Angst vorm dunklen Bildschirm
Seite 1 von 1 Neuester Beitrag: 13.02.02 23:20 | ||||
Eröffnet am: | 13.02.02 22:17 | von: Happy End | Anzahl Beiträge: | 4 |
Neuester Beitrag: | 13.02.02 23:20 | von: Schnorrer | Leser gesamt: | 836 |
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öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF gut verdiente und es zu respektabler Größe brachte.
Inzwischen aber rufen besorgte Zuschauer bei den Medienaufsichtsanstalten an, ob sie denn wohl noch lange Sat 1, Pro Sieben und all die anderen Programme aus dem hoch verschuldeten Kirch-Imperium sehen könnten – oder ob der Bildschirm schwarz wird.
Ein Fall für die hohe Politik
Einer wie Leo Kirch ist offensichtlich kein ganz normaler Unternehmer. Keiner, den man bei Finanzlasten von rund zehn Milliarden Euro und vergleichsweise niedrigen Vermögenswerten einfach entmachtet.
Einer wie Leo Kirch ist ein Fall für die hohe Politik, die sich ja mit besonderer Hingabe um Zeitungen und Fernsehen kümmert, weil da vieles zusammenkommt: Geld, Macht, Jobs, agenda setting, Zugang zu Wählern.
Wer sich als Medienkanzler begreift oder es werden will, fühlt sich schnell zuständig für die dramatischen Vorgänge in Deutschlands größter Fernsehfirma.
So wurde der verschwiegene Eigentümer, der Interviews im Rhythmus der Olympischen Winterspiele gewährt und die wahre Gesamtbilanz unter Verschluss hält, zum öffentlichen Mann.
Fell eines lebenden Bären verteilt
Gerhard Schröder hat sich im Januar angehört, was die Deutsche Bank im Verbund mit anderen vortrug zur „nationalen Lösung“ des angeschlagenen Kirch-Konzerns, und als daraus nichts wurde, hat er das Scheitern einfach zur Kenntnis
genommen: Hier wurde das Fell eines Bären verteilt, der noch gar nicht erlegt war.
Diskret kümmert sich der amtierende Bundeskanzler seitdem darum, dass bei den Fußball-Klubs der Bundesliga nichts anbrennt, die sich abhängig gemacht haben von den TV-Millionen für Sendelizenzen, und die nun zittern, ob das Geld weiter fließt.
Die bayerische Lösung
Tatsächlich ist die Causa Kirch viel eher ein Fall für den Kanzlerkandidaten aus Bayern, für Edmund Stoiber, der sich gern gebrüstet hat mit all den Arbeitsplätzen im Fernsehgeschäft, die am Platz München entstanden, und dessen Prunkschild im Wahlkampf nun mal die Wirtschaftskompetenz ist. Eine Insolvenz Kirchs würde sich in den Bewerbungsunterlagen für das hohe Amt schlecht machen.
So verwundert es nicht, dass jetzt eine „bayerische Lösung“ für den bedrängten Kirch ins Spiel kam, bei der die HypoVereinsbank mehr als eine Milliarde Euro für ein dickes Aktienpaket Kirchs beim Axel-Springer-Verlag zahlen und es später an Finanzinvestoren weiter reichen will.
Heißer Reifen
Die Bank wittert – zu Recht – ein Geschäft und betont ihre Unabhängigkeit; gleichwohl erinnern manche an die Tatsache, dass der Freistaat über zwei Stiftungen rund fünf Prozent an der Großbank hält und im Aufsichtsrat der stellvertretende Amtschef des bayerischen Finanzministeriums sitzt. Die aktuelle Soforthilfe dürfte Stoibers Mannen gefallen.
Denn ein Crash bei Kirch brächte die halbstaatliche Bayerische Landesbank in Verruf, die es mit einem Kredit von 1,9 Milliarden Euro zum größten Gläubiger Kirchs gebracht hat. Warum sagte der Aufsichtsrat, in dem viele CSU-Größen agieren, nicht einfach Nein zu riskanten Ausleihen, etwa im Formel-1-Zirkus? Dieser Kredit war der HypoVereinsbank ein zu heißer Reifen gewesen.
Werbung für Murdoch
Nach allem, was man hört, ist Edmund Stoiber kein Spezi von Leo Kirch, dem familiären Freund des verstorbenen Franz Josef Strauß. Doch auch der jetzige Ministerpräsident war – standortbewusst, wie er ist – oft genug für seinen Vorzeigeunternehmer unterwegs und warb etwa im Sommer 1999 persönlich bei Rupert Murdoch in Amerika für dessen Einstieg in Kirchs Unternehmen.
Daran erinnert sich jetzt Murdoch, der kreuzunglücklich über die fortgesetzte Schieflage im Milliardengrab Pay-TV ist und entweder gegen Zahlung von knapp zwei Milliarden Euro wieder aussteigen oder aber den ganzen Laden übernehmen will.
Wer rettet Kirch?
Kann man solche internationalen Investoren abweisen, weil sie besonders skrupellos mit der Meinungsfreiheit umgehen und sie umdefinieren in das Recht eines einzigen, seine Meinung jederzeit allen kund zu tun? Wenn ja, wer rettet dann Leo Kirch, einen 75-Jährigen, der keinen ebenbürtigen Nachfolger hat?
Auf dem Prüfstand steht das „Gleichgewicht des Schreckens“, das die überforderten Medienpolitiker jeglicher Couleur seit 1984 etabliert haben: zwei Öffentlich-Rechtliche (ARD, ZDF) gegen zwei Private (Kirch, Bertelsmann). Die
einen bekommen die Gebühren, die anderen die Werbegelder – alles schön deutsch: Das nennt man „duales System“ und hat mit den feurigen Beschwörungen von Wettbewerb wenig zu tun.
Hofiert statt kontrolliert
Irgendwie aber war politisch so alles im Lot, und so verzieh man Leo Kirch gelegentliche Sündenfälle, beispielsweise die Talkshow „Zur Sache, Kanzler“ im Bundestagswahlkampf 1994, in der Kirchs enger Freund Helmut Kohl ausgiebig auf Sat 1 zu Wort kam.
Ansonsten aber beschränkte sich der Medienhändler erkennbar auf die Arbeit mit ihm genehmen Chefredakteuren im Springer-Verlag. Ein Berlusconi oder Murdoch war Kirch nie – wohl aber ein allzu risikoliebender Aufsteiger, den die Politik nur hofierte, statt ihn auch zu kontrollieren. Das war kein Beweis besonderer Klugheit.
Da war der Leo echt sauer. Aber bei der Nachspeise hat er gemeint: bei 20 Milliarden Euro Schulden muß das Creativpersonal auf Seiten der Hypovereinsbank sitzen und für ihr Geld schwitzen. Wozu hat man sich denn verschuldet? Zuerst schieben einem alles in den Arsch dannn stressen die? Die haben ja 80% meines Vorabverkonsumierten Cash-Flows (geiler Begriff, oder?)finanziert. Die müssen auch was bieten für die 2 Milliarden, die ich denen jährlich buchhalterisch rüberschiebe?
Tja, dann mußte ich selber zahlen, weil: es geht in Restaurants um echtes Geld.