Culture Club
Seite 2389 von 2444 Neuester Beitrag: 28.11.24 13:49 | ||||
Eröffnet am: | 22.09.12 21:13 | von: Fillorkill | Anzahl Beiträge: | 62.084 |
Neuester Beitrag: | 28.11.24 13:49 | von: Fillorkill | Leser gesamt: | 6.539.576 |
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Das emotionale Empfinden, an das dabei appelliert werden soll, sowie auch der eigene emotionale psycho-kulturelle Bewusstseins- und Entwicklungszustand, der dabei gleichsam offenbart wird, sind dabei nicht nur aufgrund all der darin liegenden Widersprüchlichkeiten und Absurditäten höchst interessant,... einem wird dabei auch noch einmal etwas mehr gewahr, wie fremd und unverständlich uns manche psycho-kulturellen Mentalitäten dabei sind, und wie schwer es ist, auf manche Dinge sinnvolle Antworten zu finden.
Zu diesem wunderbaren Song sieht man dann z.B. glücklich verzückt in die Kamera lächelnde Free-palästine Studenten, die gerade von Polizisten abgeführt werden,
Lieblich und glücklich-beschwingter kann ein Song ja nun fast gar nicht mehr klingen, die Aktivisten müssen dabei schon sowohl die grausamsten Massaker vom 7. Oktober als auch das große eigene Leid der Zivilbevölkerung, das durch den absehbaren und dabei auch ganz bewußt mit jenen Massakern angezettelten Militäreinsatz Israels hervorgerufen wird, ausblenden, um zu so einen Vibe zu gelangen....
So könnte man zumindest meinen, wenn man dieses Phänomen nach unseren eigenen kulturellen ethischen Maßstäben betrachtet.
Jemand, der sich jedoch gar kein größeres Glück auf Erden vorstellen kann, als die eigene Bevölkerung in Geiselhaft zu nehmen und ungefragt als Märtyrer zu opfern, könnte das allerdings auch anders betrachten.
Unter diesem Hintergrund haben solche Propagandavideos m.E. eine schwer ergründliche Doppelbödigkeit, einerseits die eigenen Verbrechen stimmungsmäßig hinter einem Mantel von leichtfüßig verliebter Glückseligkeit verschwinden zu lassen und sie andererseits gerade dadurch als etwas unschuldig-heiliges emporzuheben und schon mal das eigene Märtyrertum abzufeiern.
https://www.youtube.com/watch?v=WGTJcd2TmcU
Abgesehen davon, dass auch dieser Song m.E. musikalisch durchaus anzusprechen weiß, fällt hier vor allem der Widerspuch zwischen der schon beinahe anrührend kindlich naiven und gleichsam pathetischen Inszenierung zu der Schrecklichkeit der Handlung auf, die dort nachgespielt werden soll.
Vom emotionalen und ästhetischen Reifegrad erinnert das Ganze dabei irgendwo an die Helden- und Abenteuerphantasien eines 12 Jährigen Jungen, ......
...allerdings mit dem Unterschied, dass bei den typischen Heldenträumen eines 12-jährigen Jungen unseres Kulturkreises er am Ende klassischerweise als Sieger hervorgeht, alle rettet und dann zur Belohnung auch das M.ädchen bekommt, in das er verliebt ist.
Die größte Belohnung des Helden ist in der Shia aber wie es aussieht nun mal der Märtyrertod.
Es ist kein Siegeszug in einer goldenen Rüstung auf einem stattlichen Pferd und einer anschließenden Hochzeit von der geträumt wird, sondern der Trauerzug in einem schön geschmückten Sarg, überdeckt mit der nationalen Flagge und Millionen Menschen, die diesen Zug mit ihren Taschentüchern begleiten.
Schaut man einmal weniger auf die religiösen Hintergründe, sondern auf die kulturellen Funktionen dieser eigentümlichen Tradition, so scheint die gemeinsame Trauer gewissermaßen als eine Art Integral zu fungieren, über das soziale gemeinschaftliche Nähe und Verbundenheit konstruiert und auch gelebt und erfahren werden kann, im Grunde ähnlich wie bei der Fado der Portugiesen, die sich dabei jedoch ein harmloseres und weniger dysfunktionales Vehikel gesucht haben, ....und in der liebevollen und feierlichen Pflege kollektiver Trauer, als gemeinschaftliches Volksereignis mag zu guter Letzt dann auch etwas katharsisches liegen.
Auf der individuellen Eben könnte es - wenn man Religion als Erklärung auch hier einmal bewusst bei Seite lassen möchte - hingegen vielleicht darauf hindeuten, dass der Umgang mit Tod und Vergänglichkeit im Gegenteil gerade so schwer fallen könnte, dass es er nur dadurch akzeptiert werden kann, wenn diesen Dingen ein höherer Sinn ermöglicht werden kann.
Die zwanghafte Suche nach einem Sinn kann dann nicht nur überflüssig, sondern möglicherweise sogar katastrophal sein....
..man könnte sicher noch vieles andere zu diesem Video sagen, z.B. dass es in vielerlei Hinsicht besorgniserregend ist, wenn Militär in einer Gesellschaft popkulturell in solch einer Weise in Szene gesetzt wird....
Oder auch als kleine Fußnote, dass der Soldat, der sich da (nebenbei überflüssiger Weise, wenn man sich die Situation anschaut) für seine Soldaten opfert, vermutlich Qassem Soleimani nachempfunden sein soll, wobei der Clip von 2019 war, als er noch gelebt hatte. ...ein Jahr später ist dieser Trauerzug dann Wirklichkeit geworden....
Wenn man sich mal einen solchen Clip als Hommage an Boris Pistorius, Stoltenberg oder so jemanden vorstellt, wird vielleicht erst richtig deutlich, was da für kulturelle Welten zwischen unseren Weltanschauungen liegen....
Im Gegensatz zum vorherigen Clip trotz aller Vorbehalte allerdings irgendwo auch berührend und m.E. auch als Zeit- und Kulturdokument interessant....
https://www.youtube.com/watch?v=VlqDcIWKFZ8
Der erhebliche Gegensatz zu der rücksichtslosen Brutalität, die sie dabei nicht zuletzt auch immer wieder gegen ihre eigene Bevölkerung einsetzen, ist schon bemerkenswert.
Hier nochmal ein Propaganda Clip , ...die Musikauswahl im übrigen auch hier gelungen, das schöne Stück im Anschluss auch hier im unbelasteten Original:
....natürlich alles Märtyrer in dem Clip
auch hier ein Song, den ich so interessant fand, dass ich mal das Original recherchiert habe
..die Songauswahl für Propagandaclips machen sie wirklich gut, das muss man ihnen lassen.
...und in solchen Videos erahnt man dann hinter dem Gottesstaat dann auch leider recht deutlich gleichzeitige Ansätze einer Militärdiktatur....(in anderen Videos mit diesem Lied wird's sogar noch deutlicher)
...und man sieht Kinder, die schon von Beginn an entsprechend indoktriniert werden.
hier auch in Canada:
The song, a relatively long choir in the pop genre, was released in March 2022 just before the New Persian Year (Farvardin 1401) on social media and later received attention in April and May 2022. The song apparently is targeted at and highlights the contribution of the new generation in supporting the Islamic Revolution and its ideology. Organizations have been active in mobilizing school students to form choirs of the song in large groups, showcasing the largest one in Azadi Stadium.
On May 26, 2022, there was a large gathering in Azadi Stadium and Sports Complex in Western Tehran and its surrounding areas where some tens of thousands attended together with their children to perform the song in a choir orchestrated by the professional artists live. State media reported the gathering to be 100,000 in size.
Globally, this song is known as 'Salam Ya Mahdi'. The song has been also chanted in other countries according to news outlets and published content on social media.
The song has been translated into many languages including Spanish , French, Arabic, Urdu,Azerbaijani, Pashto, Kurdish, Malay, Swahilli and Kashmiri.
https://en.wikipedia.org/wiki/Salam_Farmandeh
Und ich glaube, dass man damit am Ende sogar noch viel mehr ans Herz geht, als wenn man sich gegen etwas ausspricht.
Im letzteren Fall sammelt man zudem letztlich querbeet Unzufriedenheit ein und der Feind des Feindes wird automatisch ein Freund, welche Werte er dabei mit einem teilt oder auch nicht teilt, wird bei dem Anti jedoch strukturell (erstmal) ausgeklammert.
So kann zum Beispiel jemand gegen ein Regime sein, weil er für liberale Werte eintritt, er kann aber auch dagegen sein, da es ihm nicht regide genug ist, dennoch könnten sich beide hinter einem Anti versammeln.
Wenn man nicht "Anti" sondern "Für" etwas eintritt, geht das jedoch nicht, dort sammelt man dann strukturell nur diejenigen ein, die auch genau dieses Für mit einem teilen.
Dass dieses Video nicht "Anti" sondern "Baraye" ist, könnte zwar auch ein bisschen dem Umstand geschuldet sein, das Regime nicht direkt mit einem Anti angehen zu wollen, aber nichtsdestotrotz finde ich ihre Art, das "Für" dabei in den Vordergund zu stellen, auch so viel besser und schöner.
...kann man sich auch bei uns vielleicht hier und da zum Vorbild nehmen, wie ich meine XD
Baraye Azadi