Deutschland - Ecuador
Für Luis Fernando Suárez, Trainer der Überraschungsmannschaft Ecuador, ist jetzt der Augenblick gekommen, Fussballgeschichte zu schreiben. Nur wenige Stunden vor der Partie gegen Gastgeber Deutschland, bei der es um den ersten Platz in Gruppe A bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Deutschland 2006™ geht, strahlt der aus Kolumbien stammende Trainer dieselbe Ruhe aus, die ihn auch bei der Qualifikation seiner Mannschaft für die zweite Endrunde ihrer Geschichte auszeichnete.
Genau diese Gelassenheit lässt ihn auch erkennen, dass er mit den beiden klaren Siegen gegen Polen und Costa Rica Ecuador mehr als nur das Achtelfinale erreicht hat: Man hat sich den Respekt aller verdient. In einem Exklusiv-Interview mit FIFAworldcup.com analysiert Suárez seine Mannschaft, Gastgeber Deutschland sowie mögliche Gegner im Achtelfinale.
Herr Suárez, zwei Spiele, zwei Siege, keine Gegentreffer und die Qualifikation für das Achtelfinale schon in der Tasche. Wie fühlen Sie sich?
Gut, ich bin ganz ruhig… Meine Träume gehen jetzt weiter. In der Position zu sein, in der wir uns jetzt befinden, und nicht noch weiter kommen zu wollen, wäre armselig. Falls Ecuador der Ansicht ist, dass man sein Ziel bereits erreicht hat, wenn man glaubt, dass man im Achtelfinale ohnehin ausscheiden würde, wäre das eine Schande. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir einen langen Weg zurückgelegt haben, um hierher zu kommen: die Qualifikation, die Gruppenspiele… Warum sollten wir jetzt nicht darum kämpfen, noch mehr zu erreichen?
Ecuador hat seine beiden ersten Partien souverän gewonnen und dabei alle überrascht. Waren Sie auch überrascht?
Nein. Ich bin mir sehr wohl dessen bewusst, dass wir viele Leute überrascht haben, dass niemand so etwas von Ecuador erwartet hätte. Ich hatte diesen Erfolg schon für möglich gehalten. Seitdem wir uns qualifiziert hatten, war ich davon überzeugt, dass wir die nächste Runde erreichen könnten. Wir haben dieses Ziel dann ja auch mit aller Macht angestrebt. Deswegen kann ich mit Fug' und Recht behaupten, dass ich keineswegs überrascht bin.
Abgesehen davon, dass es um den ersten Platz in der Gruppe geht, was bedeutet für Ecuador die Partie gegen Deutschland im Olympiastadion von Berlin noch?
Es ist eine einzigartige Gelegenheit, das fussballerische Niveau in Ecuador zu zeigen. Eine bessere Gelegenheit, ein besseres Stadion und ein besseres Team, um unsere Entwicklung im Weltfussball zu zeigen, gibt es nicht. Wie ich neulich erst in einer Pressekonferenz erklärt habe, ist es die Möglichkeit, Geschichte gegen einen Großen der Geschichte zu schreiben.
Was halten Sie von der deutschen Mannschaft?
Es ist ein Team, das immer gleich spielt, ob sie nun gewinnen, verlieren, qualifiziert oder nicht qualifiziert sind… Sie haben eine gute Einstellung, suchen immer das gegnerische Tor. Man muss stets auf der Hut sein, denn sie nutzen jede Gelegenheit, die sich ihnen nur bietet. Wenn wir versuchen, ihr Tempo - immer 180 km/h! - mitzugehen, würden wir große Probleme bekommen. Am Wichtigsten gegen europäische Mannschaften ist es, den Rhythmus zu ändern, unerwartete Dinge zu tun. Wenn wir unsere Art, Fussball zu spielen, praktizieren, könnten sie Probleme bekommen.
Welche Spieler bereiten Ihnen bei Deutschland am meisten Sorgen?
An erster Stelle (Michael) Ballack, der fussballerisch der stärkste ist. Er zieht die Fäden in der deutschen Mannschaft. Wenn Ballack die Angriffe einleitet, dann ist Klose derjenige, der sie abschließt. Er hat nicht oft den Ball, er ist eher der Vollstrecker. Damit ist er ein äußerst gefährlicher Spieler.
Haben Sie mal daran gedacht, einen Bewacher für ihn abzustellen?
Nein, das nun wirklich nicht. Ecuador spielt gegen keinen Gegner mit persönlichen Bewachern.
Was denken Sie von Ihren möglichen Gegnern im Achtelfinale?
England und Schweden, die voraussichtlichen erstplatzierten Teams in Gruppe B sind für uns etwa gleichstark. Beide spielen sehr viel mit hohen Bällen, machen viel über die Lufthoheit. Deswegen dürfen wir unsere Arbeit nicht nur auf den Strafraum konzentrieren, sondern müssen auch darauf achten, dass sie gar nicht erst flanken können, dass wir ihre Konter und Angriffe über die Außenbahnen stoppen.
Eine letzte Frage: Sie haben vor der Weltmeisterschaft davon geträumt, Fussballgeschichte zu schreiben: Ist dieser Traum Wirklichkeit geworden?
Sehen Sie, die Ansage auf meinem Handy hier in Deutschland lautet: "Wenn du davon träumen kannst, kannst du es auch schaffen." Ich träume also weiter…