Die Bilanz der SPD/B90-Grüne-Regierung seit 1998:
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Warum steht da oben nicht:
Klasse, nur 4 Millionen Arbeitslose statt 6
oder
Super, die Grünen wurden diszipliniert und führen Krieg anstatt hier einen Volksaufstand anzuzetteln, wenn die CDU diese Kriege hätte führen müssen
oder
Besser die Lesben und Schwulen in der Politik als in meiner Stammkneipe
Kritik an Stoibers Ausländerpolitik
In der CDU wird heftiger Unmut über die Wahlkampfstrategie ihres
Kanzlerkandiaten Edmund Stoiber (CSU) laut. Grund: Stoibers Ankündigung,
schon die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt zur Abstimmung über das
Zuwanderungsgesetz zu machen.
Der frühere CDU-Generalseketär Heiner Geißler warnte seine Partei mit
scharfen Worten vor einer Ausländer-Kampagne im Wahlkampf: "Wer so
etwas macht, der ist reif für die Psychiatrie", sagte Geißler im Westdeutschen
Rundfunk (WDR).
Die Union und ihr Kanzlerkandidat hätten gute Chancen, die Bundestagswahl
am 22. September mit ihrer Wirtschaftskompetenz zu gewinnen. Ziehe man
das Ausländer-Thema hoch, dann sei das der berühmte "Schuss ins Knie".
Zwar könne das Thema nicht aus dem Wahlkampf heraus gehalten werden,
doch sei es ein Unterschied, ob man im Wahlkampf in denVersammlungen
darüber rede oder eine Kampagne mit Wahlplakaten und Fernseh-Spots
hochziehe. Wenn das Thema "fast rechtsradikal" in den Vordergrund
geschoben werde, dann schade das dem Ansehen im Ausland.
Horst Eylmann (CDU), Mitglied der Süssmuth-Zuwanderungskommission, warf
Stoiber vor im Bundesrat keinen Kompromiss gewollt zu haben. Obwohl eine
Einigung möglich gewesen sei, habe Stoiber Schröder aus Machtgründen
scheitern lassen wollen, schreibt Eylmann in einem Beitrag für die "Zeit". Der
liberale Flügel der CDU drohe aus Angst vor dem eigenen Tod zu verbleichen,
schreibt Eylmann weiter.
Merkel will keine Schlammschlacht ...
Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel unterstrich in einem Interview mit der
Illustrierten "Bunte" die Bedeutung des Themas. Die Zuwanderung gehöre zu
den Themen, die die Leute bewegten, sagte Merkel. Die CDU werde es jedoch
nicht auf dem Rücken der Ausländer austragen. Mit Stoiber sei sie sich einig,
dass es zu keiner "Schlammschlacht" kommen solle.
... aber einen negativen Wahlkampf
Die CDU will nach einem Bericht der "Zeit" einen negativen Wahlkampf
führen. Die Hamburger Wochenzeitung bezog sich auf ein internes
Wahlkampfpapier aus dem Konrad-Adenauer-Haus, der Parteizentrale.
Demnach setzt die CDU auf die Zerstörung rot-grüne "Legenden":
"Reformstau aufgelöst", "eine Million neue Arbeitsplätze geschaffen".
Sollte es noch vor der Wahl zu einem Wirtschaftsaufschwung kommen, solle in
einer Angriffskampagne der Eindruck zerstreut werden, dieser ginge auf die
Regierung zurück.
Schröder will selbstbewusste SPD
Bundeskanzler Schröder (SPD) hat seine Partei nach einem Bericht der
"Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zu einem selbstbewussten
Bundestagswahlkampf aufgefordert. Die Sozialdemokraten sollten in den
kommenden Monaten nachdrücklich über die Erfolge der rot-grünen
Bundesregierung reden, schrieb der SPD-Vorsitzende der "FAZ" zufolge in
einem Brief an die Parteigliederungen.
Bei der Wahl am 22. September gehe es um eine Richtungswahl. Es gehe um
Chancen für alle oder Vorteile für wenige. Die Regierung habe in den
vergangenen vier Jahren etwa den Marsch in den Schuldenstaat beendet,
Verbesserungen für die Familien durchgesetzt und die Investitionen gestärkt.
Für die kommende Legislaturperiode bleibe die Bekämpfung der
Arbeitslosigkeit das wichtigste Ziel der SPD.
Gegner des Zuwanderungsgesetzes isoliert
Die umstrittene Entscheidung des Zuwanderungsgesetzes im Bundesrat
verteidigte Schröder nachdrücklich. "Die Gegner dieser Reform sind
gesellschaftlich isoliert", sagte Schröder in dem Schreiben an seine Partei.
Nach der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts und der Steuer- und
Rentenreform sei das Zuwanderungsgesetz ein "weiteres großes
Reformwerk", das das Prädikat "historisch" verdiene. Nach Jahren erheblicher
Zuwanderung bestehe jetzt die Möglichkeit, dies nach den gesellschaftlichen
Notwendigkeiten zu steuern und zu begrenzen.
Weil niemand, auch nicht der größte Pessimist von 6 Millionen Arbeitslosen bei unsachgemäßer Politik ausging.
Vielmehr waren alle der Meinung, die Zahl der Arbeitslosen könne reduziert werden.
Kohl war sogar der Ansicht, man könne sie bis zum Jahre 2000 halbieren.
(Trotz allem gut, daß dieser pan-europäische, größenwahnsinnige Egozentriker weg ist)
Daß die Grünen "diszipliniert" wurden, ist auch kein Ergebnis von Gerhard Schröder's Politik, sondern ein Ergebnis der Habgier und Selbstdarstellungssucht der grünen Politiker.
Auch wenn ich die Ansichten der Grünen nicht teile, bin ich doch der Ansicht, daß die korrumpiert, und nicht diszipliniert wurden.
Man könnte natürlich noch loben, daß Schröder einen Krieg mit Frankreich oder die Supernova der Sonne verhindert hat.
Aber das war auch schon alles.
Oh ja, ich wähle CDU, denn 16 JAhre Kohl haben Deutschland nicht weiter gebracht, vielleicht dann aber die nächsten 4 unter Stoiber.
Grüße
mm
ob die arbeiten wollen oder nicht ist unerheblich
Ein arbeitswilliger Arbeitsloser ist genau so teuer
wie ein arbeitsunwilliger und das musss geändert werden
URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,182338,00.html
Serie Schröders Wahlversprechen
Das Riester-Desaster
Von Michael Kröger
Mit dem Versprechen, die Arbeitslosenzahl auf 3,5 Millionen zu senken, wurde Gerhard Schröder 1998 Bundeskanzler. Nach drei Regierungsjahren sieht die Bilanz düster aus. Von keinem Ziel ist Schröder weiter entfernt als von der magischen 3,5 Millionen-Marke.
Regulierungen mindern die Chancen: Arbeitssuchende im Arbeitsamt Stralsund
"Mehr Arbeitsplätze" - so lautete der erste und wichtigste jener "neun guten Gründe" auf der Wahlkampfkarte, mit denen der SPD-Spitzenkandidat Gerhard Schröder 1998 die Wähler auf seine Seite zog. Das Versprechen galt selbst unter Fachleuten als wenig anspruchsvoll: Unter die 3,5-Millionen-Marke werde die SPD die Arbeitslosigkeit bis zum Jahr 2002 senken, kündigte der damalige Kohl-Herausforderer an.
Hilflos mussten die CDU-Wahlkämpfer zusehen, wie er damit Wählerstimmen abräumte. Anziehende Konjunktur, der beginnende Boom in der New Economy - alles schien den Erfolg zu programmieren. Selbst ein breiter gesellschaftlicher Konsens über die längst überfälligen Reformen zeichnete sich ab.
Was also sollte schief gehen? Kein Wunder, dass der Kandidat vor Selbstbewusstsein strotzte. "Wenn wir es nicht schaffen, die Arbeitslosigkeit signifikant zu senken, dann haben wir es nicht verdient, wiedergewählt zu werden", verkündete Schröder am 21. September 1998.
Dreieinhalb Jahre später ist alles anders. Ein ums andere Mal korrigierten die Konjunkturexperten ihre Prognosen nach unten, die New-Economy-Blase ist längst geplatzt. Die Stimmung zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften ist so schlecht wie lange nicht mehr und an das Bündnis für Arbeit glauben nur noch unverbesserliche Optimisten. Wie ernst die Lage ist, belegt eine Forsa-Umfrage im Auftrag des "Stern": Danach glauben 52 Prozent der Deutschen, dass Schröder die Wahl im September verlieren könnte, sollten die Arbeitslosenzahlen nicht wesentlich sinken.
In keinem Bereich ist die Regierung so weit hinter ihren Zielen zurückgeblieben, wie im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Zwar stieg im Zuge des Aufschwungs der vergangenen Jahre die Zahl der Erwerbstätigen um eine knappe Million an. Doch dieser Zuwachs speiste sich zum größten Teil aus der von Arbeitsmarktexperten so genannten stillen Reserve, also Erwerbsfähigen, die nicht arbeitslos gemeldet waren. Die Zahl der registrierten Arbeitslosen ist dagegen mittlerweile über das Niveau vom September 1998 gestiegen. 4,29 Millionen Erwerbslose meldete die Bundesanstalt für Arbeit in der vergangenen Woche, 324.000 mehr als bei Schröders Regierungsantritt. Bis zur Wahl, da ist man sich selbst im Regierungslager einig, sind allenfalls kosmetische Korrekturen an dieser Bilanz möglich.
Konjunkturflaute in den USA als Sündenbock
Natürlich fehlt es nicht an wohlfeilen Entschuldigungen. Deutschland könne sich schließlich nicht gegen den weltweiten Abschwung stemmen, rechtfertigt sich Schröder, der immer wieder auf die unerwartet lange Flaute in den USA hinweist. Diese wirke als echte Wachstumsbremse - mit entsprechenden Konsequenzen für den Arbeitsmarkt.
Das lassen die Experten aber allenfalls zum Teil gelten. Hätte die Regierung längst überfällige Deregulierungsmaßnahmen durchgeführt, sähe es auf dem Arbeitsmarkt weniger desolat aus, argumentiert der Wirtschaftsweise Bert Rürup. Meinhard Miegel, Chef des Bonner Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft, schlägt in dieselbe Kerbe. Allenfalls 400.000 bis 500.000 Arbeitslose seien der schlechten Wirtschaftslage geschuldet: "Der größte Teil ist jedoch auf strukturelle Ursachen zurückzuführen. Und die sind hausgemacht."
Schon zu Zeiten der Kohl-Regierung war Deutschland Wachstums-Schlusslicht in Europa, war von Gründermentalität und Erfindungsreichtum früherer Jahrzehnte nicht mehr viel geblieben. Die Wirtschaft war ausgerechnet unter einer konservativen Regierung erstarrt. Statt unternehmerisch tätig zu werden, bevorzugte Deutschlands Jugend Beamtenjobs und Angestelltenkarrieren. Trotz vollmundiger Ankündigungen ist es den Sozialdemokraten nicht gelungen, das Land auf neuen Kurs zu bringen. Im Gegenteil.
Wo die Wurzeln der Lähmung zu finden sind, wo wahre Reformen verhindert wurden, darüber sind sich die Experten weitgehend einig: im Arbeitsministerium. Bereits wenige Monate nach seiner Amtseinführung hatte Walter Riester, Schröders Mann für die Arbeit, damit begonnen, die Arbeitswelt in seinem Sinne neu zu ordnen. Doch mit jeder Neuregelung wurde das deutsche Arbeitsmarktrecht bürokratischer und unbeweglicher.
Beispiel Kündigungsschutz: Den hatte die Regierung Kohl ebenso wie die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zurückgestutzt, um das Risiko von Neueinstellungen für die Betriebe zu vermindern. Kaum im Amt, dreht Riester das Rad wieder zurück. Bei Umfragen nennen inzwischen 65 Prozent der Unternehmen den Kündigungsschutz als entscheidenden Hinderungsgrund für die Einstellung neuer Mitarbeiter. Besonders kleine und mittelständische Betriebe könnten sich die Entlassung von Mitarbeitern kaum leisten, wenn es später nicht mehr so gut läuft.
Das Gleiche gilt für die Betriebliche Mitbestimmung, die Riester den modernen Ansprüchen der Arbeitnehmer anpasste. Unter anderem sah die Novelle vor, dass Betriebe ab 200 Mitarbeitern - statt wie zuvor 300 - einen Betriebsrat von der Arbeit freistellen müssen. Das "Erfolgsmodell Betriebliche Mitbestimmung" sei endlich fit für die Zukunft, frohlockte der Minister damals.
Das entpuppte sich aber vielerorts als echter Job-Killer. In dem Göttinger Installationsbetrieb von Andrea Ruhstrat zum Beispiel mussten mit Inkrafttreten des Gesetzes im Juli vergangenen Jahres 16 Mitarbeiter den Betrieb verlassen, weil Ruhstrat sich die 50.000 Euro für einen hauptamtlichen Betriebsrat nicht leisten konnte.
Auch das 325-Euro-Gesetz zur Schaffung zusätzlicher regulärer Teilzeitstellen brachte nicht die erhoffte Wirkung. Mit der Regelung floss die zuvor übliche Pauschalsteuer den Sozialkassen zu. Gleichzeitig wurden die Minijobs aber nur noch für Studenten, Rentner oder Hausfrauen attraktiv. Denn wer eine 325-Euro-Stelle zum Nebenverdienst neben einem anderen Job nutzt, muss seitdem den Zuverdienst voll versteuern.
So hat Riester zwar erreicht, dass mehr Rentner, Arbeitslose und Studenten einen 325-Euro-Job fanden. Aber als Ergänzungsjob für Berufstätige lohnt er sich kaum noch. Insgesamt ist darum die Zahl der 325-Euro-Jobs gleich geblieben, bestätigt Gerhard Kleinhenz, Leiter des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit (IAB).
Wenig Chancen für Existenzgründer
Einen ähnlichen Bremseffekt hatte das Gesetz zur Verhinderung der Scheinselbständigkeit. In der neunziger Jahren wurden häufig selbst Kellner oder Fleischer in Schlachthöfen von ihren Chefs zu Selbstständigen erklärt. Sie erhielten keinen festen Lohn mehr und zahlten nicht in die Sozialkassen ein, ihre Arbeitgeber sparten so die Sozialbeiträge. Tatsächlich gelang es Riester mit dem Gesetz, den Trend zum Outsourcing einzelner Mitarbeiter einzudämmen. Doch gleichzeitig baute er eine viel zu hohe Hürde für echte Existenzgründer. Ein junger Computerfachmann etwa kann sich mit nur ein, zwei Großkunden kaum noch selbständig machen. So verhindert das Gesetz, dass er eines Tages selbst Arbeitsplätze schafft.
Der nächste Flop war das neue Recht auf Teilzeitarbeit, das seit Jahresbeginn 2001 gilt. Eine Million neue Jobs versprach sich Arbeitsminister Walter Riester davon. Sein Kalkül: Wenn die Menschen weniger arbeiten, verteilt sich die vorhandene Arbeit auf mehr Köpfe. Tatsächlich aber entpuppte sich das Gesetz als Job-Blocker für die Frauen. Denn bei ihnen vermuten viele Betriebe, dass sie eines Tages ihr Recht auf Teilzeit geltend machen - und stellen deshalb noch lieber als bisher schon Männer ein.
Auf diesem Weg verpasste die Regierung Schröder ihre größte Chance: Die massenhafte Schaffung von neuen Jobs während des Konjunkturhochs. Denn nur in dieser Phase der Expansion hätte die Deregulierung des Arbeitsmarktes tatsächlich mehr Menschen in Lohn und Brot bringen können. Zum jetzigen Zeitpunkt dagegen, wo die Unternehmen ohnehin die Kosten drücken müssen, würden Lockerungen wie etwa die Aufhebung des Kündigungsschutzes vermutlich nur noch mehr Arbeitslose erzeugen.
Vor diesem Hindergrund konnte auch das Bündnis für Arbeit nicht gedeihen. Das Projekt, das Schröder einst als "das wichtigste" der gesamten Legislaturperiode gepriesen hatte, erstarrte zum Bündnis für Stillstand. Siebenmal seit dem Regierungswechsel hatten sich die Spitzen von Wirtschaft und Gewerkschaften zu Gesprächen im Kanzleramt getroffen. Sie diskutierten über fast alles: die Einführung eines Niedriglohnsektors, die Subventionierung von Löhnen, den Abbau von Überstunden. Sachverständige hatten kladdendicke Gutachten ausgearbeitet, doch die Positionen der Bündnispartner drifteten immer weiter auseinander.
Immerhin gelang es Schröder in den ersten zwei Regierungsjahren, die Gewerkschaften zu maßvollen Lohnforderungen zu überreden. Doch inzwischen sind die Reihen wieder fest geschlossen. Die moderaten Töne zwischen den Verhandlungspartnern gehören der Vergangenheit an. Während der DGB - unterstützt durch die Riester-Reformen - strenge Regeln für den Arbeitsmarkt verlangt und gleichzeitig ein Ende der Bescheidenheit ankündigt, wollen die Arbeitgeber die flaue Konjunktur nutzen, um Deregulierungen durchzusetzen. So ist das Bündnis für Arbeit zu einer Runde von Besitzstandswahrern verkommen. "Ganze Randgruppen wie zum Beispiel die Arbeitslosen", sagt ein Minister, "haben in diesem Spiel keine Lobby."
Dass Schröder in dieser verfahrenen Situation das Ruder noch herumreißen kann, daran glaubt in Expertenkreisen niemand - zumal eine Wirkung für den Arbeitsmarkt noch vor der Wahl kaum zu erwarten ist. Aktionen wie das vor kurzem eingeführte Kombilohn-Modell lassen die Ohnmacht der Regierung dabei nur um so deutlicher zu Tage treten. Von der Maßnahme, die durch Subventionierung von Niedriglöhnen Geringverdienern eine Chance auf dem Arbeitsmarkt eröffnen soll, sind lediglich 15.000 bis 20.000 Jobs zu erwarten. "Purer Aktionismus", schimpft der Wirtschaftsweise Rürup.
Bleibt als einzige Hoffnung, dass in der zweiten Jahreshälfte die Konjunktur wieder anspringt. Doch auch in diesem Fall bezweifeln Fachleute, dass sich dadurch in nennenswertem Umfang Arbeitslose in Lohn und Brot kommen. Denn viele Jobsuchende bringen nicht die Qualifikation mit, die etwa von Handwerkskammern verlangt werden - ein Problem, dass Riester allerdings von der Vorgängerregierung geerbt hat. Sozialforscher Miegel bringt es auf den Punkt: "Wenn eine gute Fee uns über Nacht zwei Millionen neue Jobs zaubern würde, dann hätten wir ein ernstes Problem, sie zu besetzen".
URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,179264,00.html
Serie Schröders Versprechen (2)
Das Jugendproblem
Von Lisa Erdmann
100.000 Arbeitsplätze für Jugendliche und eine Ausbildungsoffensive versprach Gerhard Schröder im Wahlkampf 1998. Herausgekommen ist das milliardenteure Jugendarbeitslosenprogramm "Jump" - die Zahl der Arbeitslosen unter 25 Jahren ist trotzdem nicht kleiner geworden.
Hamburg - Wer hier landet, den hat das Leben bislang nicht mit Glück überschüttet. In dem kargen Klassenraum des Berufsfortbildungswerks im Hamburger Stadtteil Rothenburgsort sitzen 24 junge Erwachsene, denen bislang niemand so recht eine Chance gegeben hat - sie sich selbst häufig genug auch nicht: Der 18-jährige Cem etwa, der keinen Schulabschluss hat und keine Vorstellung von seiner Zukunft. Oder der 23-jährige Sascha, den vor zwei Jahren die Scheidung seiner Eltern so aus der Bahn geworfen hat, dass er seine Lehre als Gas- und Wasser-Installateur ein halbes Jahr vor der Prüfung geschmissen hat. Oder Sandra, 21, die nach der Hauptschule von kurzen Jobs gelebt hat und nun sagt, ihr Traum sei eine Ausbildung als Bäckereifachverkäuferin. So bodenständig träumt, wer auf Trümmern steht.
Vielen der Jugendlichen hier ist ihr eigenes Leben über den Kopf gewachsen. "Die haben den Blick häufig gar nicht frei für eine Ausbildung", sagt Betreuerin Pia Scheuermann. Bevor die jungen Leute mit dem drei Monate langen Berufsorientierungsprogramm beginnen, durchlaufen sie eine individuell angepasste so genannte Hinführungsphase. Dort beschäftigen sich die Betreuer zunächst mit den existenziellen Problemen der Jugendlichen: Obdachlosigkeit und Schuldenberge stehen da an erster Stelle. Erst dann beginnt die Suche nach den persönlichen Stärken und dem dazu passenden Beruf. "Die Teilnehmer haben häufig so viele Negativerlebnisse hinter sich, dass sie sich kaum noch vorstellen können, dass sie irgendwas gut können."
Die Jugendbildungsstätte in Rothenburgsort gehört zu den Einrichtungen, die das Sofortprogramm "Jump" umsetzen. Seit Anfang 1999 fördert die Bundesanstalt für Arbeit damit gezielt Jugendliche unter 25 Jahren, die keine Ausbildung haben oder länger als drei Monate arbeitslos sind. Das Kürzel Jump steht für "Jugend mit Perspektive". Mit einer groß angelegten Kampagne und einer Telefonhotline machte die Bundesregierung vor drei Jahren Werbung für das Projekt. O-Ton Bundesarbeitsminister Walter Riester damals: "Die Menschen sollen wissen, dass Jugendarbeitslosigkeit kein unabwendbares Schicksal ist, sondern aktiv bekämpft werden kann." Bisher haben rund eine halbe Millionen Jugendliche an dem Sofortprogramm teilgenommen. Mehr als drei Milliarden Euro ließ sich der Kanzler dieses Anliegen bis heute kosten.
In der gleichen Zeit ist - tatsächlich - auch einiges an neuen Arbeitsplätzen für Jugendliche hinzugekommen. Vereinbart wurden zum Beispiel 1999 im Bündnis für Arbeit allein 40.000 Ausbildungsplätze im IT-Bereich. Bis Ende dieses Jahres werden es wohl 60.000 sein. Doch über mehr Lehrstellen lassen sich die Problemfälle kaum lösen. "Die Jugendlichen werden langsamer schlau als die Berufe," meint Hans-Otto Bröker vom Arbeitsamt Hamburg.
Das Neue an Jump ist, dass erstmals Arbeitsämter mit Sozial- und Jugendämtern zusammenarbeiten. "Wir erreichen jetzt Jugendliche, an die wir früher überhaupt nicht herankamen", sagt Bröker. Jump fängt die jungen Erwachsenen auf, die vorher durch alle Raster gefallen sind. "Das ist schon eine Art Reparaturbetrieb, den wir hier betreiben", urteilt Bröker. Viele Teilnehmer hatten vorher schon so weit resigniert, dass sie in offiziellen Statistiken bereits gar nicht mehr auftauchten. Es vermittelt den Schwächsten das Gefühl, dass sich noch jemand um sie und ihre berufliche Zukunft kümmert. Das allein scheint bei vielen schon einen Motivationsschub auszulösen.
Wie etwa bei Medine. Die 21-Jährige durchläuft seit zwei Monaten das Jump-Programm. Vorher war sie arbeitslos. Gerade hat sie ein Praktikum als Verkäuferin in einer Bäckerei gemacht - und einen Ausbildungsplatz angeboten bekommen. "Ich hatte vorher solche Schwierigkeiten mich zu bewerben", sagt sie. Das Mädchen mit dem schwarzen Kopftuch hatte für den Lebenslauf nach dem Hauptschulabschluss eine abgebrochene Hauswirtschaftsschule und eineinhalb Jahre Aufenthalt in der Türkei vorzuweisen.
Wegen solcher und ähnlicher Fälle wertet auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Jump grundsätzlich als Erfolg. "Da wird unkonventionell und individuell auf Probleme eingegangen," sagt Johannes Jakobs, DGB-Arbeitsmarktexperte. Fast 40 Prozent der Jungen und Mädchen, die im vergangenen Jahr angefangen haben, erhielten nach DGB-Erkenntnissen vorher keine Unterstützung vom Arbeits- oder Sozialamt.
Die zweite Säule von Jump ist die offensive Ausbildungsplatz-Akquise. Allein in Hamburg haben die über Jump geförderten freien Träger in den letzten zwei Jahren jeweils 900 zusätzliche Lehrstellen in Betrieben aufgetan, die vorher gar nicht oder weniger ausgebildet haben. Angesichts solcher Zahlen bewertet Minister Riester Jump heute als riesigen Erfolg und will es bis 2003 fortsetzen.
Dennoch muss Gerhard Schröder sich dieser Tage vorhalten lassen, dass die Zahl der Arbeitslosen unter 25 Jahren mit mehr als 500.000 höher ist als vor seinem Amtsantritt. So nennt etwa der Arbeitsmarktexperte der Unions-Fraktion, Karl-Josef Laumann, Jump einen Misserfolg. Auch DGB-Fachmann Jakobs attestiert dem Programm Schwächen: Vor allem im Osten seien die Probleme geblieben. "Die Jugendlichen haben dort jetzt zwar eine Lehrstelle, aber später keine Chance auf eine Stelle," moniert der DGB-Mann. "Da hätte mehr passieren müssen."
Bei der Jugendarbeitslosigkeit gibt es zudem ein dramatisches West-Ost-Gefälle - wie bei den übrigen Altergruppen eben auch. Von den unter 25-Jährigen sind im Osten 16 Prozent arbeitslos gemeldet, im Westen zehn Prozent. Kritiker bemängeln, dass das Sofortprogramm lediglich die Unbeweglichkeit im Osten fördere: Viele würden dort lieber die x-te Arbeitsamtsmaßnahme durchlaufen, als etwa in Regensburg eine Stelle anzunehmen.
Die Bundesanstalt für Arbeit selbst hat jüngst Statistiken erstellt, die zeigen, wo die Jugendlichen nach dem Abschluss von Jump bleiben. Das hauseigene Forschungsinstitut IAB ermittelte, dass 24,1 Prozent der Teilnehmer sechs Monate, nachdem sie Jump absolviert haben, einem Job auf dem ersten Arbeitsmarkt nachgehen - gerade mal ein Viertel. Ein weiteres Viertel ist arbeitslos. Der Rest steckt in Ausbildung, besucht wieder die Schule, absolviert eine weitere Trainingsmaßnahme oder steht dem Arbeitsmarkt gar nicht zur Verfügung - etwa wegen Erziehungsurlaubs oder Wehrdienst.
Doch der Erfolg eines solchen Programms lässt sich eben nicht an bloßen Zahlen überprüfen. Denn der Arbeitsmarkt ist keine Maschine, bei der man nur auf den Startknopf zu drücken braucht. Viele Faktoren entfalten Wechselwirkungen, deren Konsequenzen schwer abzusehen sind. Was dem Einzelnen ohne Jump passiert wäre, ist kaum nachzuweisen.
So meint denn auch der Hamburger Berufsberatungschef Hans-Otto Bröker, dass Gerhard Schröder damals vor vier Jahren ein Versprechen abgegeben hat, dass er so gar nicht abgeben konnte. "Ich finde das Wahlversprechen schwierig. Politik schafft keine Arbeit. Sie kann höchstens, wenn Arbeit vorhanden ist, Beschäftigung fördern."
URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,181803,00.html
Serie Schröders Versprechen (3.Teil)
Der Osten auf der Wippe
Von Holger Kulick
Ostdeutschland ist im Aufschwung, sagt die SPD. Nein, im Abschwung, sagt die Union. Vielen Ostdeutschen geht der Streit an der Seele vorbei: Gerhard Schröder hat den Aufbau Ost nicht wie versprochen zur "Chefsache" gemacht, klagen sie und wählen lieber PDS.
Die Nervosität der Genossen ist inzwischen unverkennbar. Als zum Wahlkampfauftakt in Sachsen-Anhalt der Kanzler persönlich im schließungsbedrohten Eisenbahnwaggonwerk Ammendorf auftauchte, duzte er freimütig in einer Rede die Belegschaft, als säßen alle in einem Boot. Gerhard Schröder, so schien es, wollte nicht nur die rund 900 Arbeitsplätze der Waggonbauer retten. Es ging auch um seinen eigenen.
Nur wenige Monate vor der Bundestagswahl wird den SPD-Strategen immer deutlicher bewusst: Der Kanzler hat ein Ost-Problem. Trotz Sommerreisen durch die neuen Länder, Fabrikeinweihungen wie kürzlich bei VW in Dresden oder Kaffeeklatsch mit neu entdeckten Ost-Cousinen hat Schröder das dritte seiner Wahlversprechen von 1998 keineswegs erfüllt: "Der Aufbau Ost wird zur Chefsache und mit einem gebündelten Zukunftsprogramm vorangetrieben."
Die Arbeitslosenquote im Osten ist mit 17,5 Prozent immer noch doppelt so hoch wie im Westen. Nach Angaben des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH) schrumpfte die Wirtschaftsleistung in den neuen Bundesländern 2001 sogar erstmals seit der Wende um 0,5 Prozent. Damit vergrößerte sich der Wohlstandsabstand zum Westen, statt zu schrumpfen.
Zum Schönwettermachen plant der Kanzler nun statt vierzehntägiger Sommertour ein Dauerreiseprogramm mit Einzeltrips quer durch alle Ostregionen. Und die Partei liefert Schützenhilfe.
So wird erstmals in der SPD-Geschichte am 10. März in Magdeburg ein Sonderparteitag nur der ostdeutschen Landesverbände stattfinden - mit über tausend Delegierten. Dort soll ein gemeinsamer Leitantrag für den SPD-Bundesparteitag am 2. Juni verabschiedet werden. Unter dem Motto "Der Osten ist ein starkes Stück Deutschland" soll die Zukunft der ehemaligen DDR sicherer werden.
Nach Auffassung von Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe soll dies zwar kein Spezialevent zwecks "Kanzlershow und Höppner-Jubel" werden. Doch diesen Ruch wird die Veranstaltung nicht los. Schließlich stellt sich der in Magdeburg regierende Ministerpräsident Reinhard Höppner am 21. April den Wählern und es ist derzeit nicht mehr ausgeschlossen, dass die PDS in Sachsen-Anhalt stärker wird als die Sozialdemokraten. Ein solches Signal bei der letzten Testwahl vor dem 22. September wäre jedoch für Gerhard Schröder fatal.
Deshalb wird nunmehr auch die Selbstkritik größer geschrieben als in den vergangenen drei Jahren. Trotz zahlreicher Einzelförderprogramme "müssen wir einräumen, dass der Arbeitsmarkt in Ostdeutschland stagniert", heißt es in dem Antrag, oder: "Gerade die Abwanderung junger Menschen und Fachkräfte aus Ostdeutschland in die alten Bundesländern geht einher mit einem Verlust an Kompetenz und Zukunftsvertrauen für bestimmte Regionen". Solche Zwischentöne sind neu, denn besonders die Abwanderung hatte die Bundesregierung lange Zeit verharmlost. "Realismus" soll zukünftig groß geschrieben werden, postuliert Brandenburgs SPD-Vorsitzender Matthias Platzeck, der zunehmend als SPD-Fürsprecher des Ostens in den Mittelpunkt rückt.
Ehrlichkeits-Offensive
Für eine solche Ehrlichkeits-Offensive haben sich schon seit längerem SPD-Bundestagsabgeordnete wie Mathias Schubert aus Fürstenwalde, Edelbert Richter aus Weimar oder Iris Gleicke aus dem Bezirk Suhl stark gemacht. Sie wollen Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Intern indes wird ihr Vorbild, Wolfgang Thierse, der vor zwei Jahren den Warnruf vom "Osten auf der Kippe" ausstieß, immer noch von SPD-Generalsekretär Franz Müntefering als Pessimist abgetan. Wählerverunsicherung und Anstiftung zur Resignation, so die Lehre der Wahlkampf-Manager, sollen eigentlich nicht sein.
Da kommt es wie gerufen, dass das Dresdener Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung dieser Tage ein Hoffnungspflänzchen pflanzte, auf das SPD-Stratege Müntefering sogleich verwies. Sowie sich die Konjunktur erhole, prophezeien die Wirtschaftsforscher dem Osten einen größeren Boom als dem Westen, denn inzwischen habe die hochmodernisierte Industrie in den neuen Ländern wieder kräftig Fuß gefasst. Der Auftragseingang sei im Osten deutlicher gewachsen als im Westen.
"Ostdeutschland läuft besser als Westdeutschland", folgert das Institut und prognostiziert im verarbeitenden Gewerbe schon in diesem Jahr einen Zuwachs von etwa vier Prozent.
Gleichwohl "ist die industrielle Basis noch zu schmal", um als Wachstumsmotor die hohe ostdeutsche Arbeitslosenquote nennenswert zu reduzieren, warnt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Denn noch immer frisst der Zusammenbruch des Baugewerbes im Osten alle statistischen Zugewinne auf und drückt auf die Stimmung.
Deshalb sind der Regierung derzeit spektakuläre Erfolge wichtig, die dieses Stagnationsgefühl überlagern können. Schließlich lebt im Osten Deutschlands das größere Wechselwählerpotenzial als im Westen, das besonders empfindlich reagiert, wenn sich Wahlversprechen als Luftnummern erweisen. Zwar hat Kanzler Schröder keinesfalls "blühende Landschaften" vorhergesagt wie sein Amtsvorgänger Helmut Kohl. Aber das vollmundige Wort von der "Chefsache" suggerierte, dass der Kanzler persönlich wie ein Superman im Osten wirken könne.
Stattdessen schuf er zunächst nur einen Staatsministerposten, der chefnah sein Büro im Kanzleramt und einen Stuhl am Kabinettstisch hat.
Überraschend setzte Schröder den Thüringer Juristen und Ökonomen Rolf Schwanitz auf diesen Stuhl - blasser hätte diese Personalentscheidung kaum ausfallen können. Denn der nüchterne Schwanitz hat sich als wenig beeindruckender Verkäufer von neuer deutscher Ostpolitik erwiesen - mag er hinter den Kulissen als noch so fleißiger Sachbearbeiter gelten, der Schröder den Ost-Rücken freihält.
Drei "I"s versprach Schwanitz: Investitionen, Innovationsstrategie und Infrastrukturausbau. Aber oft redete der Ostbeauftragte schön, obwohl die Resultate mager bleiben. Zwar betrage das durchschnittliche Bruttoinlandsprodukt ostdeutscher Arbeitnehmer nur 68 Prozent von denen im Westen, gab er im Oktober letzten Jahres wie ein Buchhalter zum Besten, aber auch der Erwerbstätige in Rheinland-Pfalz käme im Vergleich zu Bürgern in Hessen nur auf eine Produktivität von 75 Prozent, "ohne dass in Rheinland-Pfalz dadurch gegenüber den Hessen das Gefühl von Bürgern zweiter Klasse aufkommt".
"Kein Zauberstab"
Auch die Abwanderung relativierte Schwanitz gerne: "Ich halte das Bild von einem ausblutenden Osten nicht nur für übertrieben, sondern auch inhaltlich falsch. Das Phänomen Abwanderung gibt es innerhalb der alten Länder auch zwischen Nord und Süd". Auf diese Weise wollte Schwanitz gegen mentalitätsbildende Klischees ankämpfen, schuf aber unter Ostdeutschen selber eins - dass die Bundesregierung die begründeten Ost-Sorgen nicht ernst genug nimmt.
Inzwischen ist Schwanitz bemüht, mehr Realismus zu zeigen, und versucht allzu große Hoffnungen zu dämpfen. Der Staat verfüge "nicht über einen Zauberstab" und könne "keine Wunder" vollbringen, formuliert er gerne, schließlich heißt es schon im Koalitionsvertrag zwischen SPD und Grünen: "Die neue Bundesregierung wird den Menschen in Ostdeutschland keine unrealistischen Versprechungen machen".
12 sehr pauschale Unterpunkte sind dort genannt, um ein "Aufbauprogramm Zukunft Ost durchzuführen". Sie reichen von fortgesetzten "Aufbauhilfen bei erhöhter Zielgenauigkeit" bis "Zügige Fortführung der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit" und werden mit Sicherheit auch im nächsten Programm wieder auftauchen. Denn die deutsche Einheit zu vollenden, ist ein Langzeitprojekt - mindestens bis 2020.
Das beweist Schröders größter Durchbruch für den Osten, der Solidarpakt II, den der Kanzler Ende Juni 2001 bei den Westbundesländern durchsetzen konnte. Von 2005 bis 2019 erhalten die neuen Länder 156,5 Milliarden Euro. So lange gilt der Osten als bedürftig.
Der heimliche Ost-Chef: Wolfgang Thierse
Für die überraschend großzügige Zustimmung der Westländer hat aber auch Bundestagspräsident Thierse gesorgt, der sich die Not der neuen Länder gleichsam zu seinem eigenen Chef-Anliegen machte. "Wenn Thierse nicht gewesen wäre, hätte sich vieles nicht so einfach durchsetzen lassen", meint die SPD-Bundestagsabgeordnete Iris Gleicke. Seine Analyse habe sicherlich provoziert, aber auch "viele sensibler gemacht". Das habe den raschen Durchbruch beim Solidarpakt II und bei der Durchsetzung eines zusätzlichen milliardenschweren Stadtumbauprogramms Ost erheblich erleichtert.
Als eigentlicher Anwalt des Ostens Profil gewonnen: WolfgangThierse
Von Thierse lernen heißt siegen lernen, sagt sich jetzt offenbar auch der Kanzler und zeigt mit offeneren Worten Ost-Engagement. So appellierte er im Dezember öffentlich von Dresden aus an die europäische Kommission, die Fördermittel für Großinvestitionen im Osten nicht zu beschränken: "Ich halte diese Förderung für notwendig, denn die Ansiedlung von Großbetrieben - das muss man bei der Kommission in Brüssel kapieren - ist ein wichtiger Kristallisationspunkt für die Herausbildung von Wachstumskernen, um die es uns geht. Das müsste eigentlich auch der Europäischen Kommission einleuchten".
Der so markig vorgetragene Appell fruchtete. Die Förderung wird nun bis Ende 2003 fortgesetzt und danach noch bis 2006 - in allerdings stark verringertem Maße - weitergeführt. Das Zugeständnis durften sich am 11. Februar die Kanzler-Emissäre Höppner und Schwanitz höchstpersönlich bei EU-Kommissar Mario Monti abholen - so als wär's ein werbewirksamer Ritterschlag.
Wie viel Schwung steckt im Osten?
Noch sitzt der Osten aber auf der Wippe. Es fehlt ein anhaltender Aufschwung, der die Angleichung an West-Standards wenigstens erreichbar erscheinen ließe. Um ihn zu festigen, müsse Ostdeutschland zum "Modellprojekt" werden, meint Wolfgang Gerstenberger vom Ifo-Institut Dresden. Trotz öffentlicher Sparzwänge seinen dafür nicht nur vorgezogene Infrastrukturmaßnahmen unumgänglich.
Die neuen Länder müssten auch zum Vorreiter in der Entbürokratisierung werden, um dem Mittelstand Luft zu verschaffen, fordert der Experte, ferner zum konsequenteren Partner für ostwesteuropäische Kooperationen. Außerdem seien einfallsreiche Initiativen im Niedriglohnbereich erforderlich, dazu sei aber "kein Veränderungswille in der Gesellschaft da". Diesen Widerstand zu brechen, so meint der Wirtschaftsfachmann, wäre wirklich Aufgabe für einen Chefdenker in Sachen Aufbau Ost.
URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,179266,00.html
Schröders Wahlversprechen (4)
Die leicht marode Ideenfabrik
Von Jochen Leffers
Eine Verdoppelung der Bildungsinvestitionen hatte die SPD-Spitze 1998 versprochen. Das hohe Ziel konnte die Bildungsministerin bei weitem nicht erreichen. Dennoch erntete Edelgard Bulmahn viel Respekt in der Fachwelt, auch wenn ihr die Länderkollegen immer wieder in die Parade fuhren.
Edelgard Bulmahn: Emsiges Aktenstudium, wenig Glamour
Seit gut zwei Jahrzehnten enthält der Forderungskatalog der siechen deutschen Hochschulen drei rituelle Kernaussagen: Mehr Geld! Mehr Geld! Mehr Geld!
Verdutzt und skeptisch zugleich reagierten daher die Rektoren, als die Bundes-SPD 1998 einen rasanten Kurswechsel ankündigte: "Deutschland als Ideenfabrik durch Verdoppelung der Investitionen in Bildung, Forschung und Wissenschaft in fünf Jahren" - so stand es wörtlich auf den Kärtchen, die Gerhard Schröder vor der Wahl unters Volk bringen ließ.
Edelgard Bulmahn, damals noch Oppositionspolitikerin, war selbst erschrocken, als Oskar Lafontaine - noch im Vorwahlkampf - auf einem SPD-Innovationskongress erstmals die kühne Verdoppelungsthese vortrug. Als Bundesbildungsministerin musste sie die Erwartungen stutzen: Bald war nur noch von doppelten "Zukunftsinvestitionen" die Rede. Und unter dem Druck von Finanzminister Eichel räumte Bulmahn ein, dass die Ausgabensteigerung "etwas langsamer" gehen werde.
"Wirklichkeitsrabatt" für das Wahlversprechen
Dann allerdings halfen ihr die Erlöse aus dem Verkauf der UMTS-Lizenzen. Überwiegend werden sie zur Schuldentilgung verwendet, aber Zinsersparnisse von jährlich rund 2,5 Milliarden Euro steckt die Bundesregierung in ein "Zukunftsinvestitionsprogramm". Ein beträchtlicher Teil davon floss vor allem in die "Zukunftsinitiative Hochschule" und in die Genomforschung. Auch die Internationalisierung der Hochschulen trieb Bulmahn voran und konnte zudem beim Hochschulbau, über viele Jahre ein Zankapfel zwischen Bund und Ländern, zulegen. Und, so räumen selbst Bulmahn-Kritiker zumindest hinter vorgehaltener Hand ein, dass sie im zähen Ringen mit Sparkommissar Hans Eichel keine schlechte Figur machte.
Nachgerechnet werden muss erst in einem Jahr. Aber schon heute bleibt kein Zweifel, dass die rot-grüne Regierung das ursprüngliche Ziel allerdings klar verfehlt: Ganz egal wie man rechnet - eine Verdoppelung der Ausgaben kommt unter dem Strich nie heraus. Trotzdem kann Bulmahn Erfolge melden. Denn ihre Vorgänger der neunziger Jahre, vom ostdeutschen Schweiger Rainer Ortleb über den Wuppertaler Professor Karl-Hans Laermann bis zu Jürgen "Zukunft" Rüttgers, hatten die herausragende Bedeutung der Wissenschaft für den Standort Deutschland stets nur wortreich beschworen. Tatsächlich nutzte die CDU/FDP-Koalition den Bildungs- und Forschungsetat nur als Steinbruch für Ausgaben in anderen Bereichen.
SPD und Grüne kehrten den Trend um und erhöhten die Ausgaben auf 8,4 Milliarden Euro im laufenden Jahr - eine neue Rekordmarke und, je nach Rechnung, 15 bis 20 Prozent mehr als 1998. Dass es für eine Verdoppelung der Bildungsinvestitionen nicht reichte, hat "an den Hochschulen niemanden verblüfft", sagt Klaus Landfried. Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz meint: "Angesichts des strikten Konsolidierungskurses hat sich Bulmahn wacker geschlagen und tatsächlich neue Prioritäten gesetzt."
Studiengebühren: Abgeprallt an der Länderwand
Edelgard Bulmahn ist von Haus aus Studienrätin und sitzt seit 15 Jahren im Bundestag. Forschungspolitik wurde rasch ihr Metier - ohne viel Zinnober und Firlefanz. Gleichwohl gilt sie als harte Verhandlerin. Mit den Ländern jedenfalls hat die 50-jährige Niedersächsin keinen Konflikt gescheut. Oft holte sie sich dabei Blessuren: Weil Bildungspolitik in Deutschland in erster Linie Sache der Länder und nicht des Bundes ist, ließen die Kultusminister Bulmahn immer wieder abblitzen.
Studentenkampagne gegen Rot-Grün: Ewiger Zankapfel Studiengebühren
Besonders ungemütlich blies der Gegenwind beim leidigen Dauerbrenner Studiengebühren. In der Koalitionsvereinbarung hatten SPD und Grüne gelobt, ein bundesweites Gebührenverbot zu verankern. Aber schon gleich nach Bulmahns Amtsantritt im Oktober 1998 fuhr ihr ausgerechnet Niedersachsens Wissenschaftsminister Thomas Oppermann wüst in die Parade. Der SPD-Politiker trat beherzt für Studiengebühren ein und brüskierte damit die Bundesbildungsministerin, im Nebenjob immerhin niedersächsische Landesvorsitzende der Sozialdemokraten.
Bulmahn ist aus Überzeugung gegen Gebühren, musste aber von ihrem Ziel wegen hartnäckigen Widerstands aus den Ländern Schritt für Schritt abrücken. Als erstes Bundesland führte Baden-Württemberg Gebühren für Langzeitstudenten ein, andere Länder wollen nachziehen. Unterdessen setzen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz auf ein "Studienkonten"-Modell, das zwar ebenfalls Gebühren bei langem Studium ermöglicht, aber ohne starre Semestergrenzen auskommt.
Mit dem zunächst geplanten Gebührenverbot per Staatsvertrag zwischen Bund und Ländern holte Bulmahn sich eine Abfuhr. Noch versucht sie, einen zumindest vorläufigen Verzicht per Hochschulrahmengesetz durchzuboxen. Ob ihr das gelingt, ist ungewiss - die ersten Länder drohen bereits mit einer Verfassungsklage. Sie wollen sich die Finanzierung ihrer Hochschulen nicht vom Bund vorschreiben lassen. Von Studentenvertretern handelte Bulmahn sich angesichts ihres Schlingerkurses eine Rücktrittsforderung ein; das Echo der Rektoren ist geteilt. "Es war taktisch sicher nicht weise, sich so weit aus dem Fenster zu lehnen", meint HRK-Präsident Landfried, ein Befürworter "intelligenter" Studiengebühren.
Bei der längst überfälligen Reform des Bafög scheiterte Bulmahn am Kanzler höchstselbst. Der große Reformwurf glückte nicht, und dennoch kann die Bilanz sich sehen lassen. 1971 war das Bafög eingeführt wurden, um auch Kinder aus schlechter situierten Elternhäusern ein Studium zu ermöglichen. Danach war es mit der Studienförderung stetig und rapide bergab gegangen, bis CDU und FDP sie endgültig skelettierten. Zuletzt erhielt nur noch jeder siebte Student staatliche Unterstützungszahlungen. Selbst der Höchstsatz reichte nicht mehr für ein Studium ohne finanzielle Sorgen. So mussten zwei Drittel aller Studenten sich mit Zeit raubenden Jobs über Wasser halten, immer weniger Arbeiterkinder wagten den Sprung an die Hochschule.
Unter der neuen Regierung hofften alle Experten auf einen echten Durchbruch beim Bafög. Ihr Favorit war das Drei-Körbe-Modell mit einem Sockelbetrag für alle Studenten. Der Staat, so die Grundidee, sollte jedem Studenten etwa 200 Euro monatlich direkt überweisen und dafür den Eltern Kindergeld und Steuerfreibeträge streichen. Damit wollte auch Bulmahn verhindern, dass erwachsene Studenten bei ihren Eltern um den Unterhalt betteln oder sie gar verklagen müssen.
Schlagerbarde Guildo Horn als "Bafög-Botschafter"
Doch dann beerdigte Gerhard Schröder das hochgelobte Konzept mit einem harschen Machtwort. Seine verwegene Begründung: Viele Familien hätten das Geld schließlich fest für die Abzahlung ihrer Eigenheime eingeplant - eine schallende Ohrfeige für die Bildungsministerin. Weil das Bafög nun gerade nicht für Häuslebauer gedacht ist, reagierten Studentenvertreter, Rektoren und das Deutsche Studentenwerk verdattert bis entsetzt.
Zum Trost hatte Edelgard Bulmahn danach, immerhin, den Segen des Kanzlers für eine "Reform light". Zum 1. April vergangenen Jahres wurde das Bafög runderneuert. Die Höchstsätze stiegen ebenso spürbar wie die Freibeträge der Eltern, die Förderung für Auslandssemester wurde verbessert. Und bei der Darlehensrückzahlung wurde die Schuldenlast auf maximal 20.000 Mark "gedeckelt"; zuvor hatten Absolventen gigantische Schuldenberge von über 30.000 Mark abstottern müssen. Außerdem können klamme Studenten jetzt Bildungskredite zu günstigen Zinssätzen beantragen.
Dienstrechtsreform: Schwelender Konflikt
Als "Jahrhundertreform" preist Bulmahn das neue Dienstrecht, das sie gegen wütende Proteste der Professoren-Lobby durchsetzte. Einer der Kernpunkte ist der neue Leistungslohn für Hochschullehrer: Sie erhalten künftig ein Grundgehalt, etwa ein Viertel ihrer Bezüge ist abhängig vom Engagement in Forschung, Lehre und akademischer Selbstverwaltung - und nicht mehr vom "dienstlich unauffälligen Altern", wie es Rektoren-Präsident Klaus Landfried einmal formulierte.
Forscherprotest in Bielefeld: "Verschrottung einer ganzen Generation?"
Dass Hunderte von Professoren per vierseitiger "FAZ"-Anzeige protestierten, konnte Bulmahn noch eher vergnügt als Rebellion emsiger Besitzstandswahrer abtun. Aber ebenso umstritten wie der Leistungslohn ist der neue Qualifizierungsweg für Wissenschaftler: Die Bildungsministerin will die Habilitation durch Juniorprofessuren ersetzen. Diplom, Promotion, Habilitation lauten bisher die klassischen Stationen auf dem Weg zur ersten Professur. Doch dort kommen Wissenschaftler im Schnitt erst mit über 40 Jahren an. Vor allem das Habilitationsverfahren, eine deutsche Spezialität, hält Bulmahn für "zu langwierig und undurchsichtig". Das neue Gesetz ist bereits beschlossen, aber vom Bundespräsidenten noch nicht unterzeichnet.
In den letzten Wochen rumorte es nun gewaltig an den Unis: Unter jungen Wissenschaftlern grassiert die Angst vor "Massenentlassungen". Sie befürchten, dass eine ganze Generation unter die Räder gerät, weil befristete Stellen nach der von Bulmahn verfügten insgesamt zwölfjährigen Qualifizierungsphase jetzt nur noch ausnahmsweise zulässig sein sollen. Von einer "Verschrottung" der Privatdozenten ist die Rede, von einer beispiellosen "Ausbootung" und "Elitevernichtung". Das Bundesbildungsministerium hält das indes für "Panikmache" und hat inzwischen eine Hotline eingerichtet, eine Info-Kampagne soll folgen. Etwas Telefonseelsorge und Imagewerbung werden indes kaum reichen, um die teils ratlosen, teils schwer erbosten Forscher zu besänftigen.
Der Forscheraufstand trübt die Bilanz Bulmahns, die ansonsten recht passabel ausfällt und ihr auch den Sprung ins nächste Kabinett sichern könnte - sofern es keinen Regierungswechsel gibt und nicht die FDP nach dem Bildungsministerium greift. Guido Westerwelle schielt längst öffentlich nach dem Amt, auch Jürgen Möllemann liebäugelt abermals mit seinem früheren Job. Beide verkörpern einen völlig anderen Politikertypus als die zurückhaltende, aber fachkompetente SPD-Frau.
Eines hat sie seit 1998 nicht geschafft: ihre Themen offensiv in die Schlagzeilen zu tragen. Schauturnen in Talkshows oder Heißluftproduktion à la Möllemann ist einfach nicht die Welt der eher spröden Norddeutschen. Ihren Bekanntheitsgrad konnte sie daher nicht wesentlich erhöhen - einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Marplan zufolge haben zwei Drittel der Deutschen den Namen der Bildungsministerin noch nie gehört. Der deutlich schlechteste Wert im Kabinett.
URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,179267,00.html
Schröders Wahlversprechen 5. Teil
Ein Hardliner in Verlegenheit
Von Severin Weiland
Das NPD-Verbotsverfahren hat Otto Schilys Image lädiert - aber bei der Kriminalitätsbekämpfung machte der Innenminister Boden gut, die Bürger honorieren seinen Kurs. Umstritten bleibt seine Sicherheitsoffensive nach dem 11. September - mit immer neuen Befugnissen für die Geheimdienste.
Hat Kanzler Schröder immer noch gut lachen?
In diesen Tagen ist es für Otto Schily wahrlich keine Freude, in die Zeitungen zu schauen. Die Pannen rund um das NPD-Verbotsverfahren vergällen dem Bundesinnenminister gehörig die Laune. In der Gunst der Wähler ist Schily, einst unangefochten ein Star im Kabinett von Gerhard Schröder, in den letzten Monaten stark abgefallen. Derzeit hält sich der ehrgeizige Jurist auf Platz zehn.
Doch Schily kann immerhin hoffen. Die Zufriedenheit der Bundesbürger mit seiner Arbeit wächst. 12 Prozentpunkte mehr Zuspruch als im September 2000 verbuchte die Koalition laut Infratest-Dimap im Januar bei der Kriminalitätsbekämpfung. Kann sich Schröder über die neuesten Daten aber wirklich freuen? Wohl nur bedingt. Zwar sank die Zahl der Unzufriedenen um fast denselben Wert - mit 61 Prozent aber ist sie weiterhin hoch.
Ein gefährliches Frustpotenzial. Dabei hatte Schröder im Wahlkampf 1998 in der Inneren Sicherheit vier Dinge versprochen: Kriminalität und ihre Ursachen zu bekämpfen, Geldwäsche zu verhindern, illegales Vermögen einzuziehen und Schwarzarbeit zu verhindern.
Wie kein anderes Kabinettsmitglied hat Schröders Innenminister nach den Anschlägen in den USA die Chance erkannt, politisch zu gestalten. Zugute kam Schily eine Stimmungslage in breiten Teilen der Bevölkerung, die mehr Sicherheit verlangte. Schily versprach schon am Tag nach den Angriffen Abhilfe. Seine Behörde brachte bald darauf eine Flut neuer Gesetzesänderungen ein. "Auf seinem Feld hat sich der Bundesinnenminister nach dem 11. September stark profiliert - man kann also schon von einem Schily-Effekt sprechen", konstatiert der Wahlforscher Heiko Gothe vom Berliner Institut Infratest-Dimap.
Otto Schily: In Verlegenheit
Manchmal braucht es, wie im Falle Schily, einfach nur Fortune. Und die hatte Schily reichlich. So durfte sich der Minister, der einst bei den Grünen angefangen und schließlich bei der SPD gelandet war, in den ersten beiden Amtsjahren gehörig über die Ergebnisse der Kriminalitätsstatistiken freuen.
Kriminalität insgesamt gesunken
Schließlich sank unter seiner Amtsführung die Kriminalität - 1999 um 2,4 Prozent, in 2000 nochmals um 0,3 Prozent. Schily war zufrieden und warb in einer Art und Weise, wie sie kein Werbemanager der SPD besser hätte bewerkstelligen können. Deutschland, verkündete er stolz, sei im internationalen Vergleich "eines der sichersten Länder". Allein die Aufklärungsquote schwerer Straftaten verhieß sensationelle Ergebnisse. Seit 1966 waren nicht mehr so viele Straftaten, nämlich mehr als die Hälfte (rund 53 Prozent) erfolgreich ermittelt worden. Wehrmutstropfen war allenfalls die Zunahme der Scheckkarten-Tricksereien und die der Drogendelikte - allein im Jahr 2000 stiegen diese um 7,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Für CDU und CSU ist Schily ein mächtiger Konkurrent. Folglich tat die Union, was jede Opposition tun muss: Sie rückte die Statistik auf ihre Art zurecht. Unter der Schröder-Regierung habe es mit 6,3 Millionen Delikten mehr Straftaten gegeben als 1990 - damals seien noch 4,4 Millionen verzeichnet worden. Was die Union bei dieser Rechnung allerdings tunlichst verschwieg, war der Umstand, dass Ostdeutschland damals mit einer niedrigen Kriminalitätsquote in die Einheit startete. Heute hat sich das Niveau in vielen Feldern weitgehend angeglichen.
Die Erfolge Schilys sind kein Titanenakt eines Einzelkämpfers. Wie alle seine Vorgänger hängt sein Erfolg und Misserfolg nicht zuletzt an dem seiner Amtskollegen. Polizeiarbeit ist - bis auf die Institutionen des Bundes (Bundeskriminalamt, Bundesgrenzschutz und Zoll) weitgehend Ländersache. Und so profitiert der Bundesinnenminister, wenn anderswo gute Arbeit geleistet wird. Ein Beispiel: Bei der Zahl der Kriminalitätsdelikte konnte Sachsen-Anhalt allein in den Jahren 1999 und 2000 ein Minus von 6,6 Prozent verzeichnen - und verschönerte damit die Erfolgszahlen der Kriminalitätsstatistik, die Schily in den vergangenen Jahren den Medien gut gelaunt vorlegte.
Mehr Sicherheit durch Abbau von Bürgerrechten?
Schily "ist der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt", meint denn auch der Innenexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz. Die SPD weiß, dass sie im Augenblick keinen besseren Minister hat. Schily ist ein eingeführtes Markenzeichen - nicht zuletzt dank dem 11. September. Im Eiltempo und fast ohne gesellschaftliche Gegenwehr legte der Minister in den Monaten Oktober und November eine Gesetzänderung nach der anderen vor. Manchem Parlamentarier wurde da ganz mulmig. Der FDP-Rechtsexperte Max Stadler meint, er habe manchmal den Eindruck, Schilys Ministerium und die Sicherheitsbehörden "hätten ihre Schubladen geleert".
17 Gesetzesänderungen und weitere Verordnungen wurden noch vor der Weihnachtspause durchgebracht. Allen voran Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt und Bundesgrenzschutz durften sich freuen. Unter anderem ermöglichen die Änderungen den Geheimdiensten, künftig bei Kreditinstituten sowie Finanz- Luftfahrt- und Telekommunikationsunternehmen Kundendaten abzufragen. Bewaffnete Sky-Marshalls des Bundsgrenzschutzes fliegen in Flugzeugen mit, Personen in sicherheitsrelevanten Anlagen von Flughäfen und anderswo werden vom Verfassungsschutz geprüft. Beim Ausländerrecht kam Schily der Union weit entgegen, auch wenn diese noch härtere Regelungen verlangt hatte. Ausländer können nun so rasch wie möglich ausgewiesen werden, wenn "Tatsachen" belegen, dass sie einer terroristischen Vereinigung angehören.
Hardliner und rechtstaatlicher Jurist - der Spitzenmann der SPD versteht die Rollenspiele. Gegner wie Freunde verstört und betört er gleichermaßen. Im "Grunde ist Schily ein Liberaler", glaubt Sebastian Edathy, ein junger SPD-Bundestagsabgeordneter und Rechtsextremismusexperte. Die Öffentlichkeit, meint der 32-Jährige, habe einfach ein falsches Bild vom Bundesinnenminister. Vielleicht. Schily schafft es immer wieder, seine Kritiker zu überraschen. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Manfred Kanther hat er die Kriminalitätsbekämpfung nicht allein auf statistische Zahlenkolonnen verengt. Unter seiner Amtsführung und in Zusammenarbeit mit dem Bundesjustizministerium wurde erstmals ein "Periodischer Sicherheitsbericht" vorgelegt, an dem Soziologen, Sozialwissenschaftler und Polizeiexperten gemeinsam den Ursachen von Gewalt nachgehen und auch statistische Größen, die gerne in der öffentlichen und politischen Darstellung missbraucht werden, in Frage stellen.
Suche nach den Ursachen von Gewalt
Solche Einschätzungen heben sich wohltuend vom Ton vergangener Jahre ab. Schily sprach denn auch die Hoffnung aus, man könne eine "vertiefte Diskussion" über die Ursachen der Gewalt führen. Jugendliche ohne Perspektive, ohne Ausbildungsplatz und Job seien besonders anfällig für Kriminalität. Schilys Gegenmittel wirken ein wenig hausbacken, aber der Minister wird nicht müde, sie bei passender Gelegenheit zu propagieren: Die Sporterziehung müsse gestärkt werden, fatal sei auch die Tendenz, dass immer weniger Jugendliche Musikinstrumente erlernten. Stark gemacht hat sich Schily auch für den Aufbau der Stiftung "Deutsches Forum für Kriminalitätsprävention", die sich Ende vergangenen Jahres in Berlin gründete. Das Ziel: Ansprechpartner für bereits seit Jahren existierende Initiativen zu sein, die oftmals in den Kommunen im Zusammenwirken von Sozialarbeitern und Polizisten vorbeugend tätig sind.
Trotz positiver Ansätze zu einer liberalen Kriminalitätspolitik - das Bild des Hardliners wird Schily so schnell nicht los. Dabei gehen manche weitreichende Änderungen nicht allein auf ihn zurück. Schleichend haben die Innenpolitiker unter Rot-Grün den Abbau von Bürgerrechten weiterbetrieben. Schon vor dem Herbst 2001 wurden, von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, den Geheimdiensten mehr Kompetenzen zugewiesen. Im Mai verabschiedete die Koalition die - auf Grund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts notwendig gewordene - überarbeitete Fassung des G-10-Gesetzes.
Rot-Grün stützt Schilys Kurs
Ihr Inhalt war nicht weniger brisant als die wenige Monate später verabschiedeten Sicherheitsgesetze. Zwar wurden der G-10-Kommission des Bundestages mehr Kontrollmöglichkeiten zugebilligt, die Geheimdienste aber waren die eigentlichen Profiteure der Novelle. Seitdem ist der Bundesnachrichtendienst befugt, neben dem Satellitenfunk auch den kabelgebundenen Fernverkehr abzuhören.
Die Liste der vorgesehenen Sicherheitsgesetze ist noch nicht abgearbeitet. So verbuchte Schily jüngst im Kampf gegen die Geldwäsche einen Punktsieg gegen Finanzminister Hans Eichel. Die "Financial Intelligence Unit" (FIU), wie die künftige Zentralstelle für Verdachtsanzeigen heißen soll, kommt nicht, wie eigentlich vorgesehen, unter Aufsicht des Finanzministeriums, sondern wird nun doch dem Bundeskriminalamt in Wiesbaden zugeschlagen.
Kampf der Schwarzarbeit: Gesetz noch vor der Wahl?
Die Einrichtung einer FIU - zunächst von Eichel geplant - war schon seit langem von der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit, gefordert worden. Schließlich ist die Bundesrepublik das einzige Land unter den führenden sieben Industriestaaten der Welt, das über keine Zentralstelle solcher Art verfügt.
Die Aufgabe der geplanten FIU, Verdachtsanzeigen von Banken, Rechtsanwälten und Beratern zentral auszuwerten und mit ausländischen Behörden auszutauschen, findet jedoch keineswegs ungeteilte Zustimmung. Das vorgesehene automatische Abrufsystem für Konten bei der FIU sei eine "einschneidende Beschränkung der Persönlichkeitsrechte der Kunden von Kreditinstituten", klagte vorige Woche erst der Zentrale Kreditausschuss der Banken. Zwar werden keine Kontenstände erfragt. Aber auch so wäre das neue System ein gewaltiger Kraftakt.
Banken sollen Kontenabfrage ermöglichen
Die Banken sollen nicht nur die Stammdaten (Kontoinhaber, Geburtsort) sammeln - sie sollen auch ihre Konten auf Verdachtsmomente durchforsten und zur Abfrage zur Verfügung stellen. Doch ob die FIU, die den Datenzugriff hätte, wirklich Abhilfe bei der Aufklärung schaffen wird, darf bezweifelt werden. Bislang ist der Kampf gegen die Geldwäsche ein mühsames Unterfangen. In den letzten acht Jahren konnte von mehr als 22.000 Personen, die wegen Geldwäsche angezeigt wurden, kein einziger überführt werden, erklärte jüngst bei einer Anhörung im Bundestag der Generalstaatsanwalt von Frankfurt am Main, Günter Wittig. Zwar sei es zu 180 Verurteilungen gekommen, aber zumeist nur deshalb, weil die Verdächtigen wegen anderer Delikte, etwa Rauschgifthandel, überführt wurden.
Die Kritik der Kreditinstitute, aber auch die Skepsis der Praktiker, scheint die Bundesregierung nicht von ihrem Vorhaben abzubringen. Am 21. März soll der Gesetzentwurf zum 4. Finanzmarktförderungsgesetz den Bundestag, bis zum 26. April den Bundesrat passiert haben.
Auch in anderen Bereichen drückt die Bundesregierung mächtig aufs Tempo. So, als müsste sie ihre eigene Arbeitsliste noch in allerletzter Minute abarbeiten. Dazu zählt auch der Kampf gegen die Schwarzarbeit. Diese zurückzudrängen hatte Schröder im Herbst 1998 versprochen. Dabei sind die Ausfälle für die Volkswirtschaft enorm. Allein im vergangenen Jahr leitete die Bundesanstalt für Arbeit fast 340.000 Bußgeldverfahren ein, verhängte in 157.000 Fällen auch Strafgelder und kassierte rund 309 Millionen Mark.
Nun will die Bundesregierung nachlegen. Kurz vor Weihnachten verabschiedete das Kabinett einen Entwurf, der weitere zum Teil drastische Verschärfungen vorsieht: So sollen unter anderem künftig Generalunternehmer für die von ihrem Subunternehmer nicht abgeführten Sozialbeiträge haften. Bereits am 1. Juni, so der Wunschplan der Regierung, wird das Gesetz in Kraft treten - vorausgesetzt, Bundestag und Bundesrat stimmen zu. Dann könnte Gerhard Schröder einen weiteren Punkt seiner Liste von Wahlversprechen abhaken.
Gruss
Fonso
PS: Ich wähle Stoiber weil wir dringend mehr Leistungsbereitschaft in unserer Gesellschaft brauchen. Unser Sozialstaat ist nicht mehr bezahlbar. Mit der SPD ist eine Umstrukturierung nicht möglich, darum auch die Rekordverschuldung. Die SPD hat sogar die wenigen leistungsfördernden Gesetze Der Regierung Kohl wieder aufgehoben.
Viele Grüße,
S.Lord
Wahrscheinlich sitzen der Gerd und der Eddi heute zusammen und besprechen schon die Gesetzesvorhaben der nächsten Jahre .... wundern würde mich das nicht.