Berlusconi:Agnelli/ Juventus Turin : AC Mailand
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Eröffnet am: | 28.05.03 16:06 | von: Ehrenmann | Anzahl Beiträge: | 2 |
Neuester Beitrag: | 29.05.03 00:13 | von: Ehrenmann | Leser gesamt: | 2.724 |
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Der ruppige Premier und die alte Dame
Von Carsten Matthäus und Clemens Gerlach
Wenn Juventus Turin im Finale der Champions League gegen den AC Mailand antritt, geht es nicht nur um Fußball. Im Hintergrund wird ein viel größeres Machtspiel entschieden - das zwischen Italiens Premier Silvio Berlusconi und dem Agnelli-Clan.
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In einem Land, in dem die drittgrößte Tageszeitung "Gazzetta dello Sport" heißt und in dem ein verlorenes Länderspiel Staatstrauer auslöst, ist das Spiel am Mittwoch um 20.45 Uhr in Old Trafford (Liveticker SPIEGEL ONLINE) längst zu einer nationalen Angelegenheit geworden.
Es ist nicht das Duell zweier italienischer Spitzenclubs. Im Finale um die Krone des europäischen Vereinsfußballs kämpft der mächtigste Politiker und Medienherrscher gegen die mächtigste Dynastie des Landes - die Agnellis. Der Clan kontrolliert seit etwa einem Jahrhundert den Fiat-Konzern, Italiens größten Arbeitgeber, dessen Wirtschaftskraft rund fünf Prozent des italienischen Bruttosozialprodukts ausmacht. Und das Image Italiens in der Welt: Mit Ferrari, Lancia und Alfa Romeo gehören nahezu alle Prestigemarken des Landes zum Konzern aus Turin.
Berlusconi fühlte sich lange nicht respektiert
Die 70 Mitglieder der Agnelli-Familie gebieten außerdem über ein weltweites Firmenkonglomerat von mehr als 1000 Firmen - unter anderem über die "Corriere della Sera", die größte Tageszeitung des Landes. "Was Fiat nützt, ist gut für Italien", dieses Motto des kürzlich verstorbenen Gianni Agnelli galten zu dessen Lebzeiten als ungeschriebenes Gesetz der italienischen Politik. Der Patriarch inszenierte sich mit seinem Cäsaren-Gesicht als der Oberste der Oberen Italiens. Kein Politiker konnte ohne die Gnade des Auto-Magnaten etwas werden. Mitglieder seiner Familie protzten überdies gerne damit, dass ausländische Staatsoberhäupter die Turiner Firmenzentrale nicht seltener besuchten als die Regierung in Rom.
Berlusconi, der sich als Staubsaugervertreter und Immobilienhai zum reichsten Mann Italiens (geschätztes Vermögen: rund zwölf Milliarden Euro) hochgearbeitet hatte, wurde von den Agnellis zunächst nicht respektiert. Als der Medienunternehmer 1994 zum ersten Mal italienischer Ministerpräsident wurde, scheiterte er nach nur sieben Monaten nicht zuletzt an den Querschüssen alteingesessener Wirtschaftskapitäne um Gianni Agnelli. Diese Schmach hat Berlusconi offenbar nicht verwunden, auch wenn der Fiat-Padrone nach der Parlamentswahl 2001 wieder auf die Seite des Siegers schlug und fortan dessen Mitte-Rechts-Koalition unterstützte.
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Die Rolle des Ministerpräsidenten bei der Rettung des schwer angeschlagenen Autobauers ist keineswegs eindeutig. Vor Mikrofonen und Fernsehkameras gibt er sich moderat. Doch im Hintergrund arbeitet er Medienberichten zufolge daran, gemeinsam mit seinen Gefolgsleuten wie dem ehemaligen Telecom-Italia-Chef Roberto Colannino die Ära Agnelli bei Fiat zu beenden.
Mit dem Gewinn der Champions League hat Berlusconi nun eine viel bessere Möglichkeit, den fußballbesessenen Italienern zu zeigen, wer der wirkliche Herrscher Italiens ist. Wie der Wirschaftsprofessor Ferdinando Targetti einmal bemerkte, ist Politik für Berlusconi ohnehin nichts anderes als Fußball: Auf der einen Seite die guten "Azurri", angeführt von einem erfolgreichen Manager (Berlusconi). Auf der anderen Seite die bösen "Roten", die nicht gelernt hätten, wie man arbeitet.
"Der Avvocato hat von dort oben zugeschaut"
Durch die Tatsache, dass der libyische Staatschef Muammar al-Gaddafi über seine Investmentgesellschaft "Lafico" (Libyan Arab Foreign Investment Company) Anteile am italienischen Rekordmeister Juventus Turin besitzt, dürfte sich Berlusconi in seiner Einschätzung bestätigt fühlen. Auch Fiat würde er übernehmen, wenn er dafür die Zeit hätte, tönte der amtierende Premier einmal. Dann würde er die ganzen unfähigen Manager herauswerfen und Fiat-Modelle kurzerhand in "Ferrari for Women" oder "Young Ferrari" umtaufen, so Berlusconi, der rund 80 Prozent des italienischen Fernsehens kontrolliert.
Rein sportlich betrachtet ist Berlusconis AC Mailand, der den Landesmeister-Cup bislang fünfmal gewinnen konnte (1963, 1969, 1989, 1990 und 1994), derzeit für Juventus aber eigentlich kein ebenbürtiger Gegner. Jüngst wurde die "Alte Dame", wie die Fans den Turiner Club nennen, zum 27. Mal italienischer Meister. "Milan", das elf Punkte zurück als Tabellendritter die direkte Qualifikation für die Champions League verpasste und auch vom ungeliebten Lokalrivalen Inter abgehängt wurde, bringt es auf zwölf nationale Titel.
Zwei Sterne prangen auf dem "Juve"-Trikot, für je zehn Meisterschaften einer. Der dritte war stets der Traum Giovanni Agnellis gewesen. Drei "Scudettos" fehlen dem Champions-League-Sieger von 1996 nun noch. "Der Avvocato hat von dort oben zugeschaut und sich sicher gefreut", schwelgte Juventus-Präsident Vittorio Chiusano nach der erneuten Meisterschaft in Pathos. Als das Bild des ehemaligen Fiat-Bosses auf der Leinwand im Stadion "Delle Alpi" erschien, skandierten die Anhänger des mit großem Abstand beliebetsten Clubs Italiens: "Es gibt nur einen Präsidenten - Giovanni Agnelli."
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