Analysen selbst erstellen
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Eröffnet am: | 12.04.01 18:16 | von: heinzken | Anzahl Beiträge: | 1 |
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Die hoffnung auf unabhängige analysten, die am schluß des artikels genährt wird, kann ich nicht teilen.
Aus der FTD vom 12.4.2001
Aktienanalysten im Interessenkonflikt
Von Charles Pretzlik und Simon Targett, London
Die Aktienanalysten der großen Investmentbanken sind in einem
Tempo in Ungnade gefallen, das selbst einen Internet-Entrepreneur
verlegen machen würde.
Wurden die Analysten in Zeiten der Börsenhausse noch wie Propheten
verehrt, verlieren sie jetzt, wo die ihnen hörigen Anleger ihre Verluste
zählen, rapide an Ansehen.
Noch vor wenigen Monaten konnten "Star"-Analysten in
wachstumsstarken Branchen wie Technologie und Telekommunikation
die Aktienkurse von Unternehmen, die sie betreuten, in die Höhe
treiben. Sie brauchten lediglich Kaufempfehlungen und Kursziele
auszugeben.
Die Aktienkurse zahlreicher Firmen sind jetzt weit unter den Niveaus,
die Analysten im Jahr 2000 als Ziele genannt wurden. "In den letzten
fünf Jahren hat die Qualität der Analysen so stark abgenommen, dass
viele Anleger heute meinen, die meisten seien das teure Papier nicht
wert, auf dem sie gedruckt sind", sagt Avinash Persaud, Leiter der
Abteilung für Global Research bei State Street Global Markets.
Käufer muß der Hut sein
Trotz all dieser Kritik scheinen nur wenige Londoner
Vermögensverwalter den Wunsch zu haben, künftig ohne die
Analysten der großen Banken auszukommen. Sie glauben, die
Analysten würden sich wie die großen Institute an das veränderte
Börsenumfeld anpassen und ihr Verhalten entsprechend ändern.
"Letztlich heißt es für den Käufer, auf der Hut zu sein", sagt Gregor
Bamert von der britischen Unternehmensberatung Tempest.
Das eigentliche Problem der Aktienexperten liegt darin, dass sie sich
nach Meinung vieler von ihrer traditionellen Rolle entfernt haben. Die
bestand darin, institutionellen Anlegern, die über Investmentbanken
Wertpapiere handeln, Bewertungen zu liefern. Nun werden sie
beschuldigt, ihre Kompetenz überschritten zu haben, indem sie oft nur
das schreiben, was die Firmen gerne hören möchten.
Die Banken haben festgestellt, dass sich die Beratung von Firmen bei
Fusionen und Übernahmen oder bei Börsengängen mehr lohnt als der
Aktienhandel. "Ein Unternehmen, das einen Kredit aufnehmen will, wird
nicht zu einer Bank gehen, deren Analyst seine Aktie zum Verkauf
empfohlen hat", sagt Persaud. "Und die Bank kann sich bessere
Chancen auf ein Geschäft ausrechnen, wenn ihr Analyst eine
Kaufempfehlung ausspricht."
Der Stimmungsumschwung an den Märkten hat dem Ruf der Analysten
geschadet. Seit auf beiden Seiten des Atlantiks immer mehr
Unternehmen Gewinnwarnungen veröffentlichen, haben die Prognosen
der Analysten an Glaubwürdigkeit verloren. Zwar ringen sich die
Experten öfter zu einem "Verkaufen" oder einem "Halten" durch, aber
oft erst nachdem die Kurse gefallen sind.
Verändertes Börsenumfeld
Neben dem veränderten Börsenumfeld gab es mindestens einen
weiteren Auslöser für das Umdenken in der Londoner Finanzwelt. Eine
Reuters-Umfrage hat ergeben, dass die Analysten von Goldman Sachs
bei britischen Unternehmen ein wesentlich höheres Ansehen genießen
als bei institutionellen Anlegern.
Die Fondsmanager stellen je nach Marktumfeld unterschiedliche
Anforderungen an die Analysten. Gehen die Kurse nach oben, handeln
die Fonds über die Investmentbanken, deren Analysten den
Unternehmen auf Grund finanzieller Anreize eng verbunden sind. Die
Investmentprofis sind in diesen Börsenphasen bereit, übertrieben
optimistische Anlageempfehlungen und Kursziele hinzunehmen, um bei
Neuemissionen billig an Aktien heranzukommen. "Sie wussten was sie
kauften, und sie verlangten immer mehr", sagt ein New Yorker
Anlageberater. "Sie können keinen außer sich selbst dafür
verantwortlich machen." Jetzt, wo die Kurse deutlich gesunken sind,
sind die Fonds bei der Auswahl ihrer Bank wieder kritischer geworden.
Auf Grund des rückläufigen Emissions- und Beratungsgeschäft kämpfen
die Investmentbanken gegen den Rückgang ihrer Provisionseinkünfte.
Lehman Brothers schätzt die durchschnittliche Provision im
Aktienhandel auf etwa 0,1 Prozent - die gleiche Spanne wie bei
Fusionen und Übernahmen (M&A). Am lukrativsten ist das
Neuemissionsgeschäft. Die Provision der Bank kann 2,7 bis 3,5 Prozent
des Transaktionsvolumens betragen.
Wichtige institutionelle Kunden
Der Aktienhandel im Auftrag institutioneller Kunden bleibt ein wichtiger
Bereich. In den USA brachte er den Banken mehr als die Hälfte ihrer
Gewinne des vergangenen Jahres ein - nach rund 33 Prozent im
Vorjahr. Das M&A-Geschäft machte etwas mehr als 12 Prozent der
Branchengewinne in den USA aus, wobei Aktienemissionen 11 Prozent
beitrugen. In Europa war der Aktienhandel sogar noch wichtiger. Im
Jahr 2000 hatten ihm die Banken 61 Prozent ihrer Gewinne zu
verdanken.
Wenn die Provisionseinnahmen in diesen Bereichen sinken, wie es
derzeit der Fall ist, müssen die Investmentbanken entweder ihre
Kosten reduzieren oder versuchen, ihre Umsätze konstant zu halten.
Da die Analysten die Unternehmen kaum zu einer Fusion oder einer
Aktienemission zwingen können, könnten sie sich künftig verstärkt auf
den Service gegenüber den Fonds konzentrieren. Damit würden sie die
Provisionseinnahmen im Aktienhandel erhöhen.
Angesichts dieses neuen Service-Gedankens sehen die Banken einen
größeren wirtschaftlichen Nutzen in unabhängigen Analysen, die
originelle Ideen liefern, ohne den Unternehmen gefallen zu wollen. "Es
wäre eigentlich verwunderlich, wenn Analysten nicht unter einen
gewissen Druck von Seiten der Banker und der Vertriebsteams geraten
würden - sie müssen alle nur ihren Job machen", sagt Andrew Melnick,
Leiter der Global-Research-Abteilung bei Merrill Lynch. "Unser Job als
Analysten besteht darin, unabhängig zu sein."
Die Londoner Finanzwelt könnte jetzt die Rollen neu verteilen. Denn
die Unternehmen und die Fonds ziehen nicht mehr am gleichen Strang,
sondern an den jeweiligen Enden.
© 2001 Financial Times Deutschland
URL des Artikels:
http://www.ftd.de/bm/bo/FTDWJDTUDLC.html