ein
gemeinsames Papier verständigt habe, in dem der Arbeitsauftrag für das
Gremium definiert wird. Die Grünen hatten ihre Zustimmung zur Erhöhung des
Rentenbeitrags von 19,1 auf 19,5 Prozent davon abhängig gemacht, ob bereits
diese Woche ein schriftlicher Auftrag für die Kommission fixiert wird, in
dem die langfristige Senkung der Lohnnebenkosten festgeschrieben wird.
Die "Kommission für die Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen
Sicherungssysteme" soll laut Schmidt bis Herbst 2003 über eine "Verstetigung
der Einnahmesituation" beraten. Wichtig sei dabei die
Generationengerechtigkeit und eine Entlastung des Faktors Arbeit. Vor allem
die Grünen drängen auf eine Senkung der Lohnnebenkosten. Anfang Dezember
will Schmidt die Besetzung des Gremiums bekanntgeben, das ihrem Haus
unterstellt und von dem Rentenexperten Bert Rürup geleitet werden soll. Nach
der Vorlage der Ergebnisse des Gremiums würden nach einer Diskussion 2004
die notwendigen Schritte eingeleitet werden, sagte Schmidt.
vwd/12.11.2002/jej
bei unserer demographischen Entwicklung zählt jeder
Tag.
Zuerst müssen mal die ganzen Vorruhestandsregelungen
abgeschafft werden. Die freiwerdenden
Positionen werden doch ohnehin nicht mehr besetzt.
Also nichts mit: gebt der Jugend eine Chance.
Die Firmen können so die Kosten des Stellenabbaus der
Allgemeinheit aufbürden.
Gründen eine Kommission - kostet wohl Steuergelder. Bin dafür, dass die Kosten der Kommission von den Bezügen der Frau Schmidt abgezogen werden, weil die Kommission der die Arbeit abnimmt.
Von Georg Paul Hefty
Höher noch als die Verläßlichkeit ist in der gesellschaftspolitischen Debatte die Ehrlichkeit zu schätzen. Darauf haben die Bürger Anspruch. Ob jung oder alt, niemand hat die Gewähr dafür, daß die Daten der Gegenwart, die Prognosen für die Zukunft und die als Ergebnis der politischen Debatte und des Gesetzgebungsverfahrens gefundenen Lösungen einen verläßlichen Erfolg erbringen - schon allzuoft haben sich Rentenformeln und Jahrhundertregelungen als wenig belastbar erwiesen. Ehrlichkeit ist eigentlich leicht zu erreichen. Doch vielen Beteiligten scheint es schwerzufallen, ihre Absichten und ihren Eigennutz offenzulegen, wenn sie Vorschläge machen, die zwar schwer zu durchschauen, aber immer mit dem Gütesiegel des Gemeinwohls versehen sind. Die letzten Jahre und der Blick ins Ausland belegen augenfällig, daß es das ideale System der gemeinschaftlichen Altersvorsorge nicht gibt. Das deutsche staatlich geregelte Solidarsystem steckt ebenso in Schwierigkeiten wie das englische Zwittersystem mit einem hohen Betriebsrentenanteil oder die privatwirtschaftlichen Versicherungskassen anderswo. Wer jedoch meinte, die ganz persönliche Vorsorge sei daher der Königsweg, könnte gleichfalls in die Irre gehen, denn eine ansehnliche Lebensleistung bringt zwar nach Jahrzehnten einen festen Vermögensstock, aber wehe, wenn die Aufbauzeit durch irgendwelche Schicksalsschläge gestört wird. Selbst der langjährige Streit zwischen Umlageverfahren und Kapitaldeckungsverfahren wird seit der Börsenentwertung weniger leidenschaftlich geführt. Aus alldem ist die Lehre zu ziehen - und den Bürgern beizubringen -, daß die Renten nicht sicherer sein können als die Lebensumstände insgesamt. Dieses Eingeständnis ist (wahl-)politisch riskant und unerläßlich zugleich.
Die Bundesregierung und die rot-grüne Koalition sind dabei, mit einer Kommission für die Solidarversicherung die Augenwischerei der Hartz-Kommission zu wiederholen. Wie die Vorgängerin nicht Arbeit in großem Maßstab schuf, sondern die Arbeitslosigkeit allenfalls besser zu bekämpfen hilft (was bei weitem nicht dasselbe ist), ohne daß bereits absehbar wäre, ob die Arbeitslosigkeit dadurch tatsächlich billiger werden wird, so gaukelt der neue Kommissionsauftrag als Ziel sichere Renten vor, während es in Wirklichkeit um niedrigere Lohnnebenkosten und um Generationengerechtigkeit gehen soll. An den Nöten der Beitragszahlen werden die Rentner nicht mehr lange vorbeikommen. Paradoxerweise werden jene Rentner, die zur Rentensicherheit mehr beigetragen haben als andere, indem sie selbst Kinder aufgezogen haben, wahrscheinlich mehr Verständnis für die Rentenbegrenzung zugunsten ihrer beitragspflichtigen Nachkommen aufbringen als die, die keine Nachkommen haben.
Aufgabe der Kommission wäre es, von Anfang an klarzustellen, daß es nicht allein um Belastungsminderungen geht, sondern daß eine Gruppe Einschnitte hinnehmen muß - nämlich die Rentner. Kein versicherungsmathematisches Kunststück kann erreichen, daß bei wachsender Zahl von Empfängern und abnehmender Zahl von Gebern die Pflichtabgaben kleiner, die Bezüge aber regelmäßig größer werden. Dies erreicht nur ein willkürlicher Eingriff, ein wie auch immer gestalteter demographischer Faktor. Zweck dieses Eingriffs kann nur sein, daß die Renten hinter den bisherigen Erwartungen und vermeintlich verfassungsrechtlich geschützten Versprechungen zurückbleiben.
Weil es auch Politikern und Funktionären offenbar schwerfällt, den heutigen Rentnern und jenen, deren Renteneintritt absehbar ist, diese Enttäuschung zuzumuten, feierte am Dienstag der alte, in der Theorie überzeugende Vorschlag, das Rentenzugangsalter von 65 auf 67 oder gar 70 Jahre anzuheben, unversehens wieder fröhliche Urständ - bemerkenswerterweise gerade in wirtschaftsnahen Kreisen. Doch aus der Hoffnung von Arbeitnehmern, damit den Arbeitsplatz und das in der Regel höchste Einkommen im Arbeitsleben weitere zwei oder fünf Jahre sicher zu haben, wird nichts. Ein Großteil der abhängig Beschäftigten arbeitet im Normalfall nur bis zum 60. Lebensjahr - in der getrennt zu betrachtenden Beamtenschaft ist es nicht anders. Daher würde die Anhebung des Rentenalters selbst in konjunkturellen Normalzeiten, in denen es den idealtypischen Eckrentner mit 45 Berufsjahren so gut wie nicht gibt, lediglich zu Abschlägen bei der Rente wegen nicht erfüllter Arbeitsjahre führen.
Die Anhebung des Rentenalters auf mehr als 65 Jahre könnte erst dann sinnvoll sein, wenn es in Deutschland und - wegen der Freizügigkeit - in Europa einen Arbeitskräftemangel gäbe. Bis dahin aber würden Arbeitslose (wer behält Mitarbeiter dieser Altersstufe?) zwischen 65 und 67 zwar die Rentenkasse entlasten, die Arbeitslosenkasse jedoch belasten und die Erfolgsbilanz jeder Arbeitsmarktpolitik verdunkeln. Die Kommission wird viel Mühe damit haben, von Interessenten beabsichtigte Lastenverschiebungen zwischen den einzelnen Teilsystemen der Solidarversicherung zu vermeiden.
Die politische Ehrlichkeit verlangt auch, die Altersunterschiede zwischen den Rentnern zu berücksichtigen. Der Hinweis aus der Fraktion der Grünen, daß die Rentner von heute zu ihrer aktiven Zeit "zehnprozentige Beiträge" einbezahlt hätten, jetzt aber das Aufkommen von zwanzig Prozent hohen Beiträgen in Anspruch nähmen, verkennt, daß der allergrößte Teil der Rentner im Berufsleben schon seit 1970 Beiträge knapp unter zwanzig Prozent abgeführt hatte.
Das Debakel der Riester-Rente zeigt, daß der Erfolg einer Reform der Solidarversicherung(en) nicht nur vom Einfallsreichtum, sondern auch von der Gunst des Augenblicks abhängt. Wie die Riester-Rente unter dem Vertrauensverlust der Bürger gegenüber den Aktienkursen leidet, so lastet auf der neuen Kommission sowohl die konjunkturelle Flaute als auch die demographische Fehlentwicklung. Doch Sozialreformen sind in den seltensten Fällen Schönwetterergebnisse. In der Regel suchen sie lediglich drohendem Unheil zuvorzukommen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.11.2002, Nr. 264 / Seite 1
Warum dürfen Politiker
schon mit 55 in Rente?
Von D.HOEREN u. H.-J. VEHLEWALD
Der normale Arbeitnehmer soll bis 70 schuften – und viele Politiker können schon mit 55 in den Ruhestand! Ist das gerecht?
Der renommierte Diäten-Experte von Arnim rechnet vor: „Viele Minister und Abgeordnete in Bund und Ländern haben schon mit 55 Jahren einen Anspruch auf Altersversorgung. Sie zahlen dafür keinerlei Beiträge, bekommen aber an Pension ein Vielfaches der normalen Arbeitnehmerrente.“
So kassieren unsere Politiker im Ruhestand:
Minister: Nach einer Amtszeit von einem Jahr und neun Monaten gibt es rd. 2000 Euro Pension plus Weihnachtsgeld. Wer drei Jahre Minister war, kann schon mit 55 in Pension, bekommt 2600 Euro/Monat. Hält ein Minister eine Legislaturperiode durch, stehen ihm ab 55 sogar 3700 Euro zu. Für jedes weitere Amtsjahr steigt die Pension um 320 Euro bis maximal 9615 Euro/Monat! Dafür müsste ein Arbeitnehmer mit Durchschnittsverdienst 371 Jahre (!) arbeiten.
Bundestagsabgeordnete: Wer mindestens sieben Jahre und 183 Tage MdB war, hat mit 65 Jahren Anspruch auf eine Mindest-Pension von 1651 Euro. Zum Vergleich: Ein Arbeitnehmer, der immer durchschnittlich verdient und 45 Jahre Rentenbeiträge gezahlt hat, bekommt 1128 Euro Rente. Jedes zusätzliche MdB-Jahr bringt den Abgeordneten rd. 210 Euro mehr Pension, und das Rentenalter sinkt gleichzeitig um ein Jahr. Höchstpension nach 18 Jahren Bundestag: 4746 Euro – zahlbar ab 55!
Hinzu kommt: Politiker-Pensionen steigen automatisch mit der Erhöhung der Beamtenbesoldung (Minister) bzw. mit Diätenerhöhungen. Von Arnim: „Wenn alle den Gürtel enger schnallen sollen, muss diese Selbstbedienung unserer Politiker als Erstes auf den Prüfstand.“
Leitartikel
Von Konrad Adam
Das Rentenversicherungssystem im Umlageverfahren, seit 45 Jahren Rückgrat der staatlich garantierten Wohlfahrt, steht vor der Zahlungsunfähigkeit. Nur Notoperationen, deren Laufzeiten auf Wochen, allenfalls Monate berechnet sind, bewahren es vor dem Offenbarungseid. Würden die laufenden Zuflüsse von heute auf morgen ausbleiben, müsste das als bombenfest und krisensicher angepriesene System in einem halben Monat seine Zahlungen einstellen: eine Drohung, die an Stelle der alten allerlei neue Wunderheiler auf den Plan ruft.
Als solche bieten sich an: zunächst die Arbeitsplatzfanatiker. Sie wollen alles beim alten lassen, beim Umlageverfahren von Jung zu Alt. Von einer Belebung der Wirtschaft versprechen sie sich mehr Beschäftigung, die höhere Zwangsbeiträge in die Kassen spülen soll. Die zweite Gruppe schwört auf das Kapitaldeckungsverfahren. Was die Umlage nicht geschafft hat, Sicherheit im Alter, soll die Anlage in Grundstücken, Anleihen und Aktien bieten. An dritter Stelle kommt der Vorschlag, das Renteneintrittsalter, das zur Zeit bei weniger als 60 Jahren liegt, schrittweise zu erhöhen. Das würde die Zeit, in der man Beiträge zahlt, verlängern, die Rentenbezugsdauer aber verkürzen und derart die Bestände schonen. Schließlich die Freunde der Einwanderung, die sich vor allem bei den Grünen finden. Nach ihren Vorstellungen soll der Zuzug von außen ersetzen, was die Deutschen aus eigener Kraft nicht mehr zustandebringen können oder wollen, genug Kinder nämlich.
Not lehrt beten, sagt das Sprichwort; und wirklich klingen die Rezepte, die da so fix verschrieben und verkündet werden, wie lauter Stoßgebete. Rechtzeitig und intelligent angewandt, werden sie die Not zwar lindern; abwenden können sie aber nichts. Der Reihe nach: ein wiederbelebter Arbeitsmarkt würde die Lasten, unter denen die deutsche Alterssicherung in die Knie gesunken ist, allenfalls verschieben. Wer Beiträge zahlt, erwirbt ja auch Ansprüche, die später einmal beglichen werden müssen - vorausgesetzt, der Staat will den letzten Rest von Vertrauenswürdigkeit nicht endgültig verspielen. Auch das zweite Rezept, die Kapitaldeckung, verspricht mehr, als es halten kann. Seine Freunde sollten nach England schauen, wo als Folge der dramatisch eingebrochenen Börsenkurse den Pensionskassen die Mittel knapp werden. Der dritte Ausweg, die Menschen später "in Rente zu schicken", entlastet zwar die Kassen, aber nicht die Wirtschaft, weil Alte nicht ebenso leistungsfähig sind wie junge Menschen. Horst Siebert, der Präsident des Kieler Weltwirtschaftsinstituts, drückt sich noch freundlich aus, wenn er feststellt, dass sich alternde Volkswirtschaften auf einem niederigeren Wachstumspfad bewegen als junge. Dagegen wird auch die verstärkte Einwanderung nicht viel helfen. Denn um den jetzt schon absehbaren Bevölkerungsverlust wettzumachen, müsste Jahr für Jahr die Einwohnerschaft einer Großstadt vom Ausmaß Frankfurts hinzu kommen: ein Tempo, das selbst Grüne für unrealistisch halten, weil es die Integrationskraft der Gesellschaft heillos überfordert.
Alle diese Vorschläge kommen darin überein, dass sie die eine Lücke schließen wollen, indem sie eine andere aufreißen. Wenn die Decke insgesamt zu kurz ist, hilft aber nur eine Verlängerung, in diesem Fall: eine Anhebung der Geburtenhäufigkeit, wie es eine der vielen Kommissionen, die Gerhard Schröder für sich arbeiten lässt, schon vor Jahr und Tag empfohlen hat. Natürlich nicht durch Prämien, durch Mutterkreuze oder Sprunggeld, wie der Familienlastenausgleich von seinen Gegnern taktvollerweise genannt wird. Sondern dadurch, dass die vielen, aber äußerst wirksamen Hindernisse, die dem Wunsch nach Kindern entgegenstehen, beseitigt werden.
Soll sich der Staat in Dingen der Familie doch endlich so neutral verhalten, wie er es ständig gelobt! Er engagiert sich nämlich, aber auf der falschen Seite, denn er behindert, was er laut Grundgesetz zu fördern hat. Mehr für die Kinder, die Jugend und die Mütter hätte er zu tun und weniger für die Alten. Die sind in ihrer Mehrheit gut versorgt, auch wenn der VdK, die Interessenvertreter der Renter, das nicht wahrhaben will. Ein halbes Jahrhundert lang hat die Rentenformel die Alten begünstigt; für die nächsten paar Jahre wären jetzt einmal die Jüngeren an der Reihe. Aber davon wollen auch die Lautsprecher der Generationengerechtigkeit, die Grünen, nichts mehr wissen.
Den Autor erreichen Sie unter: adam@welt.de
hst. "Unser Deutschland heute - ein Land mit dem Mut zur Veränderung." Das ist nicht der Anfang eines programmatischen Leitartikels, der Reformen einfordert. Nein, das ist der erste Satz der Präambel der Koalitionsvereinbarung von Rot-Grün. Schon die Sprache ist entlarvend. Die Regierung spricht von einem Sparpaket. Tatsächlich jedoch steigt die Neuverschuldung kräftig, ebenso wie die Steuer- und Abgabenlast für Bürger und Unternehmen. Bundeskanzler Schröder ist nicht willens und fähig, dem Land die dringend benötigten psychologischen und ökonomischen Impulse zu geben. Obwohl der Anteil der Staatsausgaben mit 50 Cent von jedem Euro in Deutschland so hoch liegt wie in keinem anderen großen Land, führen die Pläne von Rot-Grün, die insgesamt einen wachstums- und leistungsfeindlichen Geist atmen, zu einer weiteren Verlagerung von privaten zu öffentlichen Ausgaben.
Der einstmals stolzen deutschen Volkswirtschaft droht der Absturz in die zweite Liga der Industriestaaten. Der deutsche Wohlstand ist gefährdet, weil fast alle anderen Länder innerhalb und außerhalb Europas seit Jahren viel schneller wachsen. Das zeigt: Nicht die Talfahrt der Weltwirtschaft, sondern die katastrophale Wirtschaftspolitik von Rot-Grün ist für die wirtschaftliche Misere verantwortlich. In- und ausländische Unternehmer sind entsetzt, streichen ihre Investitionspläne in Deutschland zusammen und entlassen weitere Mitarbeiter. Die Verbraucher sind verängstigt. Sie sparen, wo immer es noch möglich ist, und schränken ihren Konsum ein. Wie soll in einem solchen Umfeld die Wirtschaft wieder wachsen? Schließlich trägt auch in Deutschland der private Verbrauch fast sechzig Prozent zur Gesamtnachfrage bei.
Wer glaubt schon, daß Schröder und sein Finanzminister Eichel die Milliardenlöcher im Haushalt erst wenige Tage nach der Wahl entdeckt haben? Wäre Deutschland ein Unternehmen und die Regierung der Vorstand, dann hätte die Staatsanwaltschaft gute Gründe, ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppung einzuleiten. Die Wähler können der Regierung für diesen Wahlbetrug die Rechnung präsentieren. Bald sind wieder Wahlen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.11.2002, Nr. 265 / Seite 1
Wie die Regierung eine Generation ausplündert
Wenn man zwischen ziellosen und gezielten Krisenmaßnahmen der Regierungskoalition zu unterscheiden versucht, wird man einräumen müssen, daß die Erhöhung der Rentenbeiträge ein sehr gezielter Schlag war. In ihm vor allem drückt sich der Geist der gegenwärtigen Regierung aus, die auch eine Generationenherrschaft ist. "Wir machen das mit unserer Generation", hieß es schon am Wahlabend unter den Siegern. Die personelle Zusammensetzung des Kabinetts, das inzwischen amtiert, und auch das Alter vieler anderer Repräsentanten der Administration Schröder lassen keinen Zweifel daran, welche Generation mit "unserer Generation" gemeint ist. Es sind die Altersgenossen von achtundsechzig.
Daß gerade die Achtundsechziger für die letzte, katastrophale Überspannung des Rentensystems vor dessen absehbarem Zusammenbruch verantwortlich sind, hat eine nicht zu bestreitende Logik. Denn in den kommenden zehn Jahren werden just die zwischen 1940 und 1950 Geborenen in den Ruhestand gehen, sofern sie sich dort nicht bereits befinden. Diese Generation hat die höchsten Rentenansprüche in der Geschichte des deutschen Sozialsystems und wahrscheinlich auch aller anderen Sozialsysteme der westlichen Welt angehäuft. Sie kann auf eine fast sechzigjährige Friedensperiode zurückblicken, in der berufliche Karrieren und individuelle Sehnsüchte sich mit einer ungefährdeten Eigengesetzlichkeit entfalten durften, die in der Geschichte der Neuzeit ohne Beispiel ist. Keine Hyperinflation wie die von 1923, kein Börsenkrach wie der von 2001/2002, kein Weltkrieg und keine Massenepidemie haben die Lebensläufe der Generation von achtundsechzig durcheinandergebracht.
Die eine und einzige zeitgeschichtliche Erschütterung, von der die Achtundsechziger betroffen sind, ist eben die Studentenrevolte von 1968, ihr Heldenepos und Gründungsmythos. Daß wir die Chronologie dieses fröhlichen Aufstands inzwischen auswendig hersagen können, daß der historisch und moralisch ungleich wichtigere Prager Frühling in unserem Bewußtsein hinter den kleindeutschen Wirrungen zurücktritt, dafür haben schon die jungen Lehrerinnen und Lehrer gesorgt, die aus den instandbesetzten Universitäten der sechziger in die Schulen der siebziger Jahre strömten.
Dieselben Lehrkräfte haben uns auch beigebracht, zwischen Text und Kontext, Genesis und Geltung, grob gesagt: zwischen Anspruch und Realität eines philosophischen Satzes oder einer politischen Haltung zu unterscheiden. Wir haben nun Gelegenheit, diese Differenzierung anzuwenden. Hinter allen steuer- und beitragsschöpfenden Maßnahmen, die in diesen Tagen auf uns zukommen, steht, wie es heißt, die Notwendigkeit, die betreffenden Verteilungssysteme je für sich "zu sichern". Dabei kann von einer solchen Sicherheit, wie ein Blick auf die Altersstruktur der Bevölkerung beweist, längst keine Rede mehr sein. Um wenigstens ihr Phantasma aufrechtzuerhalten, hat sich die Koalition das byzantinische Vernebelungsmodell der "Riester-Rente" ausgedacht. Da diese, wie bekannt, vom Volk nicht angenommen wird, könnte sie ihm schon bald verordnet werden. Die Regierung Schröder mag den Anspruch erheben, ihr Programm sei auf Konsens gebaut; bei dessen Durchsetzung aber enthüllt sie ihr wahres Gesicht.
Die Anhebung des Beitrags zur Rentenversicherung ist nun die eigentliche Königssteuer dieser konstitutionellen Kanzlermonarchie. Sie trifft nicht diejenigen, die von ihr profitieren, sondern fast ausschließlich jene, die nie in den Genuß einer ihren Beitragszahlungen entsprechenden gesetzlichen Rente gelangen werden: die Zwanzig-, Dreißig- und Vierzigjährigen. Aus der Anfangsphase der Französischen Revolution gibt es eine berühmte Karikatur, auf der ein Bauer einen Kleriker und einen Aristokraten auf seinem tief gebeugten Rücken trägt. Inzwischen gibt es keine drei Stände mehr, aber das ständische Modell ist wieder im Schwange. Diesmal schleppt ein Erwerbsstand, dessen Kräfte immer erkennbarer schwinden, einen von Jahr zu Jahr an Umfang und Gewicht zunehmenden Genußstand. Die Schieflage der sozialen Schichtung, an der die Monarchien der frühen Neuzeit scheiterten, ist zur Schieflage der Generationen geworden.
Das Mißverhältnis wäre nicht so eklatant, stünde mit den Achtundsechzigern nicht gerade jene Generation zur Pensionierung an, welche die Segnungen des bundesdeutschen Sozialstaats am längsten und ausgiebigsten genossen hat. Ihre Machtergreifung durch die Rentengesetzgebung der Koalition läßt sich mit nichts vergleichen, was sich in den letzten zweihundert Jahren der Industrialisierung und Modernisierung ereignet hat - sie gleicht Versteinerungsprozessen in vormodernen, gerontokratischen Gesellschaften, etwa der ägyptischen am Ausgang des Neuen Reiches.
Wie dort die unermeßlich angewachsene Priesterkaste der Zukunft des Landes ihre eigene vorzog, finanzieren heute die Kinder von Marx und Coca-Cola die blühenden Landschaften ihres Ruhestands durch Schröpfung ihrer Nachkommen. Daß statt dessen hier und heute ein Ausgleich zwischen den Ansprüchen der heutigen und der künftigen Rentner, eine generationenübergreifende gerechte Verteilung auch der Lasten und Zumutungen des Riester-Modells stattfinden müßte, scheint ein Gedanke zu sein, der für die Köpfe der Regierenden zu groß ist. Jene Generation, die einst die Phantasie an die Macht bringen wollte, baut heute nur noch darauf, daß die Sintflut erst nach ihr kommt. Aber die Flut wird sie einholen. Wir stehen am Beginn einer Epoche gesellschaftlicher Beunruhigungen, von deren Form und Ausmaß wir noch keine Vorstellung haben.
ANDREAS KILB
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.11.2002, Nr. 274 / Seite 37
Berlin - Renten und sonstige Altersbezüge sollen künftig vollständig besteuert werden. Im Gegenzug sollen sämtliche Aufwendungen für die Altersvorsorge steuerlich frei gestellt werden. Das schlägt die Rürup-Kommission zur Reform des Sozialsystems vor, wie das Berliner Finanzministerium erklärte. Einem „Spiegel“-Bericht zufolge würde die Neuerung die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden in den nächsten zehn Jahren mit 22 Milliarden Euro belasten. Der Verlust werde nur teilweise durch die vollständige Besteuerung der Renten ausgeglichen. Laut Finanzministerium schlägt die Rürup-Kommission vor, die nachgelagerte Besteuerung künftig für alle Alterseinkünfte anzuwenden. Das Prinzip gilt derzeit nur für die Privatrente.
Momentan werden die Beiträge - zum Beispiel zur Rentenversicherung - fiskalisch belangt, dafür ist Rente bei der Auszahlung steuerfrei. Die Kommission ist den Angaben zufolge dafür, die Beiträge zur Basisversorgung fürs Alter nach einer Übergangszeit für alle Steuerpflichtigen in unbegrenzter Höhe als Werbungskosten steuerlich abziehbar zu machen. „Falsch und bewusst irreführend sind Behauptungen, Finanzminister Hans Eichel plane nur eine Besteuerung der Renten, aber keinerlei Freistellung der Beiträge zur Versorgung“, sagte sein Sprecher Jörg Müller.
Die Experten empfehlen eine langfristige Übergangsregelung, um die mit der steuerlichen Freistellung insbesondere der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung verbundenen steuerlichen Ausfälle in Grenzen zu halten, aber auch um dem Vertrauensschutz bei der Besteuerung von Renten Rechnung zu tragen. Das vorgeschlagene Reformmodell habe keine unmittelbaren Auswirkungen auf das heutige Alterssicherungssystem. Der vollständige Systemwechsel bei der Rentenbesteuerung biete die Chance, „das Gesamtversorgungsniveau längerfristig noch zu verbessern, mindestens aber zu halten“.
Die schrittweise Verbesserung der steuerlichen Berücksichtigung der Rentenvorsorge erweitere für alle Erwerbstätigen den Spielraum zur Alterssicherung. Laut „Spiegel“ will die Kommission ihren Vorschlag kommenden Montag Eichel überreichen. Das Bundesverfassungsgericht hatte den Gesetzgeber aufgefordert, eine gesetzliche Regelung zu finden, die am 1. Januar 2005 in Kraft treten soll. AP
Ergebnis: Die Arbeiter jubeln(ten), weil sie glauben, sie bekämen etwas geschenkt durch die tolle Leistung der Gewerkschaftsfunktionäre.
Und so wählen sie weiterhin Rot.
Die Wahrheit ist, daß ALLE Leistungen eines Unternehmens zuvor von den produktiv Beschäftigten erbracht werden müssen.
Einschließlich: AG-Zuschuß zur Rente, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Lohnfortzahlung usw. usw..
Das heißt: Es gibt KEINE Geschenke vom Arbeitgeber!
Also könnte man auf diese Oberflächlichkeit auch verzichte.
Da Altersversorgung eine Staatsaufgabe ist, sollte sie als Mindestversorgung auch von der Steuerkasse getragen werden mit dem ganzen Sozialausgleich, der nötig ist.
Das wäre EHRLICH!
Doch die ehrlichen Politiker sind weit - - weit - - Kritiker.