Berlin ist pleite
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Eröffnet am: | 19.10.06 09:17 | von: ostseebrise. | Anzahl Beiträge: | 143 |
Neuester Beitrag: | 24.03.07 23:42 | von: Scontovaluta | Leser gesamt: | 10.830 |
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Entscheidung im Machtkampf um 61.000.000.000 Euro
Berlin hat 61 Milliarden Euro Schulden. Heute entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Klage der Hauptstadt: Sie will, dass der Bund einen Teil tilgt. Das Urteil könnte tief in die Bund-Länder-Beziehungen eingreifen - und Protest im Süden provozieren.
Von Sebastian Fischer, Severin Weiland
Berlin/München - Für Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin dürfte es einer der spannendsten Tage seiner Amtszeit sein. Vier Jahre lang hat der Sozialdemokrat auf diesen Tag hingearbeitet, der Hauptstadt einen eisernen Sparkurs verordnet. "Es wird sich zeigen, ob wir die Ernte einfahren oder eine große Enttäuschung erleben", sagte er im Frühjahr, als die Verhandlungen des Bundesverfassungsgerichts über die Klage des Landes begannen. Am Donnerstag um zehn Uhr vormittags werden die Richter ihre Entscheidung bekanntgeben: Bekommt die mit derzeit 61,6 Milliarden Euro verschuldete Hauptstadt Bundeshilfen - oder geht sie leer aus?
Sarrazin hat in Berlin einen Mentalitätswechsel geschafft. Bei den Ausgaben pro Kopf der Bevölkerung liegt die Großstadt mit ihren knapp 3,4 Millionen Einwohnern zwar immer noch vor Hamburg - hat aber aufgeholt. Nur noch fünf Prozent höher ist die Ausgabenlast pro Kopf. Tausende Stellen wurden in den vergangenen Jahren abgebaut, Zehntausende weitere sollen folgen, Kita-Gebühren wurden erhöht, die Förderung im sozialen Wohnungsbau gestoppt.
2007 könnte Berlin einen ausgeglichenen Haushalt präsentieren - wäre da nicht die enorme Zinslast, die für die Schuldentilgung künftige Spielräume einengt. 2,4 Milliarden Euro muss Berlin jedes Jahr für die Schulden an Zinsen zahlen. Deshalb will Berlin, dass der Bund einen Teil der Schulden übernimmt. Auch aus historischer Verantwortung, weil die Stadt wie keine andere nach der Deutschen Einheit deindustrialisiert wurde. Die Zahl der Beschäftigten im Produktionssektor liegt mittlerweile bei unter 100.000 - einst war West-Berlin die größte Industriestadt der Bundesrepublik.
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Die Entscheidung des Verfassungsgerichts wird nicht nur in Berlin gespannt erwartet - nicht nur in Berlin. Das Urteil könnte tief in das föderale Finanzsystem eingreifen.
Erste Variante: Das Gericht entscheidet gegen Berlin. Dann böte sich dem Senat bei einer Nullregelung zwei Möglichkeiten: Weitere Schulden zu machen und die Last auf künftige Generationen zu übertragen. Oder noch härter zu kürzen, was am Ende auf überdeutliche Einschnitte in die Substanz der Hauptstadt hinausliefe - besonders auf zwei Feldern, auf denen Berlin noch Vorzeigbares zu bieten hat: bei den Universitäten und der Kultur. So stünde wohl die Fusion von Freier Universität und Humboldt-Universität, von Theater und Opern an. Auch der Verkauf der sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften wäre kaum vermeidbar. Ehrgeizige Projekte wie das kostenlose letzte Kita-Jahr, das der alte und neue Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit im Wahlkampf versprach, dürfte dann zur Disposition stehen - obwohl die Kosten für die Kita-Pläne, rund 37 Millionen Euro pro Jahr, übersichtlich sind. Eine weitere mögliche Folge: Berlins Bonität würde durch Finanzinstitute herabgestuft, Kredite würden schwerer zu bekommen, die Zinslast für die Schulden würde steigen.
Zweite Variante: Das Gericht verpflichtet den Bund zur Übernahme von einer immer noch großen, im Vergleich zur Schuldenlast aber kleineren Summe von 10 bis 15 Milliarden Euro. Die Schuldentilgung würde dadurch geringfügig sinken, Berlin aber nicht wirklich entlasten. Auch in diesem Fall müsste stärker gespart werden.
Dritte Variante: Der Bund übernimmt die Hälfte der Schuldenlast. Sarazzin hat vor geraumer Zeit ausrechnen lassen, dass Berlin rund 35 Milliarden Euro erhalten müsste, wenn es wie Bremen behandelt würde, das mit dem Saarland 1992 Bundeshilfen erhielt. Was, wenn Berlin 30 Milliarden Euro erhielte? Die Richter könnten die konkrete Ausgestaltung der Zahlung Bund und Land überlassen. Der Bund könnte die Zinslast pro Jahr übernehmen; oder Berlin erhielte eine bestimmte Rate pro Jahr, die in die Schuldentilgung fließen muss.
Vierte Variante: Die Richter nennen keine Summe, gestehen aber Berlin eine besondere Lage zu und überlassen die Verhandlungen über die Höhe der Finanzhilfen dem Bund-Länder-Finanzausgleich. Die Folge: langwierige und schwierige Gespräche. Es wäre aus Sicht der Richter die einfachste Lösung, weil es die Politik zum Handeln zwänge und damit ein altes Spiel umdrehen würde: In den vergangenen Jahren musste das Verfassungsgericht oft verfahrene Probleme an Stelle der Politik lösen - weil die Politik sie nicht lösen konnte oder wollte.
Fünfte Variante: Ein Sparkommissar wird eingesetzt. Dies gilt als unwahrscheinliches Modell, zumal laut Gesetz kein unmittelbarer Bundeszwang zwischen Bund und Ländern im Finanzbereich vorgesehen ist. Ein Bundestagsgutachten hatte eine solche Lösung nur für möglich erklärt, falls Sparauflagen nicht eingehalten würden. Das ist aber nicht zu erwarten.
Druck aus dem Süden
Wenn sich Berlin vor Gericht durchsetzt, werden vor allem die südlichen Bundesländer verärgert reagieren - und ihrerseits gegen den Beschluss vorgehen. Baden-Württembergs Finanzminister Gerhard Stratthaus (CDU) hat angekündigt, dass sein Land dann den Länderfinanzausgleich mit einer eigenen Klage angreifen wird. Stratthaus erwartete gestern allerdings, dass Berlin vor Gericht weder vollständig siegt noch vollständig verliert. "Berlin hätte noch mehr sparen können", sagte Stratthaus zu SPIEGEL ONLINE. Die Hauptstadt hätte Studiengebühren einführen, die Hebesätze der Gewerbesteuer verändern und über Wohnungsverkäufe nachdenken können.
Stratthaus erinnerte an das Jahr 1992, als Bremen und das Saarland mit einer ähnlichen Klage Erfolg hatten - ihnen aber von den Verfassungsrichtern Aufgaben mitgegeben wurden. "Ich wünsche mir, dass die Politik ein Instrumentarium findet, damit es nicht zu solchen Haushaltsschwierigkeiten wie in Berlin kommt", sagte Stratthaus. Als letztes Mittel gehöre ein Eingriff in die Haushaltskompetenz der betroffenen Länder erwogen. Allerdings wollte der Minister aus Baden-Württemberg nicht so weit gehen wie der sächsische Regierungschef Georg Milbrandt (CDU), der hochverschuldeten Bundesländern sogar mit Zwangsverwaltung durch einen "Sparkommissar" drohte. In Baden-Württembergs Finanzministerium heißt es, man wolle erst einmal "schonend agieren". Klar sei aber auch: Stratthaus' Gedanke der haushälterischen Kompetenzeinschränkung sei in der Richtung ein ähnlicher Eingriff wie Milbrandts Sparkommissar.
Stratthaus nannte SPIEGEL ONLINE mögliche Maßnahmen gegenüber Ländern wie Berlin: Man könne "zum Beispiel Sanktionen von einem unabhängigen Gremium aussprechen lassen", das vom Sachverständigenrat oder Bundesrat besetzt werden könnte. Stratthaus' große Befürchtung: Wenn das Bundesverfassungsgericht dem Land Berlin das Schuldenmachen "so durchgehen lässt, dann werden es auch andere probieren".
"Mehr ist dem bayerischen Steuerzahler nicht zuzumuten"
Bayern macht genauso Druck wie Baden-Württemberg. Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) spricht von "Grenzen der Solidarität" und fordert die Einführung einer Schuldengrenze für alle Bundesländer. Sein Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU) machte am Dienstag während der Haushaltsberatungen im Landtag deutlich, dass er jede Finanzhilfe zur Entschuldung von Berlin ablehnt: "Ein nationaler Entschuldungsfonds ist mit uns nicht zu machen." Faltlhauser nannte es eine Strafe für die "nachhaltige und sparsame" Haushaltspolitik in Bayern, wenn hoch verschuldete Länder ihre Altlasten den solide wirtschaftenden zuschöben. Schon jetzt gebe Bayern mehr als zehn Prozent seines jährlichen Haushaltsvolumens per Länderfinanzausgleich an andere Länder ab: "Mehr ist dem bayerischen Steuerzahler nicht zuzumuten."
Eine Möglichkeit, um dem Problem Herr zu werden, wäre auch die Neugliederung der Bundesländer. Sie wird derzeit nicht offensiv vertreten. Dabei ist das von Baden-Württembergs Finanzminister Stratthaus angeführte Bremen-Saarland-Urteil von 1992 auch in dieser Hinsicht interessant. Zwar begründet dieses Urteil eine Nothilfepflicht des Bundes für Länder in extremer Haushaltsnot - doch wiesen die Richter darauf hin, man könne Deutschland "neu gliedern, um zu gewährleisten, dass die Länder nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können".
Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) hatte zuletzt im August in der "Welt" gesagt, 16 Bundesländer seien zu viel. Schon im Mai trafen sich nach Informationen des SPIEGEL die Staatskanzleichefs der reichen Länder Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern am Tegernsee, um über die verfahrene Finanzlage zu sprechen.
Dort wurde eine Drohung an die Schulden-Bundesländer geheim abgestimmt: Kompetenzentzug für deren Regierungen, Sonderabgaben für deren Bürger, Kürzung von Sozialleistungen, am Ende möglicherweise die Auflösung dieser Länder. Starke Forderungen - von denen jedoch kaum einer glaubt, dass sie am Ende wahr werden.
© SPIEGEL ONLINE
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Schon mal gesehen, was Wowereit für eine Biografie vorzuweisen hat?
Oder so: Die PDS agiert bei den Koalitionsgesprächen gerade so: Was interesieren uns Schulden - wir werden nie einen verfassungsgemäßen Haushalt vorlegen. Scheißegal. Hauptsache wir kriegen unsere Posten - und können unsere Klientel bedienen.
Ich kann die Wessies schon verstehen, die diese Großschneutzigkeit auf die Nerven geht.
und natürlich nimmt Berlin mit seinen stark besuchten Universitäten auch Funktionen wahr ,die andere Länder entlasten.
Aber zu verlangen die 270000 Wohnungen zu verkaufen,die dann von irgendwelchen ausländischen Geiern modernisiert werden und den Spielraum an preiswerten Wohnungen vollends vernichten,wie soll denn das bei einer roten Regierung ,die sich sozial nennt, gehen?das wäre politisches Harkiri!
aber vielleicht will man ja das?
Und das Schildermeer der Parteien, das im letzten Wahlkampf die ganze Stadt beglückte, war auch bur eine Bundesangelegenheit?
Einfach mal so sehen: Die Berliner sind immer nur gemässtet worden - sei es im Westen oder im Osten. Ohne Zuwanderungen wäre das Biotop an seinem eigenen Mief erstickt. Nicht umsonst ist in Berlin die Kleingarten"kultur" so verbreitet.
Kurzum:
Nach dem Urteil von Karlsruhe hilft nur eins - zuerst mit dem ganzen Mief aufzuräumen. Kleingärten mit ner richtigen Pacht belegen. Das ganze Bezirksgedöns abschaffen. Sämtliche staatseigene Betriebe (in Berlin sind das noch sozialistische Betriebe) privatisieren. Einen Tel (einen anderen Teil braucht man dafür, dass nicht Ghettos entstehen) der landeseigenen Wohnungen verkaufen. In der Berliner Hauptverwaltung die vielen überflüssigen Stellen abbauen.
Klappt natürlich nicht, weil unser lieber Wowereit sich darum scheren muss, dass er hinreichend politischen Rückhalt bei den Profiteuren in seiner eigenen Partei hat. Die Stadt ist ihm völlig egal - zumal er mit Rot-Rot auch noch höher hinaus will.
Kostenlose Kita soll in Berlin bis 2011 Realität werden
Berlin (dpa) - Trotz massiver Kritik der anderen Bundesländer will Berlin bis zum Jahr 2011 allen Drei- bis Fünfjährigen den kostenlosen Kita-Besuch gewährleisten. Darauf einigten sich die SPD und die Linkspartei am späten Mittwochabend in der 6. Runde ihrer Koalitionsgespräche.
Das letzte Kita-Jahr vor der Schule sei von 2007 an gebührenfrei, sagte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Das erste und zweite kostenlose Jahr folgen 2010 und 2011. Außerdem sollen in der Hauptstadt bis 2011 Gemeinschaftsschulen auf den Weg gebracht werden.
Die Pläne zum kostenlosen Kita-Besuch waren in den vergangenen Wochen scharf von den Ministerpräsidenten anderer Bundesländer insbesondere im Zusammenhang mit der Berliner Haushaltsklage vor dem Bundesverfassungsgericht kritisiert worden. Wowereit wies die Kritik erneut zurück. Berlin setze bewusst trotz seiner knappen Mittel den Schwerpunkt auf Bildung, betonte er. "In Karlsruhe hat man uns vorgeworfen, dass wir überproportional in Schule und Kitas investieren. Wir stehen dazu und dabei bleibt es gerade angesichts der schwierigen sozialen Situation der Stadt", sagte Wowereit nach zwölfstündigen Verhandlungen der Koalitionäre.
Deutschland habe nur eine Chance auf dem Weltmarkt mit gut ausgebildeten jungen Leuten, sagte Wowereit. Karlsruhe habe enge finanzielle Grenzen gesetzt. "Deshalb können wir nicht alles finanzieren, was wünschenswert wäre." Die Verständigung auf die Schwerpunkte habe lange gedauert.
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Die Koalitionsverhandlungen hatten sich am Mittwoch offenbar an Finanzierungsfragen verhakt. Der Linkspartei-Vorsitzende Klaus Lederer begründete die Dauer der Verhandlungen mit der extrem schlechten Finanzlage Berlins. Nach der abgewiesenen Klage des Landes auf zusätzliche Bundesmittel zur Entschuldung müsse Berlin genau überlegen, was es sich noch leisten könne. "Das dauert dann, dann rechnet man drei Mal nach."
Gleichwol war das Urteil der Bundesverfassungsgerichts nicht weise. Man hätte Berlin etwas Kohle geben sollen - dass aber dann mit sehr strikten Auslagen verknüpfen sollen. Ist nicht geschehen - und nun wird in Berlin die Kohle verbrannt. Wir versaufen unser Oma ihr Klein-Häuschen. Trifft allerdings nur Teile der Bevölkerung - der politische Klüngel bedient sich weiter.
Die schadenfrohe Fratze wird noch lange in Erinnerung bleiben, mit der die westdeutsche Provinz auf die Niederlage Berlins vor dem Verfassungsgericht reagierte. Kein Geld für die parasitäre Hauptstadt! Das war eine gute Nachricht. Kein Geld für den Hochstapler, der Bonn die Regierung weggenommen hat. Kein Geld für den Bruder Leichtfuß, der sich im Glanze von Opern, von Museen, Theatern, Debattenzirkeln sonnt, die er nicht bezahlen kann. Kein Geld für den Kuppler, der Ost und West zusammenführt, die nicht zusammengehören. Kein Geld für den schillernden Verführer der Jugend, der die Töchter in die Boheme der glücklichen Arbeitslosen lockt. Arm, aber sexy hat der Bursche sich genannt. Das war ein Fehler. Es sind immer die größten Fehler, die der Wahrheit am nächsten kommen. Arm, aber sexy ist genau die Charakterisierung eines Schwiegersohns, der ehrbare Bürger in ihren Albträumen heimsucht.Lange wird in Erinnerung bleiben, wie im Jahre 16 der Wiedervereinigung noch einmal das neiderfüllte Grundgefühl der alten Bundesrepublik sich gegen Berlin machtvoll entlud, als sei nichts geschehen, nichts gelernt worden, als habe keine Ernüchterung der Globalisierung einen Funken von sozialer Solidarität entzünden können. Denn Berlin ist in diesem Zusammenhang nur eine Metapher. Es geht nicht um Berlin, es geht um die Verlierer der Gesellschaft. Es geht um die Hand der eben noch Bessergestellten, die sich um die Brieftasche krampft. Deutschland hat, das ist wahr, in Zeiten des Wohlstands das Teilen gelernt. Es schickt sich aber an, in den anbrechenden Zeiten der Knappheit augenblicks wieder das Teilen zu verlernen.
Das geht freilich nicht von heute auf morgen. Noch ist der Anspruch der Armen auf staatliche Hilfe nicht bestritten (sie muss nur kleiner werden). Noch wollen die reichen Bundesländer die ärmeren unterstützen (es muss sich aber eingrenzen lassen). Entsolidarisierung ist etwas, das genauso gelernt werden will wie Solidarisierung. Dazu gehört als Erstes, den Gedanken der unverschuldeten Not aus den Köpfen zu kriegen. Deswegen ist es so wichtig, von Arbeitslosen recht oft zu sagen, dass sie gar keine Arbeit wollten. Deswegen müssen die Sparanstrengungen Berlins als kaum gemäßigte Verschwendung betrachtet werden. Vor allem aber müssen Armut und Not als Formen des Versagens, als natürliche Früchte mangelnden Ehrgeizes und Fleißes ausgegeben werdenBerlin ist der Florida-Rolf unter den deutschen Bundesländern. Erinnern wir uns noch an die Gestalt, mit der die Bild-Zeitung seinerzeit die Hartz-Reform propagierte? Frech und faul und braun gebrannt: Das war Florida-Rolf, wie er sich mit deutscher Sozialhilfe ein schönes Leben unter Palmen machte. Die wirkliche Geschichte der wirklichen Person ist längst vergessen. Aber das Muster des arbeitslosen Anspruchsdenkens hat sich eingeprägt. Genau nach diesem Muster schien der westdeutschen Provinz Berlins Auftritt vor dem Verfassungsgericht zu geschehen. Die Stadt, die von unserem über den Länderfinanzausgleich perfide umverteilten Steuergeld lebt. Die nicht arbeitet, aber klagt und heimlich prasst. Die den Wohlstand anderer will und selbst keinen Ehrgeiz entwickelt. Faul und unerziehbar wie die Unterschicht, deren empörende Existenz wir gerade entdecken.Und in der Tat musste man nicht einmal genau hinhören, um in dem hasserfüllten Geifern gegen Berlin die gleichen Stichworte zu finden, mit denen die Debatte um die neue Unterschicht geführt wird. Der Stadt geht es noch viel zu gut! Allein für Kultur gibt sie mehr aus als Hamburg. Wie kann es angehen, dass ein Armer sich mehr gönnt als ein Reicher? Selbst das florierende Baden-Württemberg muss, um den Staatshaushalt zu sanieren, kostbare Handschriften verkaufen. Und Berlin will drei Opernhäuser behalten? Hält sich die Stadt am Ende für was Besseres?
Nichts könnte für den neiderfüllten Egalitarismus, der die Raison d’être der alten Bundesrepublik war, anstößiger sein als dieser Verdacht. Deshalb war die bloße Idee einer Hauptstadt schon anstößig und konnte nur kompensiert werden durch die Erbärmlichkeit Bonns als Regierungssitz. Wer seinerzeit aus den Residenzen München oder Stuttgart nach Bonn fuhr, konnte eigentlich nur lachen; und dieses Lachen tat sehr gut. Dagegen Berlin, das schon durch schiere Größe und die Erinnerung an Preußen ein Gefühl von Demütigung erzeugte – das tat nicht gut. Und nun will dieses Berlin, anstatt sich mit dem Hauptstadtstatus zu bescheiden, ausgerechnet dafür noch einen Ausgleich? Auf die Frechheit noch eine Prämie für Faulheit obendrauf? In der Haltung der Stadt steckt für die südwestdeutsche Perspektive etwas empörend Enthemmtes; nicht unähnlich der Lebensweise der Langzeitarbeitslosen, die es sich mit einer Flasche Bier vor dem Fernseher bequem machen.
Lange wird in Erinnerung bleiben, wie im Jahre 16 der Wiedervereinigung noch einmal das neiderfüllte Grundgefühl der alten Bundesrepublik sich gegen Berlin machtvoll entlud, als sei nichts geschehen, nichts gelernt worden, als habe keine Ernüchterung der Globalisierung einen Funken von sozialer Solidarität entzünden können. Denn Berlin ist in diesem Zusammenhang nur eine Metapher. Es geht nicht um Berlin, es geht um die Verlierer der Gesellschaft. Es geht um die Hand der eben noch Bessergestellten, die sich um die Brieftasche krampft. Deutschland hat, das ist wahr, in Zeiten des Wohlstands das Teilen gelernt. Es schickt sich aber an, in den anbrechenden Zeiten der Knappheit augenblicks wieder das Teilen zu verlernen.
Das geht freilich nicht von heute auf morgen. Noch ist der Anspruch der Armen auf staatliche Hilfe nicht bestritten (sie muss nur kleiner werden). Noch wollen die reichen Bundesländer die ärmeren unterstützen (es muss sich aber eingrenzen lassen). Entsolidarisierung ist etwas, das genauso gelernt werden will wie Solidarisierung. Dazu gehört als Erstes, den Gedanken der unverschuldeten Not aus den Köpfen zu kriegen. Deswegen ist es so wichtig, von Arbeitslosen recht oft zu sagen, dass sie gar keine Arbeit wollten. Deswegen müssen die Sparanstrengungen Berlins als kaum gemäßigte Verschwendung betrachtet werden. Vor allem aber müssen Armut und Not als Formen des Versagens, als natürliche Früchte mangelnden Ehrgeizes und Fleißes ausgegeben werden.Die Individualisierung von Erfolg und Niederlage ist der wichtigste Baustein zur neuen Mitleidlosigkeit. Der Gedanke an Ungerechtigkeiten, die außerhalb persönlicher Verantwortung liegen, wenn nicht gar im System des Kapitalismus, gilt bestenfalls als antiquiert. Lieber spricht man von mangelnden Leistungsanreizen. Übrigens soll auch der globalisierte Wettbewerb nur zur äußeren Rechtfertigung von Massenentlassungen dienen. Der gekündigte Einzelne muss lernen, die Verantwortung für seine Überflüssigkeit bei sich selbst zu suchen.
Es ist überaus erhellend, die Unterschichtendebatte mit der Rede von der neuen Bürgerlichkeit zusammenzubringen. Wer die Wortführer näher betrachtet, wird unweigerlich auf die hässliche Figur des Aufsteigers stoßen, der die Tür hinter sich zuschlagen will. Nichts ist irreführender als die Bemerkung, den Unterschichten fehle es an Ehrgeiz. Vielmehr ist es dieser Ehrgeiz, der den Verteilungskampf in einer bedrohten Mittelschicht anheizen könnte und deshalb absichtsvoll entmutigt oder wenigstens beschwörend hinweggeredet werden muss.http://www.zeit.de/2006/44/Berlin
Der Berliner SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller reagierte auf Wulffs Kritik kurz und knapp. „Das ist Niveau aus der untersten Schublade. Wer Berlin und die Berliner derartig beleidigt, disqualifiziert sich als Ministerpräsident eines Landes selbst“, sagte Müller. Für Senatssprecher Michael Donnermeyer ist es unverständlich, dass Wulff die Kraftanstrengungen Berlins in den letzten Jahren nicht berücksichtigt habe. So seien in den letzten Jahren allein 60 000 Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst abgebaut worden. Zurzeit gibt es noch 115 000 Stellen in den Berliner Haupt- und Nebenverwaltungen. „Die Rede hat sich entwertet, da sie einseitig war und parteipolitisch gefärbt. Das ist billiges Berlin-Bashing“, sagte Donnermeyer.
Tagesspiegel
Ein schickes Regierungsviertel, sowie einige bessere Wohngegenden auf der einen Seite und eine hohe Arbeitslosenquote, eine hohe Kriminalitätsrate und regelrechte Elendsviertel auf der anderen Seite.
Washington DC als Regierungsviertel steht da in der US-Amerikanischen Hauptstadt irgendwie ähnlich isoliert in der "Reststadt" wie das Regierungsviertel rund um den Reichstag in Berlin.
sogar die Engländer finden ihn interessanter als Blair oder Merkel täglich zwischen 11 und 1 kann die neue Berliner Attraktion besichtigt werden,was den Finanzen des Zoos sicher zugute kommt
Ich sehe es schon förmlich auf mich zukommen: Flagge auf Halbmast ist das mindenste, der grosse Paparazzie wird für die angedachte Trauerfeier eingeflogen, Jürgen Köhler wendet sich ans Volk, Angie spricht zu jedem persönlich. Im Bundestag und im Bundesrat werden 5 Schweigestunden abgehalten. Ist die deutsche Bevölkerung eigentlich mittlerweile komplett verblödet?
Nun stellt euch einmal vor, was unsere Medienlandschaft bewegen könnte wenn sie wirklich etwas bewegen wollte?
Gibt es noch irgendetwas in Deutschland oder Amerika, sprich, Berlin oder Washington, wo du dahinterstehst und sagst: Das ist eine tolle Sache, das möchte ich genauso haben?
Wenn du nur mitteilen wolltest, dass du ein Globetrotter bist und schon in zwei verdreckten Hauptstädten warst, hättest du auch anders machen könmnen.
Ich habe schon viele Hauptstädte gesehen, sie hatten alle eines gemeinsam, in keiner würde ich tod übern Zaun hängen wollen. Ich finde Deutschland toll, aber nicht in Ballungsräumen. Ich werde auch niemals Menschen verstehen, die sich eng zusammengefügt wohlfühlen. Gilt für alle Grossstädte wo ich jemals war. Mag ja durchaus darin begründet liegen, dass ich mir absolut nichts aus Kulturleben oder Massenveranstaltungen mache. Ich habe nichts davon, wenn ich einen 100 000 Jahre alten Knochen sehe oder ein Gemälde für 20 Mio.
Ich habe mir da schon sooft drüber Gedanken gemacht wofür soll es gut sein? Meine Antwort darauf würde euch ernüchtern. Entweder bin ich so einfach gestrickt oder ich möchte wirklich niemanden beeindrucken.