Die DKP kämpft ums Überleben ihres Zentralorgans
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Eröffnet am: | 15.06.04 18:06 | von: proxicomi | Anzahl Beiträge: | 5 |
Neuester Beitrag: | 11.06.05 14:43 | von: Willi1 | Leser gesamt: | 526 |
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Die DKP kämpft ums Überleben ihres Zentralorgans
ak-LeserInnen wissen: Was sie in Händen halten, hieß früher Arbeiterkampf - Zeitung des Kommunistischen Bundes. Der KB ist Geschichte, die Zeitung existiert weiter. Die DKP muss nun fürchten, dass ihr das Gegenteil passieren könnte: Die Partei beginnt sich ganz allmählich wieder aufzurappeln, das Schicksal der UZ (Unsere Zeit) jedoch hängt am seidenen Faden.
In der 70er und 80er Jahren, als die Springquellen des realsozialistischen Reichtums aus der DDR flossen, stellte die UZ - nach ihren Anfängen als Wochenzeitung - täglich die Sicht der DKP und ihrer ruhmreichen Bruderparteien auf das Weltgeschehen dar. Vielen DKP-Mitgliedern war sie stets eher peinlich, als ihr interessantester Bestandteil galt die DDR-Sportberichterstattung. 1986 verursachte die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl das größte inhaltliche Debakel des Parteiblatts, als die UZ im Laufe mehrerer Tage verlegen herumdrucksend die Tatsachen eingestand, die der westlichen Öffentlichkeit längst bekannt waren.
Kosmetische
Korrekturen
am alten Weltbild
Als nach dem Fall der Mauer der Geldsegen von Schalck-Golodkowski ausfiel und die DKP rapide zusammenschrumpfte, musste die UZ sich mit 14-tägigem Erscheinen begnügen, brachte es dann jedoch wieder zur Wochenzeitung. Nun ist eine ihre Existenz gefährdende Finanzkrise ausgebrochen, die die Partei durch eine gewaltige Mobilisierung zu Spenden und Darlehen zu meistern versucht. Als Ursache für die Misere werden unter anderem in großem Umfang unbezahlte Abonnementsrechnungen angeführt.
"Inzwischen leicht besser als ihr Ruf" nannte der der DKP treu gebliebene Georg Fülberth die UZ mit dem ihm eigenen Sarkasmus 1992. In den letzten Jahren gab es sachte und zaghafte Ansätze zu einer Öffnung, das Blatt machte einen sehr durchwachsenen Eindruck: Neben interessanten und informativen Artikeln - von denen etliche aus parteifremden Quellen stammten - standen Fortsetzungen der alten realsozialistischen Hofberichterstattung. Dabei kam es immer wieder zu ausgesprochenen "Knüllern", die bewirkten, dass linke Kreise außerhalb des Parteiumfelds sich wenn überhaupt, dann mit Häme auf die UZ bezogen. Innerparteiliche Konflikte wie der Streit um den Ende 1998 offensichtlich gewordenen Antisemitismus in der russischen "Bruderpartei" KPRF, der nach einem besorgten Brief des Parteivorsitzenden Heinz Stehr an Gennadi Sjuganow zum wütenden Rücktritt seiner damaligen Stellvertreterin Bruni Steiniger führte, wurden in einem sterilen Parteikauderwelsch verklausuliert dargestellt - obwohl sie den Mitgliedern der Partei bekannt sind und heftige Debatten auslösen. Kommentarlos wurde einmal eine Erklärung der Botschaft Nordkoreas wiedergegeben, die jeden Kontakt zu faschistischen Kräften bestritt - dummerweise dokumentierte zur gleichen Zeit das NPD-Organ Deutsche Stimme mit Bild den Empfang einer Nazidelegation durch nordkoreanische Diplomaten. Ein unvergessliches "Highlight" im negativen Sinne stellte auch die völlig durchgedrehte Berichterstattung zum Machtwechsel in Jugoslawien im Herbst 2000 dar.
Undogmatische und kritische Artikel, die es durchaus ab und zu auch gab, riefen meist empörte LeserInnenbriefe vor allem aus dem Osten hervor, in denen dauernd erklärt wird, wie eine wahrhaft marxistisch-leninistische Zeitung auszusehen hat. Hier wird das politische Problem deutlich: Der streng orthodoxe Flügel ist in der DKP eine Minderheit, die die von der Parteiführung um Heinz Stehr und Nina Hager betriebene vorsichtige Entdogmatisierung als "Revisionismus" verteufelt. Die kosmetischen Korrekturen der Mehrheitsströmung am alten Weltbild genügen aber nicht, um die Partei und ihre Zeitung für ein breiteres Spektrum der Linken interessant zu machen. Die Mehrheit mit ihrer "weicheren" Variante des KP-Traditionalismus scheut eine offensive Auseinandersetzung mit den dogmatischen Plagegeistern, weil sie damit ihre eigenen Legitimationsgrundlagen untergraben würde.
Gerade im Bereich der internationalen Berichterstattung sind die Kapazitäten der DKP und ihres engeren SympathisantInnenumfelds sehr begrenzt. Mangels Konkurrenz kann beispielsweise der heute parteilose ehemalige Italienkorrespondent des Neuen Deutschland, Gerhard Feldbauer, als "Italien-Experte" in der UZ eine Fortsetzung seines alten DDR-Journalismus betreiben. Seine grotesk verdrehten, vor offener Fälschung von Zitaten nicht zurückschreckenden Darstellungen zum Strömungsstreit in der Rifondazione Comunista etwa stoßen durchaus auf den Unwillen der Redaktion. Eine Alternative könnte nur darin bestehen, die Zeitung konsequent für kompetente AutorInnen ohne doktrinäre Scheuklappen, auch über das traditionelle Parteiumfeld hinaus, zu öffnen. Das ist den MacherInnen der UZ schon bewusst, aber es scheint momentan in der DKP politisch nicht durchsetzbar - die Angst der Mehrheit vor dem Verlust der angestammten ideologischen "Identität" dürfte noch schwerer wiegen als das Gemecker der orthodoxen Opposition.
Im Sinne Lenins soll eine Parteizeitung als "kollektiver Propagandist, Agitator und Organisator" auf die "Massen" einwirken. Organisationszeitungen, die dieses Prinzip befolgen, wie etwa die Rote Fahne der MLPD, das gleichnamige Organ der (Ost-)KPD oder auch die Linksruck-Zeitung sind heute im linken Blätterwald aber gerade diejenigen, die außerhalb einer eng umgrenzten Klientel niemanden interessieren. Die als "Massenzeitungen" konzipierten Blätter haben tatsächlich die kleinste StammleserInnenschaft. Dagegen haben sich ehemalige Organisationszeitungen wie ak oder SoZ als angesehene pluralistische Debattenorgane - natürlich stets auf Spenden angewiesen - etablieren können.
In der DKP aber ist kein Konzept in Sicht, mit dem sich eine interessante Zeitung für ein breites Publikum in den die Veränderung der Gesellschaft im emanzipativen und sozialistischen Sinne anstrebenden Bewegungen machen ließe. Dieses Problem wird auch dann bestehen bleiben, wenn es gelingen sollte, den Zusammenbruch der UZ einstweilen noch einmal abzuwenden.
Henning Böke
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gruß
proxi
"Eine Alternative könnte nur darin bestehen, die Zeitung konsequent für kompetente AutorInnen ohne doktrinäre Scheuklappen, auch über das traditionelle Parteiumfeld hinaus, zu öffnen. "
ZITAT VON OBEN.