Welche Leiterplatten braucht das selbstfahrende Fahrzeug in Zukunft, wie kann Industrie 4.0 mit Leiterplatten von AT&S gestaltet werden, welche digitalen Helfer am und im Körper werden mit immer noch kleineren und leistungsfähigeren Leiterplatten möglich? Eine Rekordbeteiligung von etwa 150 Kunden informierte sich über die neuesten Entwicklungen in der Elektronik- und Leiterplattenindustrie für die Bereiche Automotive-, Industrie- und Medizintechnik. Im Fokus der breit gefächerten Vorträge standen globale Megatrends und ihre Auswirkungen auf die Elektronikindustrie. Miniaturisierung und Modularisierung sind die Schlüsselbegriffe in der Verbindungstechnik, das wurde auch in der Keynote von Heinz Moitzi, COO von AT&S deutlich. Was Aristoteles mit „Das Ganze ist mehr als die Summe der einzelnen Teile“ umschrieb, fasste Moitzi in der Formel 1+1 = 3 zusammen: „Miniaturisierung lässt sich nur durch immer höhere Packungsdichten der elektronischen Module erreichen, wobei Leiterplatten- und Halbleiter-Technologien immer mehr verschmelzen.“ Dafür böte AT&S eine Kombination von bestehenden mit neuen Technologien, die aufeinander abgestimmt seien, betont er weiter: „Dadurch werden Advanced-Packaging-Lösungen ermöglicht, die extrem kompakt und energieeffizient sind. Am Ende dieser Entwicklung steht dann das All-in-one-Package.“
Packaginglösungen im Tandem mit Leistungselektronik
Um dies zu erreichen, setzt der österreichische Leiterplattenhersteller seinen Schwerpunkt auf Forschung und Entwicklung, der bislang zu mehr als 64 Patentanmeldungen geführt hat: Derzeit sind weltweit rund 400 Mitarbeiter der Forschung und Entwicklung beschäftigt. Ein Schwerpunktthema am Technologieforum bildete daher das „Advanced Packaging“ – innovative, verfahrenstechnische Lösungen für Komponenten- und Halbleiter-Packaginglösungen – von derzeit 2D-Packages zu 3D-Packages, bei der die Komponenten in mehreren Schichten horizontal und vertikal zu einem einzigen Schaltkreis verbunden sind. Johannes Stahr, Group Manager Technology, zeigte dabei die Entwicklung der Embedded-Technologie bei AT&S auf, beginnend mit der Einbettung von passiven Komponenten bis hin zu ECP (Embedded Component Packaging) für System-in-Boards (SiB) und System-in-Packages (SiP). Mittlerweile liefert AT&S seine ECP-Platinen in Serienfertigung, mit zahlreichen bereits realisierten Produkten, von Computer-Boards über medizinische Sensorprodukte bis hin zu MEMS-Mikrophonen. Außerdem arbeitet der österreichische Leiterplattenhersteller mit Partnern intensiv an Embedded-Power-Produkten. So war es beispielsweise möglich, ein 500-W-Pedelec-Demonstrator unter Einbettung von MOSFETs, passiven Komponenten und Logikschaltungen zu realisieren. Umfangreiche Tests belegen die hohe thermische und Schock-Performance sowie das sehr gute Schaltverhalten des Designs. Im nächsten Schritt sind noch leistungsfähigere Module im High-Power-Bereich geplant.
Flexibilität, Miniaturisierung, Module und Packages, hohe Datenraten und hohe Frequenzen, Leistungselektronik mit hohen Strömen und steigende thermische Anforderungen sowie optimierte Fertigungsprozesse stellen nach Hannes Vorarberger die Herausforderungen, aber auch Chancen der Elektronikindustrie in den kommenden Jahren dar. AT&S sieht sich gut aufgestellt, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Als Beispiele nannte Vorarberger die flexible Integration von mehr Funktionalität, wie mit der Einbettung von Cavities in MEMS-Applikationen, die Kombination von starren mit flexiblen Leiterplatten oder das X-in-Board-Konzept, bei dem beispielsweise eine Standard-FR4-Leiterplatte mit einer HF-Leiterplatte kombiniert wird.
Weitere Fortschritte
Die fortschreitende Miniaturisierung führt Hannes Vorarberger, Group Manager R&D, weiter aus, gemäß der Frage „Was kommt nach dem Gesetz von Moore?“. Während man mit Anylayer-Leiterplatten und Substraten derzeit Leiterbahnbreiten von etwa 40 µm erreicht, geht der Trend in Richtung 10 µm und darunter. Dafür werden neben subtraktiven auch additive Technologien wie MSAP (Modified Semi-Additive Process) genutzt. AT&S forscht intensiv an bisher limitierenden Faktoren wie dem gezielten Ätzen oder der Rauheit der Kupferfolien, um die weitere Miniaturisierung voranzutreiben. Die Leiterplattentechnologie ist auch durch die steigenden Anforderungen an die Basismaterialien gekennzeichnet. Walter Pessl, Quality Supplier Engineering von AT&S, betonte hier die steigenden thermischen Anforderungen, komplexeren Aufbauten, das Handling von verschiedenen Spannungen und Abständen sowie die Signalintegrität. Gerade High-Speed- und HF-Applikationen haben hier hohe Ansprüche. AT&S arbeitet hier intensiv daran, die maximalen Betriebstemperaturen (MOT) zu erhöhen, beispielsweise mit FR15 auf 150 °C, die Löt-Zuverlässigkeit zu verbessern sowie die CAF-Festigkeit (Conductive Anodic Filament) zu erhöhen. Dafür wurden und werden umfangreiche Untersuchungen mit verschiedenen Materialien durchgeführt.
Bei der Umsetzung von Industrie 4.0 in der Leiterplatten-Industrie arbeitet AT&S derzeit an der Optimierung der Prozesse und der Produkte. Dank moderner Informations- und Kommunikationstechnik lassen sich Daten für die Produktionsprozesse in Echtzeit erfassen und verarbeiten, um die Prozesse zu optimieren. So werden einerseits neue Produkte erst möglich, während die Nachverfolgbarkeit den Einsatz von Ressourcen wie Materialien, Wasser oder Energie optimiert und menschliche Fehler reduziert. Letztendlich wird damit auch ein wesentlicher Beitrag zum Umweltschutz geleistet.
Know-How trifft auf Formel-1-Zirkus
Die restlos ausgebuchte Veranstaltung brachte am 18. und 19. Oktober rund 150 Entwickler und Kunden aus ganz Europa zum Red Bull Ring nach Spielberg. Im Rahmen der Konferenz wurden auch weitere aktuelle Themenstellungen der Leiterplattenindustrie wie Datenaufbereitungen, Design-for-Manufacturing, Anforderungen an Leiterplatten aus Sicht eines OEM, effiziente Umsetzung von Spezifikationen oder Vor- und Nachteile verschiedener Oberflächen diskutiert. Seine Internationalität unterstreicht AT&S mit seiner globalen Präsenz durch Produktionsstandorte in Österreich (Leoben, Fehring) sowie Werken in Indien (Nanjangud), China (Shanghai, Chongqing) und Korea (Ansan nahe Seoul). Insgesamt waren im Geschäftsjahr 2015/16 im Jahresdurchschnitt 8759 Mitarbeiter weltweit beschäftigt.